Werner knallhart

Wie soll es bloß mit Karstadt weitergehen?

Autobauer, Smartphone-Entwickler, Supermärkte, Hotelketten: Alle kämpfen mit immer neuen Produkten und neuem Service um ihre Kunden. Und wie erfindet sich das Warenhaus neu? Ähem. Ein Besuch bei Karstadt.

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Karstadt Quelle: dpa

Warum ist mir mulmig bei einem Einkauf bei Karstadt? Ich habe meine Seele ausgequetscht und weiß es jetzt.

Eigentlich ist das Warenhaus ein starkes Alternativkonzept zum Onlinehandel: Wie bei Amazon gibt es einen riesigen Haufen an Produkten unter einem Dach. Vom Tintenkiller über das Tee-Ei, den Wischmob, Geleebohnen, das Waffeleisen bis zum Geschenkset aus Rasierseife und Pinsel.

Amazons größter Vorteil: Man muss zum Einkaufen nicht aus dem Haus. Karstadts größter Vorteil: Man kann alles anfassen und anprobieren. Passt das Shirt in L nicht, dauert der Wechsel zu XL den Fußmarsch von der Umkleidekabine zum Klamottenständer und zurück. Bei Amazon dauert es mitunter Tage.

Die Top 10 Warenhausbetreiber Europa 2015

Das Warenhaus hat also durchaus seinen Reiz. Und gerade deshalb dieses mulmige Gefühl bei Karstadt. Es ist diese ungute Vermutung: So wird das nichts mehr. Und das wäre so schade. Nicht nur für die Mitarbeiter. Die wären am meisten zu bedauern. Aber es wäre auch eben schade für uns potenzielle Kunden.

Es gibt ja nur einen einzigen Grund, warum wir Geld ausgeben. Weil wir glauben, dass es besser ist, es wegzugeben, als es zu behalten. Selbst derjenige, der wegen einer Erpressung Lösegeld zahlt, tut dies, weil er meint, dass die Vorteile dieser Investition die Nachteile überwiegen.

Der Gipfel der Gefühle ist es, wenn wir beim Geldausgeben regelrecht Freude empfinden.

Zu Karstadt gehe ich nur, wenn mir nichts anderes übrig bleibt. Und das tut mir leid. Aber leider kenne ich keinen einzigen Karstadt-Fan persönlich. Nun könnten Sie mir zurufen: "Herr Dingsdums, äh, Werner, fragen Sie halt mal Ihre Großmutter. Die wird Karstadt-Fans kennen."

So kaufen die Deutschen ein
Einkaufslisten im Trend: Das Berliner Institut für Innovationsforschung (Bifi) hat im Auftrag der App Wunderkauf 891 Deutsche repräsentativ zu ihrem Einkaufsverhalten befragt. Eine erste Erkenntnis dabei: 91 Prozent der Befragten geben an, Einkaufslisten zu schreiben – allerdings unterschiedlich häufig. Der Großteil, 37 Prozent, nutzt „meistens“ eine Liste, 19 Prozent immer. 23 Prozent der Befragten geben an, „manchmal“ eine Liste zu schreiben, immerhin 12 Prozent tun dies noch „selten“.Quelle: App Wunderkauf/Berliner Institut für Innovationsforschung Quelle: dpa
Geschmähte Smartphone-App: Von den Listenschreibern mögen es 83 Prozent ganz traditionell: Sie greifen für den Einkaufszettel zu Stift und Papier. Lediglich im Kopf haben 16 Prozent, was sie einkaufen wollen. Von den Auftraggebern der Studie verständlicherweise besonders beachtet: die App zum Einkaufen auf dem Smartphone. Sie ist Schlusslicht der Methoden zur Einkaufsplanung, gerade einmal 12 Prozent greifen zum Handy. Auffällig sind dabei die Generationsunterschiede: Bei den unter 50-Jährigen steigt die Zahl der App-Nutzer auf 23 Prozent. Notiert werden auf dem Zettel vor allem Produktsorten, Produkte und Stückzahlen. Quelle: dpa
Land der Impulsiveinkäufer: Von den Befragten gehen 98 Prozent mindestens einmal pro Woche einkaufen – der Großteil dieser Gruppe aber noch häufiger: 67 Prozent durchstöbern zwei- bis viermal in der Woche die Regale. Kein Wunder: Geben doch knapp zwei Drittel (72 Prozent) der Studienteilnehmer an, mindestens einmal pro Woche einen Spontaneinkauf zu unternehmen. Acht Prozent der Befragten gehen so letztendlich sogar fünf bis siebenmal pro Woche einkaufen. Quelle: dpa
Rabatte locken zum Spontankauf: Als Grund Nummer eins für Impulsivkäufe sind sich knapp zwei Drittel der Befragten einig: Der Preis macht's. 74 Prozent geben an, bei Schnäppchen-Angeboten spontan zuzugreifen. Als zweiten Grund nennt mit 57 Prozent immer noch deutlich über die Hälfte der Befragten „die Lust, ein neues Produkt auszuprobieren“. 45 Prozent möchten sich beim Impulsivkauf einfach mal „etwas gönnen“. Und 10 Prozent geben zu, keine Lust zu haben, ihren Einkauf zu planen. Quelle: dpa
Der unbeliebte Mittwoch: Einen speziellen Einkaufstag haben die Deutschen nicht, 61 Prozent der Befragten wollen sich überhaupt nicht auf einen Favoriten festlegen. Letztendlich dominieren bei der Beliebtheit Freitag (16 Prozent) und Samstag (17 Prozent). Mit lediglich 5 Prozent der Stimmen ist der unbeliebteste Tag zum Einkaufen der Mittwoch – jedenfalls, wenn man das eigentliche Schlusslicht Sonntag beiseite lässt. An diesem geht, wenig überraschend, niemand einkaufen. Quelle: dpa
Preisbewusste Einkäufer: In Deutschland wird - wen wundert's - preisbewusst eingekauft. Nicht nur, wenn es darum geht, spontan zuzuschlagen. Insgesamt gaben fast zwei Drittel (71 Prozent) an, bei ihren Einkäufen weniger als 50 Euro auszugeben – 19 Prozent der Befragten kostet der Einkauf im Schnitt sogar nur bis zu 19 Euro. Nur 30 Prozent geben dagegen regelmäßig über 50 Euro aus. Quelle: dpa
Bitte mit Tempo: Preise sind bei der Wahl des Ladens jedoch nur das zweitwichtigste Kriterium für die Befragten. Auf Platz eins liegt ganz klar: Es muss schnell gehen. 54 Prozent der Befragten sehen die Möglichkeit, den Pflichtbesuch schnell hinter sich zu bringen, als wichtigstes Kriterium bei der Ladenwahl. Keiner bewertet das Tempo als unwichtigsten Punkt – der Preis ist immerhin 6 Prozent egal. Preisgünstige Produkte folgen dann als Auswahlkriterium auf Platz zwei, den drittgrößten Einfluss auf das Ziel des Einkaufs hat, ob der Laden „auf dem Weg liegt“. Eine große Produktauswahl schafft es als Kriterium nur auf Platz vier, allerdings immer noch deutlich vor dem klaren Schlusslicht „Laden führt spezielle Produkte“. Das sehen allerdings immerhin noch 7 Prozent als wichtigstes Kriterium. Quelle: dpa

Tja, und das ist das Problem. Die angestrebte Zielgruppe und der tatsächliche Kundenstamm sind zwei Welten.

Amazons größtes Problem ist die vertane Zeit zwischen Bestellung und Zustellung.

Karstadts größtes Problem ist die vertane Zeit zwischen 1881 und 2016.

Die Deutsche Bahn wiederum hat es gut. Junge Leute meiden den ICE ja nicht, weil er lahm, uncool und spießig ist. Er ist einfach sauteuer. Sobald es aber Sparpreise regnet wie im Moment, fahren junge und gutverdienende Menschen zusammen Zug. Weil er Generationen übergreifend bequem und schnell ist. Alt und Jung sind sich da einig.

Ganz anders bei Karstadt. Aber wirklich ganz, ganz anders. Karstadt bietet den Kunden 60+ die gewohnte Welt. Motto: Einkaufen wie seit anno dunnemals. Keine Überraschungen. Aber wie die Jungen zusätzlich begeistern ohne die Älteren zu verprellen?

Es ist ein Drahtseil-Akt. Denn Shopping ist Lifestyle. Und der Lifestyle der Jungen ist nicht identisch mit denen der Älteren. Eine Shopping-Mall hat dieses Problem nicht. Die Lifestyle-Welten sind dort in verschiedene Shops aufgeteilt. Gerry Weber und Seidensticker existieren dort friedlich im gleichen Haus neben H&M und Zara. Jeweils im zur Marke designten Interieur und mit Personal, das die eigenen Produkte kennt und glaubhaft beraten kann.

Was aber tut Karstadt? Ich habe das Gefühl, die wollen nicht, was sie müssen. Sich neu erfinden. Sie machen klein klein, weil ihnen nichts Besseres einfällt. Karstadt ist mit Herz und Seele altmodisch. Das ist sympathisch authentisch. Aber eben nicht mehr massentauglich. Und das passt nicht zur Größe.

Und so imitiert das Management halbherzig, was andere längst probiert haben. Ich kenne das schon vom insolventen "Strauss Innovation". Man nennt es Concept-Store, glaube ich. Da werden dann zwischen einen Stapel mit Intimwaschlappen oder so ein paar Kartons Krokant-Ostereier aus Italien drapiert.

Karstadt macht sowas auch. In der Filiale in Trier können Sie zwischen Damenhandtaschen spontan das 1000-teilige Ravensburger Puzzle der Porta Nigra shoppen. Ist das die neue Karstadt-Welt?

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