Der Kaffee auf die Hand heißt ja nur so. Zum Glück bekommt man ihn frisch und heiß in einem Becher. Und Menschen, die von Müll nicht genug bekommen können, dürfen sich freuen: In Deutschland werden 320.000 Coffee-to-go-Becher weggeschmissen - stündlich.
Die Kollegen vom Inforadio haben mal aufgeschlüsselt: Pro Jahr sind das fast drei Milliarden dieser Einwegbecher. Aneinandergereiht würden die jedes Jahr in Deutschland verbrauchten Einwegbecher mehr als siebenmal die Erde umrunden. Und um Becher plus Deckel herzustellen, werden jährlich 43.000 Bäume und 11.000 Tonnen Kunststoff verbraucht.
Die meisten von uns sind sich bestimmt einig: Es wäre wirklich schön, wenn das alles weniger wäre. Unter Umweltschutz-Gesichtspunkten.
Und weil die Grünen ja die Umweltschutz-Partei sind, fordert nun Silke Gebel, die umweltpolitische Sprecherin der Berliner Grünen-Fraktion (in Berlin jedes Jahr 170 Millionen Einwegbecher), Mehrwegbecher.
Ihr Traum läuft im Grunde so ab: Man kauft sich zum Beispiel an der S-Bahn-Station Warschauer Straße einen leckeren Cappuccino to go im genormten Einheitsbecher, trinkt ihn gemütlich unterwegs in der Bahn, wärmt sich seine Hände am Becher, gibt den leer an seinem Ziel-Bahnhof Friedrichstraße wieder ab und kassiert sein Pfandgeld. Zackzack, ganz einfach, wunderbar.
Das Blöde ist nur: Zackzack, ganz einfach, wunderbar ist eben nur ein Traum. Im wahren Leben bedeutet das, im Berufspendlerverkehr müde mit einem schmutzigen Becher durch die Menschenmassen zu hetzen, um sich dann an einer Kaffeebude ein zweites Mal anzustellen, damit man sein Pfand zurückbekommt.
Da steht dann angezeigt, dass die nächste U-Bahn in zwei Minuten einfährt und man steht mit Puls 180 in der Schlange, knirscht mit den Zähnen, starrt auf den Schmutzbecher in seiner Hand und denkt sich: "Was mache ich hier eigentlich?"
Der Kaffee für unterwegs wäre plötzlich eine Zumutung. Und das nicht nur für die Berufspendler. Auch die Händler gerieten in Stress. Statistisch gesehen beträte jeder Kunde ihre Läden in Zukunft zweimal, würde aber nur einmal etwas kaufen. Das zweite Mal brächte er nur Verpackung zurück.
So trinkt die Welt ihren Kaffee
...trinken ihren Kaffee am liebsten mit Milch
...trinken ihn mit Milch und Zucker
...trinkt den Kaffee schwarz
...genießen ihren Kaffee mit Zucker
Bringen Supermarkt-Kunden ihr gesammeltes Leergut wie Bierkästen, Mineralwasser-PET und Dosen zurück, tun sie das in der Regel, wenn sie ohnehin gerade zum Einkaufen vorbeikommen. Das geht ja noch. Aber der Kaffeebecher-Zurückbringer - was soll der jetzt auf dem Weg zur Arbeit kaufen, was er nicht schon kurz vorher am Caféhaus Nummer 1 hätte kaufen können?
Wir könnten die Becher natürlich im Büro sammeln und alle zwei Woche als milchig-sauer stinkenden Stapel zurückbringen. Aber: ach, nein, doch nicht.
Außerdem müssten die Händler die schmutzigen Becher dann lagern, transportieren und professionell spülen lassen - oder hätten Sie zum Frühstück gerne einen Pfandbecher, der ein-/zweimal flott über die Rundbürste im Spülbecken gerattert wurde, wie die Bierbecher im Fußballstadion? Davon abgesehen, dass viele kleine Kioske gar keinen Platz für Lagerung und Reinigung haben.
Coffee to go and come back
Ich prophezeie: Das wird nichts mit Mehrweg. Coffee to go ist eben kein Coffee to go and come back. To go ist wie gemacht für Einweg. So wie Einwegspritzen und Kondome. Es gibt keinen Weg zurück. Es bleibe also nur die Strafsteuer.
Aber warum eigentlich ausgerechnet die Kaffeebecher? Was ist mit den Styropor-Wannen, in denen man beim Chinesen Süßsaures oder beim Türken Pommes gereicht bekommt?
Warum keine Strafsteuer auf 1-Liter-Milchkartons? In anderen Ländern spart man Verpackung durch größere Milch-Füllmengen. Wieso Duschgel ungestraft in Reisegrößen? Warum Aufschnitt an der Theke erst in Papier-Plastikfolie und dann nochmal in eine Plastiktüte mit Kassenbon aus Papier, der mit Metall dran getackert wird - ganz ohne Strafsteuer? Warum eigentlich ungestraft Zeitung auf mit feinstaubiger Druckerschwärze lesen, wenn man sie doch auch auf das Tablet downloaden könnte?
Ein Kollege fragte: "Warum eigentlich keine Strafsteuer auf Klopapier? Weite Teile der Welt beweisen, dass man seinen Hintern auch ganz ohne Abfall mit einem Wasserstrahl reinigen kann." Und ich sehe beim besten Willen nicht, wo dieser Vergleich hinkt.
Der Müll vom Coffee to go aber ist neu und fällt deshalb ins Auge. Und ja, to go schafft viel Müll. Das ist nicht gut. Weil die Becher ein Verbund aus Plastik und Pappe sind und meist in öffentlichen Mülleimern entsorgt werden, deren Inhalt nicht getrennt wird, landen sie in der Müllverbrennung. Ohnehin könnte man sie nur sehr aufwendig und teuer recyceln.
Es gibt also nur zwei praktikable Lösungen:
1. Man bringt den eigenen Becher mit und lässt ihn sich an der Kaffeebude auffüllen. Für Pendler mit täglicher Routine wäre das noch organisierbar. Aus hygienischen Gründen dürften die Verkäufer die Kunden-Becher dann aber nicht mit den Kaffeemaschinen in Berührung bringen, sondern müssten das Getränk vom eigenen Behälter kontaktlos in den mitgebrachten Becher umfüllen. Schaumkrone adé. Aber alles andere wäre eklig. Wo Verkäufer, die Bargeld anfassen, keine Lebensmittel berühren, sollen sie auch keine fremden Becher in die Hand nehmen müssen, wenn sie die Kaffeemaschinen und Milchaufschäumer bedienen.
2. Umweltfreundliche Einwegbecher. Googlen Sie mal kompostierbare Kaffeebecher. Da gibt es schon einiges. Becher aus Zellulose, Beschichtungen ohne Erdöl. Die Grünen sollen mal ein Förderprogramm für Öko-Becher fordern.
Ich habe nämlich mal aus so einem Becher getrunken. Ich gebe zu: Ich hatte den Eindruck, der Becher kompostierte sich schon, bevor ich austrinken konnte. Ganz samtig und weich war der irgendwie. Ich habe den Kaffee dann runter gestürzt, bevor etwas Schlimmeres hätte passieren können.
Aber meine Güte: Das wäre dann eben ein echter Kaffee auf die Hand gewesen.