
Kartellamtspräsident Andreas Mundt sagte bei einem Streitgespräch mit dem westfälischen Wurstfabrikanten Hans-Ewald Reinert in der WirtschaftsWoche, die Absprachen hätten besonders dem Discounter gegolten, „weil Aldi in der Branche bei der Festsetzung der Verkaufspreise eine Leuchtturmfunktion hat“. Mundt: „Zieht Aldi einen Preis nach oben oder unten, zieht der Rest der Branche relativ schnell nach. Es gab also Absprachen bezüglich des Zeitpunktes, damit möglichst viele Unternehmen gleichzeitig ihre Forderungen stellen“, sagte der Kartellamtspräsident. „Zweitens gab es für bestimmte Wurstsorten Absprachen, um welche Spanne diese Produkte verteuert werden sollten.“
Mundt zitierte aus den Ermittlungsakten einen der Kronzeugen, der die Absprachen schildert: „Wir haben uns darüber ausgetauscht, mit welcher Preiserhöhung wir in die Verhandlungen mit dem Lebensmitteleinzelhandel gehen. Für die Entscheidung, ob wir eine Preiserhöhung durchführen oder nicht, war es wichtig, zu wissen, wie sich die Wettbewerber verhalten.“





Reinert dagegen sieht sein Unternehmen gar nicht in der Lage, eine größere Rolle bei Preisabsprachen zu spielen. „Ob wir zu Aldi gehen und eine Preiserhöhung fordern, interessiert die doch überhaupt nicht“, sagte Reinert. „Es gibt nur ein paar Lieferanten, die ein sehr gutes Verhältnis zu Aldi hatten in dieser Periode, um die es geht, und wir waren nicht dabei. Deshalb akzeptiere ich die Strafe nicht. Ich bin kein Kartellbruder.“ Reinert erneuerte deshalb seine Ankündigung, gegen den Bußgeldbescheid zu klagen.
Mundt sieht das Bundeskartellamt gut vorbereitet auf die angekündigten Klagen von zehn Wurstunternehmen gegen die Bußgeldbescheide. „Wir haben fünf Jahre ermittelt, sehr akribisch, nicht anders als eine Staatsanwaltschaft. Es hat Durchsuchungen gegeben, Zeugen mit eindeutigen, belastbaren, detaillierten, glaubhaften Einlassungen. Es hat Notizen, E-Mails gegeben“, betonte Mundt. „Elf Unternehmen haben mit uns kooperiert und letzten Endes die Tat eingeräumt. Das alles fügt sich ineinander und erzeugt für uns ein klares Bild.“
Wurstfabrikant Reinert: Kartell-Kronzeugenregelung wird von Konkurrenten ausgenutzt
Der westfälische Wurstwarenhersteller Reinert hat im aktuellen Fall des Wurstkartells die Kronzeugenregelung kritisiert. Wettbewerber hätten die Regelung ausgenutzt, um ihren Konkurrenten zu schaden. So wirft Unternehmenschef Hans-Ewald Reinert seinem Konkurrenten Nölke vor, Reinert aus dem Markt drängen zu wollen. Nölke gehört zu den elf Unternehmen, die mit dem Kartellamt kooperiert haben und deshalb nur geringe Strafen erhalten haben. Reinert hingegen muss innerhalb von zwei Wochen einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag zahlen.
„Eine Woche nach Beginn der Kartellermittlungen stand in der Zeitung, Nölke wolle eine große Rohwurstproduktion aufbauen – und das, obwohl es in diesem kleinen Ort Versmold mit Stockmeyer und uns schon zwei Spezialisten auf diesem Gebiet gibt“, sagte Reinert in einem Streitgespräch mit Bundeskartellamtspräsident Andreas Mundt in der WirtschaftsWoche. „Hier fährt jemand eine klare Strategie, um uns mittels des Kartellrechts aus dem Wettbewerb zu drängen und eine Branche neu zu sortieren. Nölke selber geht ja ganz oder weitgehend straffrei aus.“
Dagegen sieht sich Reinert, dessen Unternehmen durch die Bärchen-Fleischwurst mit eingefärbtem Teddy bekannt geworden ist, durch das hohe Bußgeld auf Jahre in seiner Investitionstätigkeit eingeschränkt. „Die Strafe, die uns aufgebrummt wurde, wird uns erheblich bei geplanten Investitionen lähmen. Sie wird es uns schwerer machen, im ohnehin schwierigen Wettbewerbsumfeld zu bestehen“, so Reinert. Damit begründet er seine Klage gegen den Bußgeldbescheid des Kartellamtes.
Reinert räumt zwar ein, Gespräche mit Wettbewerbern geführt zu haben. „Aber ich war an Absprachen im Sinne des Kartellrechts nicht beteiligt. Ich habe auch nie dem Kreis von Wurstherstellern angehört, die sich ursprünglich im Hamburger Atlantic-Hotel getroffen haben.“