Wucherpreise bei Viagogo Das dubiose Geschäft auf dem Ticket-Zweitmarkt

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Wer von den Wucherpreisen noch profitiert

Hinter dem 2006 in London gegründeten Viagogo stehen illustre Investoren wie das Tennistraumpaar Steffi Graf und Andre Agassi, Bernard Arnault, Chef des französischen Luxuskonzerns LVMH, und der Münchner Sportrechtehändler Herbert Kloiber. Offiziell sieht sich das Portal, das in mehr als 50 Ländern mit Web-Sites präsent ist und von London aus gelenkt wird, als reiner Vermittler zwischen denjenigen, die ihr Ticket nicht mehr selbst nutzen, und allen anderen, die gern noch eines hätten. „Wir sind ein Marktplatz für den Verkauf von Eintrittskarten. Es sind die Verkäufer, die Tickets einstellen und einen Preis festlegen“, lässt das Unternehmen erklären.

Direkte Einflussnahme

An dieser Darstellung gibt es jedoch immer mehr Zweifel. So wirft Experte Trippe den Schweizern vor, die Preise aktiv nach oben zu treiben. „Wer nach deren Geschmack einen zu niedrigen Ticketpreis einstellen will, den korrigieren sie direkt bei der Eingabe, indem sie einen höheren Preis vorschlagen“, hat Trippe von vielen Nutzern erfahren. Viagogo wollte dazu bis Redaktionsschluss nicht Stellung nehmen.

Der zweite Vorwurf gegen Zweithändler zielt auf die große Zahl der Tickets, die sie inzwischen anbieten. Kritiker bezweifeln, dass solche Mengen allein durch Privatpersonen zustande kommen, die ihre Tickets nicht selber nutzen. Branchenkenner vermuten, dass es Zweitverkäufern gelingt, sich heimlich oder indirekt mit Karten vom Veranstalter einzudecken. „Ich beobachte immer wieder, dass zum Vorverkaufsstart einer Band in einzelnen Städten auf einen Schlag mehrere Hundert Tickets verkauft werden“, sagt der Berliner Impresario Berthold Seliger. „Sodann läuft der Vorverkauf in den darauf folgenden Wochen auf einem normalen, niedrigeren Niveau weiter.“

Im Klartext: Jemand kauft ein Kontingent an Karten, einzig um sie dann über den Zweitmarkt teurer weiterzukaufen. Die Berliner Anwältin Schreyer-Bestmann, die geschädigte Konzertveranstalter vertritt, ist sich sicher: „Die wenden alle Tricks an, benutzen Strohmänner, Fantasienamen und falsche E-Mail-Adressen, um größere Mengen an Tickets zu bekommen.“

Mit Künstlern und Veranstaltern unter einer Decke

Kenner der Veranstaltungsszene gehen mittlerweile sogar davon aus, dass hinter dem angeblichen Weiterverkauf von Tickets manchmal sogar ein gemeinsamer Plan von Künstlern, Veranstaltern und Ticketverkäufern steht. Der dient dazu, die Zahlungsbereitschaft des Publikums zu testen und es zugunsten der Anbieter maximal abzuschöpfen. „Den Profit teilen sich die Beteiligten“, sagt Scumeck Sabottka, Chef der Berliner MCT Agentur und langjähriger Tourorganisator unter anderem der deutschen Hardrockgruppe Rammstein sowie der legendären Düsseldorfer Elektronik-Band Kraftwerk.

Sabottka beschreibt das Geschäftsmodell anderer Anbieter so: „Wenn ich als Veranstalter 10.500 Tickets für ein bestimmtes Konzert verkaufen kann, erkläre ich die Veranstaltung nach 7500 Karten für ausverkauft. Die verbleibenden 3000 Karten gebe ich einem Zweitverwerter. Somit kassiere ich noch einmal über die Wucherpreise des Wiederverkäufers tüchtig mit. Der Kunde bekommt das gar nicht mit.“ Bei größeren Hallen- und Stadiontourneen sei das schon gängige Praxis. Der Berliner schätzt den Anteil des Wiederverkaufsmarktes am gesamten Branchenumsatz inzwischen auf bis zu 20 Prozent.

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