Werner knallhart
Quelle: Marcus Werner für WirtschaftsWoche

Toffifee ist Freundschaft: Diese Süßigkeiten bringen die Kindheit zurück

Was man sich halt so gönnt zur Zeit, statt auswärts essen zu gehen: die Bonbons und Pralinchen, die Kindheitserinnerungen wecken. Die Werbung von damals wirkt bis heute. Wessen Image sind Sie erlegen?

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Ist das bei Ihnen auch so, dass Sie in den letzten Wochen die alten Zeiten aufleben lassen? Bei mir kommen seit Kurzem die Süßigkeiten-Marken aus Kindheitszeiten wieder auf den Tisch. „Guck mal hier.“ - „Ach Gott, die habe ich ja ewig nicht mehr gegessen.“ Irgendwie hatte der Lockdown mich dazu inspiriert. Das Leben zieht irgendwie vor dem geistigen Auge durch.

Gut, alles würde ich mir heute auch nicht mehr in den Mund stecken. Wir haben ja damals alles geschluckt, was irgendwie süß war. Diese Schleckmuscheln. An der wir geleckt, gesaugt, genagt haben unter Einsatz von Zunge, Zähnen, Nase und Kinn. Beschäftigungstherapie. Wie wenn der Eisbär im Zoo einen im Eisblock eingefrorenen Hering ins Wasser geschmissen bekommt.

Dann wiederum gibt es Marken, die sind weg. Die Storck-Schleckis, diese flachen Lollis, die es im Zehner-Band gab. Mit den Comic-Figuren drauf. Wenn da der Kofferraum kurz zu heiß war, ist die Plastikfolie in den Lolli eingeschmolzen. Und wir haben die Fetzen einfach mitgelutscht und am Ende durch die gerollte Zunge raus geblasen. Fertig. Heute: sind Kinder offenbar Besseres gewohnt. Der Schlecki ist Geschichte. Genau wie das Storck-Kräuterbonbon Paroli.

Ach, ich bin einfach ein Storck-Kind. Scout-Schulranzen, Pelikan-Füller, Toffifee. Das Blöde war: In der kleinen Packung waren immer nur 15 Stück. Teilen Sie das mal unter Bruder und kleiner Schwester durch zwei. Das fünfzehnte wurde bei uns mit einem Messer geteilt. Und wenn dann die Haselnuss nicht genau in der Mitte durchtrennt worden war, dann gab es Tränen.

Naja, aber auch sonst: Storck Dickmanns Schokoküsse am Samstagnachmittag noch direkt am Kofferraum in der Tiefgarage vom Supermarkt. Autoabgase plus Schoko-Brise aus dem Karton. Das ist der Duft der Kindheit.

Merci, Riesen, Knoppers. Wenn Sie an all diese Storck-Marken denken, was für ein Gefühl schleicht sich da bei Ihnen ein? Bei mir ist es die Zeit der ZDF-Vorabendserien um 17 Uhr 45. Dort liefen zwischen Alf und den Wicherts von nebenan die Spots mit „Merci, dass es dich gibt“, wo Leute sich einfach nur lieb hatten, „Halb 10 in Deutschland“ wo alle mit Knoppers in der Hand „den lieben Gott einen guten Mann sein“ ließen.

Der kleine Junge, der bei Frau Lange den ersten Riesen immer schon gleich im Laden gegessen hat. Oder der Großvater, der aus seiner eigenen Kindheit als Vierjähriger erzählt: „Ich wusste, du musst was ganz Besonderes sein, wenn dein Opa dir ein solch wunderbares Bonbon schenkt“: Werther´s Echte, heute Werther´s Original, damit am Flughafen-Duty-Free in Bangkok keiner stutzt.

Kennen Sie noch den Spruch: „Aber wenn ich Toffifee ins Spiel bringe, was meinen Sie, was dann passiert?“ Antwort: Die Hausfrau ist plötzlich der bejubelte Mittelpunkt der Familie.
Storck-Spots wollten uns eins einimpfen: Unsere Süßigkeiten sind Geborgenheit, Familie, Zusammenhalt und Freundschaft. Zucker ist Liebe. Das saß!

Und sitzt auch in der Gegenwart: Die Toffifee-Spots heute beginnen mit „Familie ist alles. Und alles kann Familie sein.“ Heute zählt nicht mehr Vater-Mutter-Kind allein, sondern auch die Mädels aus der Frauenfußballmannschaft und die Rocker-Senioren. Claim: So fühlt sich Familie an.

Ähnlich Storck Merci - auch 2020 noch mit einem herzzerreißenden Spot über Freundschaft. „Merci, dass es dich gibt.“ Da kämpft man fast mit den Tränen. Ach, streichen Sie fast. Vielleicht ist es Corona-Sentimentalität, vielleicht eine Süßwaren-Midlife-Crisis, aber ich bewundere die Treffsicherheit. Storcks Botschaft ist seit Jahrzehnten konsequent: Hau rein und fühl dich geborgen. Das kann keine Wissenschaft mit Nährwerttabellen widerlegen.

Und jetzt Ferrero. Ich sach' mal so: Wenn ich von denen was kaufen will, muss ich die Werbung von früher ausblenden. Als Kind habe ich mit deren Spots oft gefremdelt. Diese Ulricke Jokiel, die zwischen den Mainzelmännchen und auf dem Tennisplatz abgefangen über die pinke Yogurette sagt: „Ich steh´ sogar manchmal nachts auf und hol mir welche“ (nach dem Zähneputzen!).
Duplo, das als die wahrscheinlich längste Praline der Welt mehr sein wollte als einfach nur ein fingerdicker Waffelriegel.

Howard Carpendale durfte früher laut Werbespot ohne diese Mon Chéris nicht nach Hause. Nur wegen dieser Kirsche. Wir und Howie. Unser aller Aufstieg in die High Society.
Rocher, das unter Diplomaten und in Adelshäusern weggeknabbert wird. Wir sollten uns eben geehrt fühlen, mitknabbern zu dürfen.

Raffaello, die „German Kleinigkeit“, als die raffinierte Lösung für alle, die auf der Südsee-Insel mal eben die Bauchspeicheldrüse wecken wollen, aber bei der Hitze Gott bewahre keine Schokolade: eine Kekskugel mit Kokoscreme.

Tic Tac, das wusste am Ende jedes Kind, hatte pro Pastille nur zwei Kalorien. (Raffaello pro Kugel übrigens 62). „Tic Tac ist die frische Taktik“. Das Wortspiel musste Ferrero unbedingt mitnehmen. Eine Pfefferminzpastille mit ausgeklügeltem Einsatzbereich.

Nutella, das in den Achtzigerjahren noch beworben wurde mit „leichte Fette“ (Palmfett!) und mit „Auf die Lebensbausteine kommt es an“ - unsere gesunde Pralinenfüllmasse.

Lecker? Das reichte für Ferrero nicht. Es musste immer noch ein Produkt-Argument drum herum gesponnen werden: die ganz besondere Kirsche, sommerlich ohne Schokolade, wenig Kalorien, etwas für Sportler, die enorme Größe, das Kalzium, die Nüsse von hier und dort her, für die Upper Class. Ich weiß: Man nennt es Unique Selling Point.

Wer aber für seine Genussmittel mit Argumenten trommelt, provoziert Gegenargumente: fette, zuckrige Genussmittel als gesunde Milchmahlzeiten gut für die tägliche Ernährung sogar von Kindern? Aus heutiger Sicht wäre das peinliche Volksverdummung.

Wenn wir uns die aktuellen Spots von Ferrero angucken, fällt uns sofort auf: Von den außergewöhnlichen Verkaufsargumenten der Achtziger ist oftmals nicht mehr viel geblieben. Ferreros pseudowissenschaftliche Versprechen galten zum Großteil am Ende als derart überzogen, dass selbst Kinder darüber Witze machten.

Heutzutage macht Ferrero auch deshalb ganz einfach auch einen auf Familie, Freunde, Liebe. Mon Chéri für die, die sich aufs Wochenende freuen. Die unverbesserliche Nutella-Familie, in der alle eins gemeinsam haben: Pralinen-Creme zum Frühstück. Die Milchschnitte, die 1993 noch von Tennisstar Anke Huber als leichte Milchmahlzeit vorm Match weggemampft wurde, vereint heute die ganze Familie im Garten - ganz ohne die Behauptung, es sei ein vernünftiger Snack für Sportler. Heute ist sie nur noch locker und lecker.

Aber das Original, die Bonbonfirma, die einen vor Rührung in die Bonbontüte greifen lässt, das sind nunmal die Storcks aus Berlin und Ostwestfalen. Die haben eben nie behauptet, dass ihre Produkte schlaue Snacks für die Elite sind.

Und jetzt haben wir nicht einen Satz darüber verloren, wie die ganzen Süßigkeiten schmecken.

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