




Für zwei gute Scheiben Thunfisch-Filet gehe ich nach Möglichkeit immer zu meinem Lieblingsfischhändler. Dessen Laden sieht nach nix aus, hat bis zur Decke weiß gekachelte Wände. Das ganze Kabuff hat die Größe einer halben Garage. Wenn drei Kunden drin warten, wird es eng. Außerdem riecht es dort immer leicht nach Chlor. Bis raus auf die Straße. Das riecht nicht gut, aber sehr sauber. Und der Mann schuppt ab wie der Wind. Hier steckt die ganze Qualität im Fisch. Ich brauche kein maritimes Ambiente, will nicht von der Südsee geküsst werden, wenn ich den Laden betrete. Und die Vorfreude auf das, was bei mir am Abend von beiden Seiten vierzig Sekunden in heißer Butter gebraten wird, reicht mir zum perfekten Einkaufserlebnis.
Ähnlich geht mir das auch beim Kaffee. Dennoch bin ich Nespresso-Kunde. Der Nespresso-Kaffee schmeckt meinen Lieben und mir gut. Sogar der koffeinfreie. Das bietet mir keine Espresso-Maschine mit Zwei-Kammer-Mahlwerk. Denn wählt man bei der die Kammer mit den koffeinfreien Bohnen aus, kommt immer erst noch der Rest des koffeinhaltigen Pulvers vom letzten Mahlvorgang raus. Und der zartbesaitete Genießer stirbt den Herztod. Koffeinfreien Espresso hingegen bekommt erst der, der danach wieder einen richtigen Espresso will. Und schläft sofort ein. Nein, es muss Nespresso sein. Und zwar leider der originale. Die neuen Plastikkapseln anderer Hersteller schmecken nicht und sind oft genauso teuer.
Ich sage leider, denn damit geht das Haitaitai-Theater schon los. Kaffee-Pads gibt es überall zu kaufen, Nespresso-Kapseln aber nur online oder im Nespresso-Laden, der angelehnt an Chanel und Prada Nespresso-Boutique heißt. Diese Boutiquen gibt es aber fast nirgends.
Bürger großer deutscher Städte haben es gut. In Köln, Berlin und München etwa geht man mal eben Kapseln shoppen als wären sie Zucker oder Mehl. Nespresso-Kunden in Paderborn allerdings werden vom Online-Boutique-Finder nach Hannover gelotst. Menschen aus Freiburg im Breisgau gar ins Ausland: nach Mulhouse, Basel oder Straßburg. Und was den Ostdeutschen bis 1990 die Damenstrumpfhosen waren, sind heute die Kapseln: Für Rostocker gibt's Nespresso erst drüben - in Hamburg. Weil Nespresso eben etwas ganz Exklusives ist. Und das soll man merken.
Merkt man spätestens auch, wenn man eine solche Boutique betritt. Oooooh, so groß! Wie die Lobby eines Luxus-Hotels. Mit meterhohen Decken, modernen Kronleuchtern, zweigeschossig, hell erleuchteten Probiertheken aus dunklem Holz und Glas.
Dort heißt es nicht: " Wollen Sie mal kostenlos unseren neuen Kaffee probieren?" sondern "Darf ich den Herrn denn noch zu unserem neuen Grand Cru einladen? Ein Lungo. Bukeela ka Ethiopia. Etwas blumig mit einer überraschend wilden Note."
Toll, jetzt hat sie mir die ganze Überraschung verdorben. Ich hätte mich so gerne nach Feierabend von der wilden Note Äthiopiens übertölpeln lassen.
Das mit dem blumig und überraschend wild steht zum Nachlesen übrigens eins zu eins online in der Nespresso-Welt. Hatte die Gute also nur nachgeplappert. Macht sie sympathisch. Denn diesen ganzen Marketing-Quatsch kann kein Mensch wie du und ich wirklich schmecken:
Zur Sorte Dharkan heißt es: starke Persönlichkeit
Arpeggio: bestimmender Charakter
Volluto: ideale Entfaltung seiner Raffinesse
Vivalto Lungo: „Die separate Röstung der Bohnen unterstreicht den Charakter jeden Ursprungs"
Beim Linizio Lungo führt die separate Röstung hingegen zu einer "malzigen Getreidenote"
Und die Sorte Masala Chai heißt übersetzt Tee-Mischung. Ist aber gar kein Tee drin.