Werner knallhart

Shoppen an Heiligabend: Ist das schon zu viel verlangt?

Seite 2/2

Wie alle anderen auch?

Verdi sagt, die Verkäufer wollten sich doch „wie jeder andere auf das Weihnachtsfest vorbereiten und gemeinsam mit ihren Familien feiern.“

Wie alle anderen auch? Was sollen da die Leute anderer Branchen sagen? Die Flugbegleiterinnen: „Bitte fahren Sie an Heiligabend mit der Bahn.“

Die Zugchefs: „Nein. Bitte nehmen Sie den Fernbus.“

Die Busfahrer: „Oh Gott! Bitte feiern Sie Weihnachten schön zuhause.“

„Genau“, sagt die Hotel-Rezeptionistin. „Wozu an Weihnachten auswärts übernachten?“

„Und zuhause schmeckt es doch am besten“, sagt die Kellnerin.

„Da kommt auch was Gutes im Fernsehen“, sagt der Kinokarten-Abreißer.

„Und bloß nicht zu viel bewegen nach dem Essen“, sagt der Trainer bei McFit.

Deutschlands beliebteste Waren- und Kaufhäuser

U-Bahn-Fahrer, Krankenschwestern, Stellwerk-Bedienstete, Polizisten, Kioskverkäufer, Reinigungspersonal auf Kreuzfahrtschiffen, Radioreporter, Taxifahrer, die Angestellten in Flughäfen und Bahnhöfen, Feuerwehrleute, LKW-Fahrer mit verderblicher Ware, Internet-Redakteure, all diese Leute arbeiten dieses Jahr am 24. Dezember.

Sollen wir nun an Heiligabend die U-Bahn boykottieren? Sollen wie am Flughafen keinen Kaffee bestellen? Und uns statt vom Radiowecker vom Handyweckton wecken lassen?

Einige Händler werden an Heiligabend gar nicht öffnen. Aldi will zu bleiben. Und Rewe lässt die eigenen Filialen auch dicht. Nur die von selbständigen Kaufleuten betriebenen 1.200 Rewe-Läden werden nach Gutdünken der Inhaber geöffnet. Bei Edeka das gleiche Prinzip.

Aber den Kunden ein schlechtes Gewissen einzureden, wenn sie geöffnete Läden aufsuchen wollen, das ist so, als würde man jemanden ein Bonbon anbieten, und dann empört die Tüte wieder wegziehen, wenn der andere gerade zugreifen will.

Vielleicht hilft es Verdi ja, über den Frust hinwegzukommen, wenn sie sich mal überlegen: Die Kunden, die sich am 24. Dezember darüber freuen, noch letzte eilige Besorgungen machen zu können, sichern ihren Mitgliedern mit ihren Konsumgewohnheiten auch sonst rund ums Jahr die Arbeitsplätze. Und die sind wegen des aufstrebenden Online-Handels alles andere als sicher. In Deutschland geben die Leute erst 1,2 Milliarden Euro jährlich für online bestellte Lebensmittel aus. In Frankreich waren es 2016 6,7 Milliarden, in Großbritannien 7,8. Die Welle wird auch uns erreichen.

Amazon Fresh bringt Lebensmittel bald nicht nur in Berlin und Hamburg, sondern auch in München - sogar von Feinkostgeschäften aus der Nachbarschaft. Deutsche Ketten wie Edeka, Rewe, Kaufland und Real rüsten online auch auf. Und Amazon Prime Now stellt in Metropolen wie Berlin innerhalb von sechzig Minuten zu, wenn es sein muss. Mal sehen, wie lange es noch dauert, bis die das auch an Heiligabend direkt bis unter den Weihnachtsbaum tun. 2017 hat Prime Now das laut Hotline noch nicht vor. Punkt für die Verkäufer im Geschäft. Empfangt uns Kunden also gerne in offenen Läden mit offenen Armen. Solange wir noch kommen wollen.

Dem Autor auf Twitter folgen:



Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%