Wohnungsbau von Aldi & Co. Schöner wohnen beim Discounter?

Aldi, Norma, Penny: Schöner wohnen beim Discounter? Quelle: obs/Norma

Aldi und Lidl sind nicht die einzigen Discounter, die plötzlich Wohnungen bauen. Auch Norma, Penny und Netto errichten statt flachgeschossiger Märkte teils kombinierte Wohn- und Ladenblocks. Was hinter der Bauwut steckt – und was die Mieter erwartet.

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Der Vorstoß sorgte für Schlagzeilen: Aldi Nord will in Berlin rund 2000 Wohnungen bauen, kündigte die Handelskette im vergangenen Jahr an. 200 Wohnungen in den Bezirken Neukölln und Lichtenberg würden bereits gebaut, weitere Standorte in der Hauptstadt habe man im Blick. Auch Erzrivale Lidl preschte kurz darauf mit Plänen für kombinierte Wohn- und Ladenbauprojekte vor.

Damit sind die beiden Branchenschwergewichte indes nicht allein. Auch andere Discounter errichten Filialen mit angeschlossenen Wohnungen, Arztpraxen oder Büros und haben dabei bereits deutlich mehr Erfahrung als Aldi und Lidl. „Schon seit einigen Jahren setzt Penny an verschiedenen Innenstandorten auf mischgenutzte Objekte“, sagt etwa Stephan Koof, Bereichsleiter nationale Expansion bei der Kölner Rewe-Gruppe und ihrem Discountableger Penny.

Beim Wettbewerber Norma wird das Thema ebenfalls bereits seit geraumer Zeit verfolgt. „Viele unserer Filialen sind schon heute überbaut“, konstatiert Winfried Vogt, der in der Geschäftsleitung des Discounters die Themen Verkauf, Expansion und Logistik verantwortet. So hat das Unternehmen etwa im Obergeschoss einer Filiale in Nürnberg eine Kindertagesstätte errichtet, Wasserspielplatz auf dem Flachdach inklusive. „An anderen Standorten gibt es klassische Wohnungen“, berichtet Vogt.

Und auch der Edeka-Billigheimer Netto hat längst mischgenutzte Läden im Programm. „Wir haben schon 2014 für Netto einen der ersten Märkte mit Wohnbebauung realisiert“, sagt Tobias Drasch vom Regensburger Handelsimmobilien-Spezialisten Ratisbona. „Seither sind zahlreiche Projekte dazugekommen, aktuell zum Beispiel in Berlin, Leipzig und Dresden“, erläutert Drasch.

Die Gründe für den Einstieg sind überall ähnlich - egal ob bei den Marktführern Aldi und Lidl oder bei ihren kleineren Konkurrenten. „Alle Discounter tun sich derzeit schwer, in Ballungsgebieten neue Flächen zu bekommen“, sagt Norma-Manager Vogt. Genau dort liegt aber das größte Kundenpotenzial. Zudem wird im Handel die Wohnortnähe generell immer wichtiger. Weniger Kunden als in der Vergangenheit sind bereit, für den Kauf von Milch und Butter weite Umwege in Kauf zu nehmen. Hinzu kommt: die bestehenden Märkte sind oft zu knapp bemessen.

Der Platzbedarf steigt, etwa für breitere Gänge und ein großzügigeres Ladendesign, sagt Immobilienentwickler Drasch. „Doch zusätzliche Verkaufsfläche ist insbesondere in den Metropolen Mangelware“, daher seien „intelligente, stapelbare Konzepte“ gefragt. Zugleich machen die Kommunen Druck: Zusätzliche Verkaufsfläche wird oft nur noch genehmigt, wenn im Gegenzug Wohnungen gebaut werden.

Eigentlich klingt das nach schlechten Aussichten für die sogenannten „Flachmänner“, wie die eingeschossigen Bauten mit Satteldach und üppigen Parkplätzen im Branchenjargon genannt werden. Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Denn das Aufstocken von Märkten ist alles andere als trivial, eine Überbauung werde in vielen Fällen „nur schwer möglich“ sein, heißt es beim Deutschen Mieterbund.

Essen und Leben


In Hamburg will Lidl ein Wohnhaus direkt neben eine neue Filiale setzen

„Einfach Appartements draufsetzen funktioniert nicht“, bestätigt auch Rewe-Manager Koof, „zumal die Discounter oft selbst nur Mieter der Immobilie sind.“ Die Standorte müssen abgerissen und völlig neu konzipiert werden. Tiefgaragen müssen gebaut, die Statik angepasst und Stützkonstruktionen eingezogen werden. All das treibt nicht nur die Baukosten, sondern kostet auch Zeit. „Vom Bauantrag bis zur Eröffnung eines Marktes vergehen in der Regel mehrere Jahre“, erzählt Norma-Experte Vogt. „Kommen Wohnungen dazu, dauert es noch länger.“

Auch nach dem Bau ist der Aufwand für Vermietung und Verwaltung der Discounterwohnungen erheblich, weshalb die Handelsketten die Bewirtschaftung in der Regel an Spezialisten auslagern. Für die Händler lohnt sich der Mehraufwand nur an besonders begehrten Standorten und im Rahmen von Neubauten und Erweiterungen. Einen bestehenden eingeschossigen Markt zu überbauen, dürfte sich dagegen in den seltensten Fällen für sie lohnen.

Aus Sicht der Mieter ist ebenfalls nicht alles rosig: Supermärkte liegen oft an Verkehrsachsen und sind so Lärm beim Kommen und Gehen der Kunden ausgesetzt. Zumal manche Geschäfte bis in den späten Abend hinein geöffnet haben.

„Die Zielkonflikte werden spätestens klar, wenn zwischen fünf und sechs Uhr morgens Lkw über die Zufahrt rumpeln und Ware anliefern“, sagt Mohamed Younis, Geschäftsführer der Schoofs Immobilien GmbH Frankfurt, die derzeit vier Standorte entwickelt, bei denen Handel und Wohnen miteinander kombiniert werden. Auch die Technik, die ein Laden etwa für die Kühlung benötigt, brauche Platz und verursache Lärm, Parkplätze möchte auch nicht jeder direkt vor dem Fenster haben, sagt Younis. Kurzum: „Die Mieter haben oft andere Idealvorstellungen vom schönen Wohnen“.

Das wiederum schlägt auf die erzielbaren Mietpreise durch - und bremst neben den höheren Kosten gleichfalls die Ambitionen der Discounter. „Im Einzelfall kann es zwar sinnvoll sein, einen alten Markt aufzustocken“, sagt denn auch Rewe-Manager Koof, „aber ein Allheilmittel ist das sicherlich nicht“. Und auch für Immobilienentwickler Drasch steht fest, dass die Nachfrage nach kombinierten Immobilien zwar zunimmt. Aber: „Der 'Flachmann' ist nicht tot.“ Vor allem an Stadträndern und in kleineren Orten blieben eingeschossige Märkte Standard.

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