Werner knallhart
Von ICE bis Ladenschluss: Dinge, die Verbraucher sich nicht mehr gefallen lassen dürfen Quelle: imago images/Ralph Peters

Von ICE bis Ladenschluss: Die Top 5 der Dinge, die Verbraucher sich nicht mehr gefallen lassen dürfen

Die Inflation, die digitale Katastrophe in der Verwaltung, zu wenig Lademöglichkeiten für E-Autos. All das nervt und/oder ist peinlich. Aber es gibt Zumutungen, an die wir uns schon gewöhnt haben. Und die trotzdem endlich weg müssen. Hier eine knallhart subjektive Top 5.

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Platz 5: Die Wasser-Abzocke am Flughafen

Dass wir uns kurz vor der Sicherheitskontrolle alle regelmäßig noch hektisch einen Gluckerbauch samt Schluckauf ansaufen, bevor wir die Wasserflaschen in die extra dafür bereit gestellten Mülleimer werfen, das ist das Tribut an den internationalen Terrorismus. Aber dass wir hinter den Kontrollen neues Wasser mitunter für unverschämte Abzockpreise nachkaufen müssen, ist das Tribut an die regionale Gier.

Gerade noch vor einer Woche am Flughafen Hannover gesehen: 0,5 Liter stilles Wasser für geschlagene 3 Euro 25 am Automaten und im Bistro am Gate. Keine Information zu billigerer Wasser-Grundversorgung irgendwo anders. Sollte es tatsächlich an einem anderen Terminal faires Wasser geben (wir haben zu zweit gesucht): Es wird dort gut versteckt. Solange es nicht alle paar Meter einen hygienischen Leitungswasserspender gibt (wie zum Beispiel in Frankfurt am Main), gehört Wucherwasser verboten.

Los, EU! Wassereinheitspreise an europäischen Flughäfen bitte.

Am Flughafen Hannover gesehen: 0,5 Liter stilles Wasser für geschlagene 3,25 Euro am Automaten und im Bistro am Gate. Dagegen positives Beispiel vom Flughafen Funchal (Madeira): 1 Euro für 0,5 Liter. Quelle: Privat

Platz 4: Deutsche Krankenkassen zahlen Homöopathie

Dass sie das aus dem Marketingbudget finanzieren, weil Zuckerkugeln keine gesetzlich getragene Kassenleistung sind, macht es nicht besser. Es ist Geld, das Krankenkassen im von der Gemeinschaft finanzierten Gesundheitssystem verdient haben.
Dass die deutschsprachigen Länder mit ihrem im Europavergleich überbordenden Hang zur Esoterik die Impfkampagne an die Wand fahren, liegt sicherlich auch daran, dass der naturwissenschaftlich unhaltbare Hokuspokus von denen mitgetragen wird, die es besser wissen müssten: von einigen Krankenkassen. Schluss mit dem naiven Naturkult im staatlichen Gesundheitswesen.

Platz 3: „Sorry, nur Barzahlung.“

Es ist besser geworden während der Pandemie – aus hygienischen Gründen. Endlich wurde die Erkenntnis massentauglich: Bargeld ist eklig. Aber natürlich soll jeder selber entscheiden dürfen, wie viel Klimpergeld und Scheine er sich noch immer in die ausgebeulten Taschen stopft. Was aber misstrauisch macht, ist, wenn Gastronomen oder Händler auf dem Wochenmarkt die Schultern zucken: „Sorry, nur Bargeld.“ Nicht jeder hinter der Kasse begeht mit dieser Masche Steuerbetrug, klar. Aber jeder begeht schlechten Kundenservice. Wir Kunden und Kundinnen sind dann weder König noch Königin.

Es wird echt Zeit, dass digitales Bezahlen überall dort als Option vorgeschrieben wird, wo ein Beteiligter Gewerbetreibender ist. Die Pandemie hat uns doch gezeigt: Digitalisierungsfeindlichkeit als traditionelle deutsche Bodenständigkeit zu feiern lässt uns international zurückfallen. Und bitte keine Getränkeautomaten an Bahnhöfen mehr ohne Kartenlesemodul.

Platz 2: Deutsche-Bahn-Psychose: „Wenn ich kulant bin, bekomme ich Ärger.“

Neulich in einem geschlossenen ICE-Bordrestaurant: „Bitte nicht hier hinsetzen. Unser Restaurant ist zu.“

„Ach, schade, aber dann setze ich mich einfach so hierhin. Die anderen Wagen sind so voll. Abstand halten ist doch besser.“

„Nein. Das geht nicht.“

„Wieso nicht?“

„Wenn wir geschlossen sind, kann ich die Tische nicht desinfizieren.“

„Wozu wollen Sie die desinfizieren? Die Tische in den anderen Wagen werden doch auch nicht desinfiziert.“

„Ja, aber das hier ist das Restaurant.“ Wenn das Hygieneargument das Infektionsrisiko erhöht.

„Aber es hat doch geschlossen. Ich habe Desinfektionstücher dabei. Ich kann die Tischplatte selber desinfizieren. Und ich esse auch nichts und lasse die Maske selbstverständlich auf.“

Jährlich vergibt die Verbraucherzentrale den Preis für die „Mogelpackung des Jahres“. Zum Betrug am Verbraucher kommt dieses Jahr der Vorwurf hinzu, Umwelt und Natur zu betrügen. Und große Marken sind ganz vorne dabei.
von Thomas Koch

„Nein, wenn ich Ihnen das erlaube und es kommt eine Kontrolle, bin ich meinen Job los.“

Immer wieder diese Tour: die Erzählung über die Angst vor dem Kontrollregime an Bord, der die Fahrgäste aus Solidarität auf die Seite der Angestellten ziehen soll. Entweder ist das vorgeschoben, dann ist das ganz schön unfair. Oder es ist wahr, dann drängt die Führungsetage die Teams an Bord, im Einzelfall den Kopf abzuschalten und die denkenden Kunden vor den ihren zu stoßen. Bitte mehr Coolness und Flexibilität auf der Schiene. Die wird uns Gästen doch auch abverlangt. Coolness wie bei der Zugchefin, die irgendwann dazukam und Vernunft hat walten lassen: „Der kann sich doch hier setzen. Warum nicht?“

Platz 1: Das Ladenschlussgesetz

Ja, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Läden verdienen freie Tage und Zeit mit der Familie. Aber Familien verdienen es auch einkaufen zu können, wie und was und wo und wann sie wollen. Weil es geht!

Wir leben in einem Land, in dem Lieferanten Pizza liefern dürfen, aber nicht Weizenmehl, Hefe, Tomaten und Käse. Weil das eine Gastro ist, das andere Lebensmittelhandel.

Wir leben in einem Land, in dem in Flughafensupermärkten Brennspiritus verkauft wird. Weil das in einigen Regionen der einzige Supermarkt ist, der am Sonntag geöffnet hat, wenn Leute grillen wollen, es ohne Spiritus aber nicht hinbekommen. Die fahren dann zig Kilometer raus aus der Stadt zum Shoppen.

Immer dann, wenn getrickst werden muss (Spiritus als „Reisebedarf“ am Flughafen oder ein paar Café-Stühlchen im Bäcker, damit der ein Gastronomiebetrieb ist und damit sonntags länger als ein paar Stunden öffnen darf), ist das ein Alarmzeichen für: Das Gesetz ist Stuss. Bitte weg mit dem Sonntagsverkaufsverbot. Erlauben wir doch endlich allen zu verkaufen, wann und was sie wollen. Mit fairen Sonntagszuschlägen für die Teams und Ausnahmeregelungen für Väter und Mütter. Ist doch Verhandlungssache.

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Und wer sonntags arbeitet, arbeitet ja nicht mehr, sondern nur anders verteilt. Ich weiß aus anekdotischer Evidenz: Es gibt so viele, die würden gerne sonntags ran, um dafür in der Woche einen Tag frei zu haben. Und letztendlich geht es auch um die Rettung des stationären Einzelhandels. Im Moment ist der Sonntag die Online-Shopping-Primetime. Amazon sagt danke.

Und was ist Ihre Top 5 der Verbraucherzumutungen in Deutschland? Schreiben Sie uns!

Unser Kolumnist Marcus Werner schreibt über die alltäglichen Nebensächlichkeiten in der Wirtschaft, die es wert sind, liebevoll aufgeblasen zu werden. Den Autor erreichen Sie auch über LinkedIn.

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