Werner knallhart
Vorstellung eines Tesla Model 3 auf dem Pariser Autosalon Quelle: dpa

Tesla nach einer Woche zurückgeben: Musk tappt in die Ikea-Falle

Elon Musk erlaubt es den Käufern künftig, ihren neuen Tesla nach einer Woche zurückzugeben. Bei voller Kaufpreiserstattung. Ha! Vorsicht vor den Deutschen, Herr Musk. Hierzulande ist PR-Maschen ausnutzen Volkssport.

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Der neue Tesla Model 3 kommt endlich in der lange versprochenen Einstiegs-Variante für 35.000 Dollar (knapp 31.000 Euro). Zumindest in den USA. Elon Musk hat diese Ankündigung clever mit der schlechten Nachricht verknüpft, dass er einen großen Teil der Tesla-Autohäuser weltweit dicht machen wird. Die Kostenersparnis soll direkt den Kunden zugutekommen. Genialer kann man den radikalen Abbau von Arbeitsplätzen nicht verkaufen.

Statt im Autohaus kaufen Kunden das neue Modell 3 künftig im Internet. Das soll in den USA innerhalb einer Minute gehen. So schnell konnte man als Normalsterblicher bislang eigentlich nur dreißig Riesen loswerden, wenn man einen Geldkoffer von einer Brücke in den Fluss warf. Und das war für die meisten eher eine selten geübte Routine.

Musk scheint diesmal alles bedacht zu haben. Selbst den Umstand, dass ohne Autohäuser eine Probefahrt schwieriger wird. Künftig soll es laufen wie bei Zalando: Man bestellt sich etwas Schönes und schickt es bei Nichtgefallen wieder zurück. Bei Zalando sind es Schuhe und T-Shirts, bei Tesla eben Autos.

Bis eine Woche nach Auslieferung können US-Kunden ihr nagelneues Auto wieder abgeben. Und bekommen den Kaufpreis komplett zurück. 1000 Meilen inklusive. Und so soll es offenbar auch in Europa kommen.

Bei Tesla sind sie mutig. Denn das ist doch wohl ein ziemliches Risiko. Zumindest in Deutschland. Wir sind ja Schlawiner. Hier gibt es Leute, die bestellen sich bei Zalando neue Skianzüge für die ganze Familie, donnern dann in Garmisch die Pisten runter und erfreuen sich jede Minute am dezenten Juckreiz zwischen den Schulterblättern. Das ist das gute Gefühl: Das originale Zalando-Etikett ist noch dran. Denn so kann man nach dem Urlaub die ganzen Ski-Klamotten wieder zurückschicken. Und zack: Geld zurück. Schnee macht keine Flecken. Und das bisschen Schweißgeruch – das verfliegt doch hoffentlich bei der Rücksendung mit DHL. Ist halt Online-Handel. Da darf man ja alles zurückschicken.

Unfair? Ja, aber natürlich. Aber hey! Man kann es sich ganz einfach zurechtlegen: Hier betrügen schließlich die Kunden höchstpersönlich. Und wir haben die Gesetze nicht gemacht. Soll uns Zalando doch erstmal nachweisen, dass wir miese Schmarotzer sind. Und wenn die sich beschweren, bestellen wir künftig eben beim nächsten Großkapitalistenverein.

Die moralische Grenze liegt exakt da, wo man einem diese Rücksichtslosigkeit gerade noch nicht beweisen kann. Da kann man sich vorstellen, was los ist, wenn einem ein Händler von sich aus die Hand reicht und sagt: Ihr dürft sogar nach Gebrauch ohne Angabe von Gründen die gekauften Waren wieder zurückgeben.

Ikea war 2014 mal so irre und hat sich das in Deutschland getraut. Möbel ein Leben lang wieder zurückbringen. Ohne Angabe von Gründen. Auch ohne von Ikea zu vertretene Mängel. Und gerne auch mit von Kunden verursachten Mängel.

Als ich das gehört habe, dachte ich: Da schließt Ikea von seinen Erfahrungen in Norwegen und Dänemark auf den deutschen Markt. Meiner Einschätzung nach herrscht im Norden eine gewisse Scheu, auf Kosten anderer radikal seine eigenen Interessen durchzusetzen, solange andere daran etwas Anstößiges finden könnten. Es macht einfach einen bemitleidenswerten Eindruck: „Hast du das nötig?“ In Skandinavien gibt es dabei die Angst vor dem Gesichtsverlust.

In Deutschland herrscht eine andere Haltung: „Ja, wenn die da in ihrem Multimilliarden-Konzern so eine großkotzige PR-Nummer fahren, soll sie ihnen um die Ohren fliegen. Da kenn ich nichts.“

Aus Sicht vieler Ikea-Kunden war wohl sonnenklar: Ab jetzt werden alle ein, zwei Jahre unsere Möbel umgetauscht. Sieht doch moderner aus und kostet nichts. Und Ikea hat uns ja dazu eingeladen.

Als der Möbelhändler kurz darauf das Angebot wieder einkassieren musste, wurde aus Ikeas PR-Großzügigkeit ein schlimmes PR-Desaster. Die Kunden in Deutschland hatten offenbar einfach zu viel Spaß an diesem kribbeligen Füllhorn-Gefühl.

Bilder aus Teslas Riesen-Fabrik
Die Gigafactory in Nevada hingegen umfasst heute bereits 500.000 Quadratmeter an Produktionsfläche auf drei Etagen Quelle: Tesla
Menschen und Roboter arbeiten Hand in Hand. Alles, was für die Akkus und Antriebe gebraucht wird, soll in der Gigafactory unter einem Dach produziert werden. Quelle: Tesla
„Jedes Teil eines Tesla ist so gebaut, dass wir es schnell und sicher verarbeiten können“, erklärt Chefingenieur Chris Lister. Quelle: Tesla
3000 Panasonic-Angestellte arbeiten in der Gigafactory zusammen mit 7000 Tesla-Leuten und gut 2000 Angestellten von Zulieferern und jeder Menge Robotern. Quelle: Tesla
Teslas Gigafactory bedient sich mit großflächigen Solarpaneelen auf dem Dach an der Kraft der Sonne. Quelle: Tesla
Ein Tesla-Mitarbeiter bedient einen Screen an der Produktionsstraße der Batteriefabrik. Quelle: Tesla
Schon jetzt produziert Teslas Gigafactory mehr als 60 Prozent aller Akkuzellen für E-Autos weltweit. Quelle: Tesla

Und jetzt also auch Tesla. Elon Musk wird in die Ikea-Falle tappen. Ein Auto per App innerhalb einer Minute bestellen und dann nach einer Woche gegen Erstattung des vollen Kaufpreises wieder zurückgeben. Für uns deutsche Verbraucher heißt das nichts anderes als: Eine Woche kostenlos ein topmodernes nagelneues Elektroauto fahren.

Darf man das ausnutzen? Die moralisch unterstützenden Argumente hätte man sich schnell zurecht geschnitzt:

1.Elon Musk ist ein selbstverliebter Angeber. Der hat es verdient.

2.Die US-Tech-Firmen überrollen die alte Welt. Da kann ein Dämpfer nicht schaden.

3.Die deutsche Automobilindustrie hat trotz und wegen aller Verfehlungen unsere Unterstützung nötig.
Und schon sind alle Gewissensbisse verflogen. Die letzten Hemmungen wischt Tesla sogar selber beiseite: „Sie könnten einen Tesla kaufen, bei einem Wochenendtrip mit Freunden Hunderte Meilen fahren und ihn dann kostenlos zurückgeben“, schreibt Tesla. Man vertraue aber darauf, dass die Kunden den Wagen dann lieber behalten werden. Großmäuliger geht es kaum.
Diese selbstbewusste Annahme verkennt allerdings eins: Um den Wagen behalten zu können, muss man den Kaufpreis auf der hohen Kante haben. Für einen Wochenend-Roadtrip reicht das Kleingeld für Sandwiches und Jever fun.

Fast hätte ich gesagt: „Herr Musk, sprechen Sie mal mit den PR-Fritzen von Ikea.“ Aber warum eigentlich? Nein, nein, ich wünsche allen viel Spaß auf dem Tesla-Ausflug. Aber vertrauen Sie nicht blindlings dem Autopiloten. Weil was los ist, wenn Sie innerhalb der ersten Woche seitlich in einen Lastwagen fahren, das haben die bei Tesla noch nicht genau dazu gesagt.

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