Werner knallhart

Mit eigenem Becher zu McCafé: elegant oder eklig?

Es geht los: Den Einweg-Bechern ist der Kampf angesagt. Gleich drei Systeme treten in Deutschland an und wollen Ressourcen schonen. Aber was ist praktikabel, was lästig – und was einfach nur unhygienisch?

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Coffee to go: Mehrweg statt Einweg-Pappbecher Quelle: dpa

McCafé mit Mehrwegbecher. Der Umwelt zuliebe. Ich habe den Test gemacht. In der nagelneuen Filiale am Zoologischen Garten, Berlin. Und bitte bitte bitte! Sie müssen mir glauben: Was ich mit meinem Becher dort erlebt habe, ist wirklich wahr!

Aber okay, eins nach dem anderen:

Coffee to go. Das macht in Deutschland fast 3.000.000.000 Einwegbecher mit Plastik überzogener Pappe samt Plastikdeckel, die nach wenigen Minuten auf dem Müll landen. In mehreren Städten fangen Cafés aber an, gegen die Pest vorzugehen: mit Mehrwegbechern. Oft aber verlieren sich die Aktionen einiger weniger Anbieter im Großstadt-Gewusel.

Den großen Durchbruch wird es erst geben, wenn die großen deutschlandweiten Ketten mitmachen. Und siehe da: Seit wenigen Tagen ist jetzt auch McCafé dabei. Einer der größten Kaffee-Kolosse Deutschlands, eingebaut bei McDonald´s.

Es gibt im Wesentlichen drei Systeme.

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System 1: Das Freiburger Modell - Pfandbecher

Ich nenne es jetzt mal so, weil mein Herz an meiner alten Studienstadt hängt. Freiburg ist in diesen Tagen medienwirksam durchgestartet - viele Cafés dort machen mit. Aber Städte wie Hamburg und Berlin waren da früher dran. Gastronomen tun sich zusammen mit einem einheitlichen Plastik-Mehrweg-Becher. Man kauft seinen Kaffee und zahlt einen Euro Pfand obendrauf. Später gibt man den Becher in einem der teilnehmenden Cafés zurück. Der Deckel bleibt Einweg.

Vorteil: zu 80 Prozent Mehrweg.

Nachteil: Man schleppt ewig einen sabbeligen, gebrauchten Becher mit sich herum, wenn keine Abgabestelle auf dem Weg liegt. Milchschaumreste werden flüssig und können in der Tasche auslaufen.

Wer seinen Becher abgeben will, ohne sich einen neuen zu kaufen, steht im dümmsten Fall in der Schlange an, um sich einen Euro abzuholen.

Die beigefarbenen Freiburger Becher sind optisch eher Stadtfest-Style. Die Hamburger Variante in schwarz, die man mit einem eigenen Isolier-Filzband umwickeln kann (kostet aber extra), macht mehr her.

Ekelfaktor: null. Die Becher werden gespült wie anderes Geschirr in der Gastronomie auch.

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System 2: Das Hamburger Modell (McCafé)

Ich nenne es jetzt mal so, weil es am Tresen neben dem von McCafé ja immer Hamburger gibt. Das Hamburger Modell ist das System für alle Gastronomen, die keinen Bock haben auf ein Pfandsystem, bei dem sie die Becher selber spülen oder spülen lassen müssen. Das Procedere wird auf den Kunden abgewälzt. Soll der doch seine Hände in Palmolive baden. Motto: Ökofreaks, macht euer Tamtam selber.

Ganz groß hier eingestiegen ist in diesen Tagen McCafé. Ich habe es eben mal ausprobiert:

„Ich hätte gerne einen mittelgroßen Cappuccino zum Mitnehmen im eigenen Becher.“
„Alles klar, da sparen Sie zehn Cent.“

Hoho, Umweltengel werden bei McDonald´s belohnt. Weil da findet man Einwegverpackungen traditionell verwerflich.

Und jetzt, meine Damen und Herren, suchen Sie sich bitte festen Halt. Bestellt man bei McCafé am Zoologischen Garten einen Kaffee für den eigenen Becher, dann geht das so (und ich habe einen Zeugen):

Der Verkäufer nimmt meinen Thermo-Becher entgegen, stellt ihn auf die Theke, greift zu einem Einwegbecher, lässt den Kaffee dort hinein laufen, gießt den Kaffee von diesem Einwegbecher in meinen Mehrwegbecher, Milch drauf - und schmeißt den Einwegbecher in den Mülleimer. (Lassen Sie diesen Eindruck mal wirken.)

Vorreiter mit hygienischen Mehrwegsystem

Ich: „Aber warum?“
„Ihr Becher ist zu groß. Der passt nicht unter die Maschine.“

Ich schlucke. Mein Becher ist nicht mini, ok, aber ein Standard-Becher mit 360 Milliliter Füllvolumen für mittelgroße Getränke. Ich habe eben mal bei Amazon geguckt: Die meisten anderen sind größer. Wie soll das bei McCafé weitergehen?

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Zusammengefasst: Mal angenommen, bei McCafé würde jeder noch einmal kurz nachdenken (und zum Beispiel Mehrweg-Umfüll-Kännchen verwenden) und das System mit dem eigenen mitgebrachten Becher würde rund laufen:

Vorteil: 100 Prozent Mehrweg

Nachteil: Weil den Verkäufern die Füllmenge des Bechers unbekannt ist, können Getränke kaum mehr nach klein-mittel-groß verkauft werden, es sei denn, das Getränk kommt aus einer Maschine, die den Milchanteil voreingestellt bekommen hat. So etwas gibt es aber meist nur in SB-Bäckereien.

Ekel-Faktor: Oh, Gott! Gut, im Bargeld-Land Deutschland fassen viele Baristas erst das Bargeld an und dann greifen sie zu Tassen und Croissant-Zangen und öffnen Milchpackungen. Geschmuddelt wird also eh schon. Nun aber fummeln die Verkäufer auch noch an Bechern herum, die die Kunden zuvor selber irgendwie gespült haben - oder auch nicht - und müssen demnach mitunter ohne Handschuhe die fremden Mundstücke abschrauben. Und berührt der Stutzen der Espresso-Maschine und die Milchkannen-Tülle beim Einschenken auch mit Sicherheit nicht den Rand des fremden Bechers?

Gnn! Viele Leute sind da unbedarft und ekelfest (siehe DB-Lounge, wo Leute trotz gegenteiliger schriftlicher Bitte ihre Gläser austrinken und mit dem eingespeichelten Rand des Glases dann erneut den Getränkespender betätigen). Für andere (wie mich), passt es irgendwie nicht zu einem Gastronomen, dass er das Geschirr wildfremder Leute in seine Küchen-Bereich stellt, in dem kurz darauf andere Tassen und Teller herumgeschoben werden. Bazillen-Schleudern gehören in die Kasse, nicht auf das Gitter der Espresso-Maschine.

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System 3: Das Bielefelder Modell (nur die hauseigenen Mehrwegbecher)

Mir seit längerer Zeit bekannt aus Bielefeld. Einige Cafés starten Initiativen auf eigene Faust und verkaufen ihre hübschen Mehrwegbecher (hübsche, nicht coole) mit ihrem Branding und auch mit Thermo-Isolierung und Mehrweg-Deckel.

Vorteil: besser allein, als gar keiner. Und die Gastronomen kennen das Füllvolumen ihrer Becher.

Nachteil: Irgendwann schleppt man in seinem Portemonnaie zehn Café-Stempel-Karten mit - und in einem Rollkoffer zehn passende Kaffeebecher hinter sich her. Nicht sehr zukunftsweisend.

Ekelfaktor: Nun ja, der gleiche wie bei System 2. Jeder legt je nach Eile am heimischen Spülbecken den eigenen Hygiene-Standard fest.

Fazit: Ich muss sagen, Freiburg ist und bleibt offizieller Vorreiter mit seinem hygienischen Mehrwegsystem Nr. 1, bei dem man außerdem ohne Becher im Laden antanzen kann. Mehrweg ist dort immer frisch gespült vorrätig. Und wenn schon wegen auslaufender Milchschaumreste nicht die Tasche rein bleibt, so bleibt es zumindest das Gewissen.

Oder: Vielleicht entsteht ja in Freiburg ein neues Pfandbecher-Spendensystem vergleichbar mit der neben den Mülleimer gestellten leeren Bierdose. Für Flaschensammler wäre das neue Mehrweg-Coffee-to-go dann eine interessante Alternative.

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