Werner knallhart

Verödung der Citys: Lasst die Läden endlich sonntags auf!

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Unsere Innenstädte vertragen keine Quirligkeits-Verbote mehr

Die deutschen Fußgängerzonen könnten sich neu erfinden. Wenn sie etwas entwickeln, das mehr Spaß macht, als im Internet zu bestellen. Wofür es sich lohnt, ins Zentrum zu kommen.

Es kristallisiert sich raus: Verdrängte Elemente kommen zurück. Es wird eine irgendwie geartete Mischung sein aus übriggebliebenen Ketten und neu dazugekommenen individuellen Boutiquen, Cafés, Restaurants, Galerien, Museen, Spielplätzen, Kleinkunst-Gewerben, Wohnungen. All das, weil die Mieten sinken könnten oder weil die Städte den Trend zur neuen Blüte fördern wollen – etwa auch mit neuen städtebaulichen Konzepten (in Bielefeld etwa soll der Karstadt-Kotz einem ganz neuen quirligen Quartier weichen).

Und wann wird ein solches Stadtleben am attraktivsten? Wenn die Leute Zeit haben zu kommen. Und das ist sonntags. Ausgerechnet dann würden nach dem ollen Ladenschluss die Geschäfte schließen müssen. Cafés stünden zwischen verschlossenen Glasfronten da. Weil Shopping nach Lesart der Konservativen (also auch der Gewerkschaften) pfui ist. Kultur ist denen nur das, was Subventionsgelder verschlingt.


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Unsere Innenstädte vertragen keine Quirligkeits-Verbote mehr. Zukunftsgewandte Kommunen versuchen deshalb verzweifelt, den Ladenschluss auszuhebeln, indem sie etwa als den für die Sonntagsöffnung geforderten besonderen Anlass nicht etwa Stadtfeste im Umfeld anführen, sondern Corona, um den Händlern Nachholpotenzial zu bieten. Das Oberverwaltungsgericht von NRW hat das allerdings vergangene Woche verärgert als offenkundig rechtswidrig vom Tisch gewischt. Zurecht. Denn unser Grundgesetz und auch einige Landesverfassungen (Ladenschluss ist Angelegenheit der Länder) greifen auf, was schon in Artikel 139 der Weimarer Verfassung stand: „Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.“

Es ist aber anerkannt, dass sich diese eingebaute Spaßbremse mit Zweidrittelmehrheit streichen ließe, ohne die Ewigkeitsgarantie für die Grundrechte zu verletzen.

Die Idee, den Menschen vorzuschreiben, wie sie ihre Seele erheben sollen, wäre nicht die erste, die aus der Zeit gefallen ist und deshalb aus der Verfassung fällt. Unser Grundgesetz wurde schon viel fundamentaler angepasst: Aufbau einer Armee. Die Möglichkeit, Teil der EU zu sein. Deutsche Einheit. Föderalismusreform. Ein Staat, der seinen Bürgern an einzelnen Tagen verbietet zu tanzen und an Wochenenden einzukaufen, erzieht seine Schäfchen zur Transusigkeit.

Es wäre schon schön, wenn unsere Verfassung es uns erlauben würde, selber zu entscheiden, wie wir unser Wochenende verbringen. Und wer uns dabei gegen Geld unterstützt. Und auch, wie wir unsere neu entwickelten Innenstädte zu Orten der Begegnung machen. Arbeitsplätze zu erhalten, kann schließlich auch erhebend sein für die Seele.

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