Werner knallhart

Rossmann und dm müssen sich ins Zeug legen

Amazon will also ins Drogerie-Geschäft einsteigen. War ja klar. Denn irgendwann trifft es jeden Händler. Ist das endlich der Weckruf für die online-faulen Alteingesessenen dm und Rossmann?

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Quelle: dapd

Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen. Ein Kollege erwartete mich im Restaurant - und sah mich dann mit einem Amazon-Paket unter dem Arm antrappeln, das ich mir ins Büro hatte liefern lassen.

„Was hast du bestellt?“
„Ähm, das ist nur was fürs Bad.“
„Echt, was denn? Klopapier?“ Mein Kollege prustete begeistert und feierte seinen eigenen Gag.
Ich antwortete: „Ja.“
„Nee, sag mal.“
„Du hast tatsächlich richtig geraten: Klopapier. Man kann jetzt dm-Sachen über Amazon bestellen.“

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Ja, ich habe mir mal zwei Rollen Klopapier per DHL von Amazon liefern lassen. Ach, das waren noch Zeiten. Damals, vor gut und gerne fünf Jahren, da gab es das noch: dm bei Amazon.

Die meisten Duschgels, Deos und Waschmittel wurden zwar der Effizienz zuliebe nur im Doppelpack geliefert, aber meine Güte. Praktisch war es trotzdem.

Mittlerweile gibt es das längst nicht mehr. Und Amazon ist eine ziemlich öde Drogerie-Wüste. Stattdessen hat dm einen eigenen Online-Shop eröffnet. Und man das Gefühl: nicht voller Stolz und Freude, sondern weil es in dieser verdammten modernen Welt irgendwie dazu gehört. Dazu gleich mehr.

Amazon visiert den Drogeriemarkt an

Mal sehen, wie lange sich dm dieses halbgare Angebot noch leisten kann. Denn Amazon findet sich offenbar nicht damit ab, so derart deo-, schampoo- und windelfrei zu sein.

Der US-Konzern will zum Jahreswechsel europaweit ein Basis-Sortiment an Eigenmarken einführen, berichtet die „Lebensmittel Zeitung“: Hygiene-Artikel, Babynahrung, Körperpflege-Produkte. Amazon selbst schweigt dazu noch. Aber es würde passen. Der Schritt würde eine große Sortiments-Lücke schließen. Außerdem sind Drogerie-Produkte prädestiniert für den Versandhandel. Sie müssen nicht gekühlt werden, sind lange haltbar, kaum zerbrechlich, handlich und gut verpackbar. Selbst Doppel- und Dreierpacks sind aus Verbrauchersicht attraktiv. Drei Pakete Windeln oder drei Flaschen Waschmittel mit Mengenrabatt zur Bevorratung machen einfach mehr Sinn als etwa drei Exemplare eines Reiseführers über Dalmatien oder drei Wasserkocher.

Und nun wird es spannend. Wie werden wohl dm und Rossmann reagieren? Gucken wir mal auf dm. Denn die müssten echt umdenken.

Heute wirkt der dm-Online-Service wie ins Gesamt-Konzept rein geprügelt. Motto: „Mein Gott, wenn ´s denn sein muss.“ Um genau zu sein, hat dm den perversesten Online-Service, den ich je gesehen habe. Und der funktioniert so:

Je mehr Sie dm abkaufen, desto teurer wird der Versand!

Haben Sie das in letzter Zeit mal irgendwo anders gehört? Andere Online-Händler werben mit Umsatz-Schwellen, über denen die Kosten für den Versand dem Kunden gar nicht berechnet werden. Dm aber sagt sich: Nö, wer unbedingt online bestellen will, der muss auch blechen. Ätsch!

Die 10 größten Onlinehändler in Deutschland
Apple Quelle: AP
Alternate.de Quelle: Screenshot
Platz 8: Conrad.de Quelle: Screenshot
Tchibo.de Quelle: dpa
Platz 6: Bonprix.de Quelle: Screenshot
Cyberport.de Quelle: Screenshot
Platz 4: Notebooksbilliger.de Quelle: Screenshot

Der Drogist schreibt im dm-Online-Shop: „Pro Paket berechnen wir eine Versandkostenpauschale von 4 Euro 95 für Verpackung und Versand. Überschreitet Ihre Bestellung das Gewicht oder das Volumen eines Pakets, wird Ihre Bestellung in ein weiteres oder mehrere Pakete verpackt. Für jedes weitere Paket fallen ebenfalls 4 Euro 95 an. Ab einem Gewicht von ca. 25 Kilo oder einem Volumen von ca. 140 Liter wird ein weiteres Paket benötigt.“

Und dann kann der Kunde auf einem Schaubild den Füllstand seiner Pakete kontrollieren. 2%, 40%, Mist: über 100. Ist das geil? Da sitzt man dann als Kunde vorm Bildschirm und denkt sich: Bloß nicht zu viel bestellen, sonst lohnt es sich nicht.

Das meine ich mit pervers: Der Kunde wird zur Zurückhaltung animiert. Und so was ist in Amazon-Zeiten einfach nicht mehr drin.

Rossmann-Onlineshop verursacht Chaos im Kopf

Rivale Rossmann macht es so: Online heißt es, „die Versandkosten in Höhe von 4 Euro 95 entfallen ab einem Bestellwert von 69 Euro.“

Aha! Hier würdigt man die Einkaufslust der Kunden. Aber dann geht des weiter:

„Einen Mindestbestellwert gibt es nicht. Dies gilt nicht beim Kauf in den Filialen der Dirk Rossmann GmbH.“

Hä? Was gilt da nicht? Das mit dem Entfallen oder das mit dem Mindestbestellwert? Und wieso überhaupt Filialen der Dirk Rossmann GmbH? Sind das nicht die Läden? Da bestellt man doch nichts. Oder wie oder was? Chaos im Kopf.

Und dann wird noch erklärt, dass Nachnahme-Gebühren von DHL von Rossmann an den Kunden durchgereicht werden. Bei sperrigen Gütern (was sind denn sperrige Drogerie-Artikel: ein vier Meter hoher Rasierschaum-Spender?) wird es noch teurer und dann steigt auch die Nachnahme-Gebühr. Wie viel das am Ende kostet, weiß man erst, wenn man den virtuellen Einkaufswagen vollgepackt hat. Nicht vorher.

Dm liefert innerhalb von zwei bis drei Werktagen. Rossmann schreibt bei einer Bestellung am Freitag: Lieferung Dienstag oder Mittwoch. Das sind sogar bis zu vier Werktage. Wann genau, das bleibt eine Überraschung.

Amazon liefert für Prime-Stammkunden am nächsten Tag per Express. Versandkostenfrei. Immer! Dieser Service kostet zwar pro Jahr 69 Euro. Aber da ist auch noch Amazon Prime Video dabei. Mit tausenden Filmen und Serien ohne Aufpreis im Streaming oder Download. Und wer die 69 Euro einmal bezahlt hat, will die Vorteile auch richtig schön ausnutzen. Drogerie-Shopping wäre nur einer davon.

Ich wünsche Rossmann und dm, dass sie jetzt erkennen, dass es womöglich ein Gigant auf sie abgesehen hat. In den Filialen hinkt Rossmann mit seinen engen Gängen, hohen Regalen und Zigaretten-Ständern dem luftig-aufgeräumtem dm mit seinem Bio-Vegan-Lifestyle-Ambiente hinterher. Die dm-Läden wirken wie ganz weit vorne. Online ist dm aber die Schnarchnase.

Jetzt muss ein schlagkräftiger Online-Auftritt bei dm und Rossmann her. Bei Schlecker konnte jeder Kunde sagen, was ihm an den altmodischen Rumpelbuden nicht gefällt. Aber Schlecker blieb Schlecker.

Nicht, dass sich da bald wieder ein deutscher Drogist fragen lassen muss: Habt ihr denn nicht gemerkt, dass die Konkurrenz den Kunden besser versteht?

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