Werner knallhart

Karstadt ist nicht mehr zu retten!

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Statt neuer Innovationen nur lahme Nachahmung

Die größten Unternehmensinsolvenzen 2013
Platz 1Als die größte und namhafteste Unternehmensinsolvenz 2013 ist Praktiker in die Statistiken eingegangen. Die Krise des Unternehmens begann schon 2009. Ein Personal- und Filialabbau setzte ein und Unternehmensberater wurden hinzugezogen. Doch alle Reformbemühungen blieben ohne Erfolg - Ende 2012 stand ein satter Jahresfehlbetrag und im Juli 2013 meldete Praktiker schließlich Insolvenz für die verbliebenen 200 Praktiker-Filialen in Deutschland an. Rund 7600 Mitarbeiter waren davon betroffen. Bemühungen einen rettenden Investor für die marode Baumarktkette blieben erfolglos. Anfang September gab der Insolvenzverwalter dann bekannt, alle Märkte endgültig zu schließen. Quelle: dpa
Platz 2Großpleite im Callcenter: Die Walter Services GmbH aus Ettlingen, die mit rund 6.000 Mitarbeitern zahlreiche Outsouring-Dienstleistungen anbietet, stellte im Juli am Amtsgericht Karlsruhe einen Insolvenzantrag. Grund dafür war die drohende Zahlungsunfähigkeit des Betreibers Callcenter-Geschäften. Überkapazität am Markt und ein hoher Margendruck führten den Konzern tief in die Krise. Jetzt will das Unternehmen, das aus 20 Gesellschaften an 16 deutschen Standorten besteht, ein Schutzschirmverfahren durchführen und sich neu aufstellen. Quelle: dpa/dpaweb
Platz 3Er folgte Praktiker in die Insolvenz: Max Bahr aus Hamburg, den Praktiker 2007 übernommen und seitdem als Tochtergesellschaft mitfinanziert hat. Am 25. Juli 2013 wurde meldete der Baumarkt unter Verweis auf die fehlende finanzielle Unterstützung der Lieferanten Insolvenz an. Zu diesem Zeitpunkt waren in den rund 100 Max-Bahr-Märkten 3.200 Beschäftige tätig. Auch hier scheiterten alle Rettungsversuche: die ursprünglich als Käufer gehandelten Konkurrenten Hellweg und Globus hatten 2013 kein Interesse mehr an der Premium-Marke. Im November begann die Abwicklung des 130 Jahre alten Unternehmens. Nur für vereinzelte Märkte besteht noch Hoffnung. Quelle: dpa
Platz 4Kunert Fashion GmbH, Hersteller von Socken- und Strumpfwaren eröffnete am 1. Mai 2013 das Insolvenzverfahren. Dem Unternehmen machten vor allem Pensionsverpflichtungen zu schaffen, aber auch die hohen Produktionskosten in Deutschland. Der Textilhersteller mit Sitz in Immenstadt wurde im Zuge einer sogenannten übertragenden Sanierung durch die Grosso Holding übernommen. Kunert Fashion hatte zu diesem Zeitpunkt 1.150 Mitarbeiter, etwa jeder zehnte Arbeitsplatz wurde nun gestrichen. Leiter des Insolvenzverfahrens war Arndt Geiwitz, der auch die Schlecker-Insolvenz betreute. Quelle: dpa/dpaweb
Platz 5Solarunternehmen ohne Zukunft: die Conergy AG aus Hamburg verlor in diesem Jahr den Kampf gegen die Krise der Solarbranche und meldete am 25. Juli Insolvenz an. Dabei ging es dem Unternehmen zwischenzeitlich richtig gut: Seit 2005 war Conergy an der Frankfurter Börse notiert. Die Aktie war zeitweise mehr als 160 Euro wert, doch das ist lange her. Zuletzt ging es für das Unternehmen eher bergab. Der Umsatz sank um fast 40 Prozent, das Eigenkapital war aufgezehrt. Rund 1.100 Mitarbeiter, davon 800 in Deutschland, sind von der Pleite betroffen. Dennoch gibt es Hoffnung, dass das Unternehmen weiter bestehen könnte. Mit seinem Schicksal ist die Conergy AG kein Einzelfall: Mehrere Schwergewichte der deutschen Solarbranche mussten aufgrund des internationalen Wettbewerbsdrucks vor allem aus Fernost aufgeben. Quelle: dpa
Platz 6 Vor einigen Jahren noch hat sie beim Bau der Allianz-Arena in München mitgeholfen, jetzt ist sie insolvent: Die Alpine Bau AG mit Sitz in Echingen. Die deutsche Firma geriet in den Abwärtsstrudel der österreichischen Muttergesellschaft und schrieb rote Zahlen. Jetzt will die Geschäftsführung des Unternehmens mit etwa 1.000 Beschäftigten ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung durchführen. Ziel ist die Sanierung sowie die Suche nach einem finanzkräftigen Investor. Quelle: dpa
Platz 7Nach 90 Jahren Firmengeschichte steht der TV-Hersteller Loewe 2013 vor dem Aus. Nach monatelangen Rettungsversuchen stellte der Betrieb am 1. Oktober einen Antrag auf Planinsolvenz in Eigenverwaltung. Schon länger leidet Loewe unter dem Preiskampf in der Branche und steht angesichts der hohen Preise für seine Geräte unter Druck. Seit Jahren schreibt Loewe Verluste und leidet unter der harten koreanischen Konkurrenz wie Samsung und LG Electronics. Allein in der ersten Jahreshälfte brach der Umsatz um fast 40 Prozent auf 76,5 Millionen Euro ein, die Anleger flohen in Scharen, die Aktie sackte um ein Drittel auf 4,10 Euro ab. Ende Oktober wurde gemeldet, dass ein erster Investor gefunden wurde. Ob alle der zuletzt noch 760 Mitarbeiter bleiben können, ist noch offen. Quelle: dpa

Wenn sich doch wenigstens was tun würde! Bei Karstadt in Bielefeld haben die neulich umgebaut. In solch einer Lage rund drei Gehminuten von Kaufhof und Saturn entfernt muss man den Kunden ja schließlich etwas bieten. Die Innovations-Offensive. Und dann, nach der großen Neueröffnung, da waren die Bonbons jetzt vorne links und die Handtücher weiter hinten. Sonst ist mir nichts aufgefallen. Steckt da eine geheime Strategie dahinter, die der Kunde nicht begreifen soll?

Oh Gott, Frau Sjöstedt, kann man da wirklich noch was retten? Das Tafelsilber, also das KaDeWe, das Hamburger Alsterhaus und Oberpollinger in München, wurde ja schon verscheuert und gehört nicht mehr zur Karstadt Warenhaus GmbH.

Sie müssen nun ausgerechnet an die langweiligen, spießigen Dickschiffe in den mittelgroßen Städten ran. Die mit den grauen Linoleum-Böden, den stinkenden Klimaanlagen (Köln!), den niedrigen Decken. Mit Mitarbeitern, denen die Gewerkschaften eingeimpft haben, dass früher alles besser war.

Dabei war damals alles genauso. Und das ist ja gerade das Schlimme!

Früher waren Warenhäuser noch die große weitere Einkaufswelt. Ein Erlebnis! Heute fühlt sich nur noch die Generation an Kunden wohl, die jung war, als die ersten Warenhäuser aufmachten in Deutschland.

Aber was hat Karstadt in den vergangenen Jahren anderes zustande gebracht, als den Schlussverkauf jetzt Sale zu nennen (den viele der Stammkunden übrigens deutsch Saale aussprechen)?

Kein Wunder, dass Karstadt die junge Generation verloren hat. Und wie reagiert jetzt Karstadt? Trennt einzelne Ecken ab, streicht die Wände schwarz, nennt den Bereich statt Karstadt englisch KTown, stellt eine Vitrine mit Muffins dazu und wartet, dass die Teenies kommen. Zu KTown im Karstadt! Die traurige Karstadt-Strategie: halbherzig nachmachen, statt voranzugehen. Motto: Wir haben das jetzt auch.

Und zehn Meter weiter türmen sich Bürotassen mit dummen Sprüchen drauf im Sale. Mein fünfzehn Jahre altes Patenkind Ida nennt es so: "Schlecht!"

Frau Sjöstedt kommt aus Schweden. Wo Kaufhäuser wie NK oder Åléns noch Maßstäbe setzen. Mit Spitzenmarken der erfolgreichsten Designer, sei es bei Glas, Kleidung oder sogar Lampen. In mitunter beeindruckendem Ambiente. Wo man hingeht, um sich inspirieren zu lassen und Einrichtungsideen zu holen. Wo hochmotivierte, gut aussehende junge Menschen die Kleidung, die sie verkaufen, am eigenen Leib präsentieren. Die fast perfekt Englisch sprechen. Dort finden Sie etwa Designer-Tagesdecken, mit denen haben die deutschen Aussteller auf der Kölner Möbelmesse 2014 gerade ihre Neuheiten dekoriert.

Ich darf mal zusammenfassen: Alles muss neu bei Karstadt! Neues Ambiente, neues Sortiment, neuer Service, neue, frische Gesichter. Und gleichzeitig Preise, die mit dem Internet mithalten können. Alles andere braucht kein Mensch.

Summe, die Investor Nicolas Berggruen bisher von eigenem Vermögen in Karstadt investiert hat: einen Euro.

Das wird nichts mehr, Frau Sjöstedt. Machen Sie sich ein paar schöne Monate in Essen und möbeln Sie ein paar Filialen so auf, dass man sie den Mitarbeitern zuliebe wenigstens noch an Kaufhof verschenken kann. In unbändiger Vorfreude darauf ist der Kaufhof-Chef Lovo Mandrac offiziell allerdings nicht. Denn als lahmender Konkurrent ohne Zukunft nutzt Karstadt Kaufhof gerade am allermeisten. 

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