Werner knallhart

Der neue Kampf gegen die Tricks der Lebensmittel-Industrie

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Wie funktioniert die hinterhältige Abfütter-Masche?

Der Wenn-man-einmal-angefangen-hat-kann-man-nicht-mehr-aufhören-Effekt ist keine Einbildung. Der ist reine Absicht. Die Industrie beherrscht es, uns zu ungebremsten Fressmaschinen umzuprogrammieren. Willenlos wie beim Rauchen, nur nicht auf Lunge, sondern auf Magen. „Hedonische Hyperphagie“ heißt der Effekt unter Experten. Und was der bewirkt, kann man sich an weniger als fünf Fingern abzählen: Essen ohne Hunger macht fett.

Wie funktioniert diese hinterhältige Abfütter-Masche? Forscher an der Uni Erlangen-Nürnberg haben es am Versuch mit Ratten aufgedeckt. Es liegt an der perfekt abgestimmten Mischung aus Kohlenhydraten und Fett. Beides für sich genommen nicht zu verteufeln. Aber zum Beispiel das Mischverhältnis von rund einer Hälfte Kohlenhydrate (Zucker) und einem Drittel Fett scheint die Regionen im Gehirn zu übertölpeln, die sonst das Sättigungsgefühl auslösen. Stattdessen jubeln die Regionen in unserem Kopf, die für ein Gefühl von Belohnung zuständig sind. Belohnung schlägt das Gefühl von satt.

Und so müssen nur Fett und Zucker auf magische Weise zusammengerührt werden, und wir schlingen auf Kommando unseres Unterbewusstseins. Und bei der Frage „Was kaufe ich mir und meiner Familie denn heute Leckeres zu essen?“ erinnern wir uns unbewusst an das schöne Gefühl der Belohnung und kaufen wieder genau das, was uns austrickst.

Bei den Zigaretten hat es Jahrzehnte gedauert, bis sich die Erkenntnis darüber, wie bescheuert es ist zu rauchen, merklich an den Verkaufszahlen niedergeschlagen hat.

Wie lange wird es nun dauern, bis es sich herumgesprochen hat, was diesmal die Lebensmittel-Industrie da mit uns macht? Dass der Eindruck von „lecker“ eine Falle sein kann? Und bis ein gesellschaftlicher Konsens darüber besteht, dass es nicht allein Sache der Verbraucher ist, sich gesund und schlank zu halten, wenn die Industrie mit System dagegen schießt?

Die Kollegen vom Spiegel haben sehr einleuchtend aufgeschlüsselt, wie die gängige Lobby-Argumentations-Masche beim Tabak funktioniert und so auch schon beim manipulativen Essen beginnt, sobald Kritiker sagen, dass die Politik doch was unternehmen müsse. Ein paar Beispiele für Diskussions-Hilfen:

1. Erinnere daran: Jeder Mensch ist für sich selbst verantwortlich.
2. Mache Angst vor den Einschnitten der Freiheit durch den Staat.
3. Behaupte, dass Sport mehr zählt als die Ernährung.
4. Sag, dass es keine guten und schlechten Lebensmittel gibt.

Wir werden fett und kriegen Herzinfarkte und Diabetes. Und nun ist klar: Es liegt nicht allein an uns. Es liegt daran, dass uns systematisch schwer gemacht wird, gesund zu leben. Kann man ja mal drüber nachdenken, ob wir uns das noch lange so einfach gefallen lassen wollen.

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