Zalandos Nachhaltigkeitschefin „Unser zukünftiger Kunde wird kein kurzlebiges Kleidungsstück mehr kaufen wollen“

Laura Coppen Quelle: Zalando

Zalandos Nachhaltigkeitschefin Laura Coppen will Kleider-Recycling und Second-Hand-Mode zum Kerngeschäft machen. Welchen Nutzen sie in Reparatur-Services sieht und was für sie die Garderobe der Zukunft heißt.

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Zum Januar 2021 wechselte Laura Coppen vom schwedischen Modefilialisten H&M zum Berliner Mode-Onlinehändler Zalando (Umsatz: rund 8 Milliarden Euro). Beim Dax-Konzern verantwortet die Britin als Chefin für Kreislaufwirtschaft jene Nachhaltigkeitsstrategie, die Zalandos damaliger Co-Chef Rubin Ritter Ende 2019 ausgerufen hatte. Damals verpflichtete sich der Konzern etwa, die Treibhausgase aus Strom bis 2025 um 80 Prozent gegenüber 2017 zu reduzieren. Coppen hat sich überdies zum Ziel gesetzt, im Zeitraum zwischen Anfang 2020 und Ende 2023 die Lebensdauer von insgesamt 50 Millionen Kleidungsstücken zu verlängern.

Wirtschaftswoche: Frau Coppen, Zalandos Nachhaltigkeitsstrategie beinhaltet mehrere Bausteine, etwa gebrauchte Kleidung, Recycling und seit kurzem auch Reparatur-Services. Was davon hat den größten Einfluss auf den Klimaschutz?
Laura Coppen: Unser Ziel ist es, bis zum Jahr 2023 das Leben von 50 Millionen Modeprodukten zu verlängern. Alle genannten Initiativen tragen dazu bei. Wir betrachten den gesamten Produkt-Lebenszyklus: Wie ist ein Kleidungsstück designt? Denn wir wissen, das größte Klimaschutz-Potenzial steckt im Herstellungsprozess, in der Materialauswahl und der Art der Produktion. Der nächste Bereich ist der tägliche Gebrauch. Hier zielen wir darauf ab, die Lebensdauer der bereits vorhandenen Kleidungsstücke unserer Kunden zu verlängern. Wir wissen, Kunden ändern ihre modischen Vorlieben, ihre Styles, manchmal auch die Kleidungsgrößen. Daher ermöglichen wir ihnen das einfache Kaufen und Eintauschen von neuwertiger gebrauchter Mode, was auch ein wesentlicher Bestandteil der Lebensdauerverlängerung von Mode ist.

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von Christian Schlesiger, Stephan Knieps

Ein großes Problem ist die mangelnde Wiederverwendung von Kleidungsstücken.
Derzeit wird leider nur etwa ein Prozent aller Textilien recycelt und tatsächlich wieder zu Mode weiterverarbeitet. Daher suchen wir nach einer Lösung, um den Kreislauf zu schließen. Wir versuchen, aktiv daran mitzuwirken, dieses eine Prozent nach oben zu schrauben – zum Beispiel durch unser Investment in das finnische Start-up Infinited Fiber Company, das zellulosebasierte Rohstoffe in eine neue Premium-Textilfaser umwandelt. Aber wir müssen auch die anderen Materialien im Blick behalten, etwa Polyester, Mischtextilien. Für uns ist die Verknüpfung aller Schritte entscheidend.

Welcher der Schritte hat das größte Potential hinsichtlich der Akzeptanz Ihrer Kunden?
Im Moment ist das erfolgreichste Kreislaufwirtschaft-Geschäftsmodell in der Modeindustrie der Wiederverkauf von bereits getragener Kleidung, also „second-hand“. Hierbei lässt sich sicherstellen, dass Kleidung einen neuen Besitzer bekommt. Wir sehen, dass es da eine große Nachfrage gibt. Kunden möchten zunehmend Kleidungsstücke einschicken, die sie nicht mehr tragen. Daher konnten wir das Pre-owned-Sortiment in unserem Fashion Store im vergangenen Jahr von 20.000 auf über 200.000 Artikel ausbauen und das Angebot in 13 unserer 23 europäischen Märkte ausrollen. Wir sehen aber auch eine Nachfrage bei „Care & Repair“...

…dem kürzlich gestarteten Reparaturservice.
Aus einer Analyse aus diesem Jahr wissen wir, dass 75 Prozent unserer Kunden nicht wissen, wie sie ein Kleidungsstück reparieren, das über das Annähen eines Knopfs hinausgeht. Das bedeutet, diese Artikel werden in der Regel zu früh weggeworfen, obwohl man sie leicht reparieren könnte. Und: Es gibt wieder einen wachsenden Raum für die Vermietung von Kleidung. Wir sind sehr daran interessiert, von unseren Kunden mehr darüber zu erfahren. Die Anforderungen an die Geschäftsmodelle ändern sich ständig. Das ist etwas, das wir beobachten und aktiv verfolgen.

Bieten Sie das Ausleihen bereits an?
Nein, noch nicht.

Gibt es entsprechende Pläne?
Nein, noch gibt es keine konkreten Pläne bei Zalando. Aber wir schauen uns immer an, was unsere Kunden wollen. Wie wir ihnen dabei helfen können, nachhaltigere Kaufentscheidungen zu treffen und wie wir daraus neue Geschäftsmodelle entwickeln können. Ausleihen ist natürlich ein möglicher Baustein in einem Nachhaltigkeits-Geschäftsmodell.

Was Ihre Kunden sagen, was sie wollen, und was sie tatsächlich tun werden, ist womöglich nicht dasselbe.
Das stimmt. Wir wissen, dass 58 Prozent der Konsumenten sagen, sie wollen grundsätzlich ihre Kleidungsstücke reparieren lassen, aber nur 23 Prozent machen es tatsächlich. Das liegt zum Teil daran, dass es nicht leicht ist, den richtigen Anbieter für die Reparatur zu finden, dem man dann sein Kleidungsstück anvertraut. Wir sehen da die große Möglichkeit, ein Alltagsproblem unserer Kunden zu lösen, und so die Lücke zwischen Einstellung und Verhalten zu schließen.

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