Widerstand gegen Rentenreform Bahnstreiks in Frankreich: Hunderttausende an Weihnachten betroffen

Frankreich muss sich wegen Streiks auf ein Bahnchaos zu Weihnachten einstellen. Von dem Arbeitskampf ist auch der Zugverkehr in Deutschland betroffen.

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Die französische Bahn hat rund 200.000 Kunden aufgerufen, ihre Tickets für den 23. und 24. Dezember umzutauschen. Quelle: dpa

Frankreich steht zu Weihnachten ein Bahnchaos bevor. Zwar haben einige Gewerkschaften für die Festtage zu einer Streikpause aufgerufen, die größte Bahngewerkschaft pochte aber auf eine Fortsetzung des Arbeitskampfs wegen der Rentenreform.

Für Hunderttausende könnte das bedeuten, dass sie an den Feiertagen ihre Familien nicht besuchen können. Die französische Bahn hat rund 200.000 Kunden aufgerufen, ihre Tickets für den 23. und 24. Dezember umzutauschen. Für Ärger sorgt außerdem, dass die Bahn spezielle Tickets Tausender Kinder storniert hat.

Von den Streiks in Frankreich ist auch der Zugverkehr in Deutschland betroffen. Es gebe Ausfälle und Verspätungen, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn am Freitag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Wie viele es genau sind, wurde zunächst nicht bekannt.

„Im Zeitraum vom 23.12.2019 bis 5.1.2020 ist nur eine sehr begrenzte Anzahl von Zugfahrten zwischen Frankreich und Deutschland möglich“, heißt es auf der Webseite der Deutschen Bahn. In der Regel könnten sich Bahnkunden dort bis zu zwei Tage im Voraus über ihren Zug informieren und gegebenenfalls umbuchen. Betroffen sind demnach ICE- und TGV-Verbindungen zwischen Frankfurt und Paris beziehungsweise Marseille sowie zwischen Stuttgart und Paris.

Die Proteste und Streiks gegen die Rentenreform, ein Prestigeprojekt von Präsident Emmanuel Macron, dauern bereits seit mehr als zwei Wochen an. Der Bahnverkehr im gesamten Land ist seitdem massiv gestört, der Nahverkehr in Paris ebenfalls. Hunderttausende gingen bisher gegen die Pläne auf die Straße. Premierminister Édouard Philippe hatte am Donnerstagabend Gewerkschaftsvertreter getroffen, um den Konflikt zu entschärfen - bei dem Gespräch zeichnete sich jedoch keine Lösung ab. Die Gespräche wurden auf Januar vertagt.

Der Notfallplan der Staatsbahn SNCF sieht vor, dass am 23. und 24. Dezember nur 41 Prozent der TGV-Schnellzüge garantiert sind. Rund 400.000 Menschen hätten für diese Tage einen Fahrschein gebucht. Gut die Hälfte von ihnen würde ihre Fahrt bestätigt bekommen; die anderen sind aufgerufen, schnell umzubuchen.

Wut unter den Bahnkunden

Auch am Wochenende vor Weihnachten fahren nur rund die Hälfte der Züge in Frankreich sicher. Im Rest der Fälle drohen Fahrplanänderungen und Zugausfälle. Reisende können sich auf der Webseite der SNCF darüber informieren, ob ihr Zug fährt. Die Ausfälle betreffen auch Fahrten von und nach Deutschland.

Ob die Lage wirklich so dramatisch wird, hängt nun auch davon ab, wie viele Eisenbahner dem Aufruf zur Waffenruhe folgen. So hatte zwar der Generalsekretär des Gewerkschaftsverbands Unsa eine Streikpause über Weihnachten gefordert.

Die Eisenbahner der Gewerkschaft haben jedoch erklärt, dennoch weitermachen zu wollen. „Wir haben beschlossen, wie andere Regionen auch, diesen Waffenstillstand nicht zu respektieren“, sagte der Gewerkschafter Daniel Teirlynck dem Sender BFMTV. Die Unsa vertritt außerdem nur rund sieben Prozent der Lokführer. Am Freitag legten nach Angaben der SNCF gut 58 Prozent der Lokführer die Arbeit nieder. Damit ist die Streikrate weiter leicht rückläufig.

Mit der Rentenreform will die französische Mitte-Regierung die Zersplitterung in 42 verschiedene Rentenkassen beenden und ein universelles Punktesystem schaffen. Diese bringen zum Teil zahlreiche Sonderrechte mit sich. Außerdem sollen die Franzosen dazu angehalten werden, länger zu arbeiten. Die Regierung hatte mit langen Übergangsfristen zwar Zugeständnisse an die Gewerkschaften gemacht - diese waren allerdings nicht zufrieden. Umfragen zufolge ist eine Mehrheit der Franzosen gegen die Reform.

Für große Wut unter den Bahnkunden sorgt die Entscheidung der SNCF, bis zum 24. Dezember den Service für unbegleitete Kinder zwischen 4 und 14 Jahren auszusetzen. Diese werden normalerweise in einem Extra-Wagen von Animateuren betreut. Die SNCF begründete das Vorgehen mit Sicherheitsbedenken in den überfüllten Zügen. Allerdings steht der Vorwurf im Raum, dass die SNCF die Plätze lieber teurer an Erwachsene verkaufen will.

Die Bahn bestreitet das. „Aus Sorge um die Ruhe und Sicherheit der Kinder haben wir es vorgezogen, diesen Dienst auszusetzen“, sagte ein Sprecher des Unternehmens BFMTV. „Die Züge werden überfüllt sein und es wäre sehr schwierig gewesen, die Kinder unter diesen Bedingungen zu versorgen.“ Insgesamt seien rund 5000 Kinder betroffen. Die Hardliner-Gewerkschaft CGT warf der Bahn Sabotage vor. Kinder und ihre Familien würden instrumentalisiert, „um diejenigen zu diskreditieren, die für den sozialen Fortschritt kämpfen“.

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