Zalandos Nachhaltigkeitschefin „Unser zukünftiger Kunde wird kein kurzlebiges Kleidungsstück mehr kaufen wollen“

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„Wir haben 45 Millionen Kundinnen und Kunden. Da können wir einiges bewirken.“

Greenpeace kritisiert, dass Zalando am Grundsatz nichts ändere: Die schiere Masse an Bekleidung will Zalando als Miterfinder von Fast-Fashion gar nicht senken. Dabei ist die Textilindustrie der weltweit drittgrößte Treibhausgas-Emittent. Aber solange Zalando die Masse an Kleidung nicht reduziert, werden zwei, drei Care&Repair-Läden in Deutschland gar nichts bewirken.
Schnelle Mode hat sich in den 80er Jahren entwickelt. Wir sind uns bewusst, dass die Modeindustrie ein großes Problem hat, das wir gemeinsam lösen müssen. Wir tragen eine große Verantwortung, der wir gerecht werden müssen. Unsere Initiativen im Bereich Kreislaufwirtschaft sind ein Anfang, um zu demonstrieren, dass wir diesen Wandel vollziehen wollen. Uns ist klar, dass eine einzelne Initiative das Problem nicht lösen wird, deshalb betrachten wir den Lebenszyklus von Bekleidung holistisch und arbeiten an Lösungen und Angeboten in jeder Produktphase - vom Design bis zum Recycling.

Wir haben natürlich noch nicht alle Antworten gefunden, aber wir haben uns auf den Weg gemacht. Unsere Kunden dabei zu unterstützen, nachhaltigere Entscheidungen zu treffen, ist natürlich auch unsere Aufgabe aufgrund unserer Größe: Wir haben 45 Millionen Kundinnen und Kunden. Da können wir einiges bewirken. Über den Bereich Kreislaufwirtschaft hinaus arbeiten wir seit 2019 daran, eine nachhaltige Mode-Plattform mit netto-positiver Auswirkung auf Mensch und Erde zu werden. Wir haben sechs Schwerpunkte definiert, von der Verringerung unserer CO2-Emissionen bis zur Einführung der Kreislaufwirtschaft in der Modebranche. Wir haben spezifische Ziele festgelegt, die wir innerhalb der nächsten Jahre erreichen wollen. In unserem jährlichen Fortschrittsbericht legen wir detailliert Rechenschaft ab.

Die Modeindustrie ist abhängig von billigen Fasern aus Plastik. Doch die schaden zunehmend dem Ruf der Unternehmen. Deshalb propagieren Konzerne wie Adidas Recycling als Alternative – und sitzen damit einer Illusion auf.
von Jacqueline Goebel, Peter Steinkirchner

Kommt dieser Wandel bei Zalando nicht zu spät? Sie sind zwar erst vor elf Monaten von H&M zu Zalando gewechselt, beschäftigen sich aber schon seit Jahren mit Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit in der Modeindustrie.
Es ist ein großer, komplexer Systemwandel, den wir mitgestalten und vorantreiben wollen. Aber ein Unternehmen allein wird diesen Wandel nicht schaffen. Darum gehen wir Partnerschaften ein. Es braucht seine Zeit und es muss im Kollektiv geschehen. Das betrifft die vorgelagerte Produktionslieferkette bis hin zum nachgelagerten Recycling, die gesamte Kette der Menschen, die an der Umstellung der Modeindustrie von linear auf zirkulär beteiligt sind. Es gibt sehr viele Beteiligte, die mitmachen müssen. Deshalb versuchen wir möglichst viele Partner an Bord zu holen. Dann gibt es die Kunden und die Herausforderung, wie man ihnen dabei helfen kann, nachhaltigere Kaufentscheidungen zu treffen. In gewisser Weise geschieht das bereits, die Generation Z setzt sich sehr stark mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinander. Eine grundlegende Herausforderung, der wir uns stellen müssen, besteht auch darin, dass es in der Modeindustrie keine einheitliche Definition dafür gibt, was ein nachhaltigeres Produkt ist.

Eine fehlende einheitliche Industrie-Definition dürfte doch das geringste Problem sein. Die Zeit drängt doch.
Ich habe in den letzten zwei bis drei Jahren eine starke Beschleunigung in der Sache festgestellt. Es stellt sich nicht mehr die Frage nach dem Warum. Es geht mehr um die Frage, wie müssen die Modeunternehmen zusammenarbeiten, um die Probleme schneller lösen zu können? Und ich glaube, dass wir dieses Momentum auch weiterhin erleben werden. Darauf haben viele in der Industrie gewartet. Jetzt ist Crunch-time.

Das Problem von Zalando: Sie müssen Geld verdienen, wie auch immer in Zukunft das gehen soll. Mit dem Geschäftsmodell, das Zalando groß gemacht hat, wird das wohl in zehn Jahren nicht mehr funktionieren. Muss Zalando mehr zu einem Dienstleister werden?
Wenn wir uns die Garderobe der Zukunft ansehen, werden die Kunden zu einem gewissen Grad neu kaufen, zu einem gewissen Grad gebraucht kaufen und vielleicht zu einem gewissen Grad Kleidung mieten. Diese Art von hybrider Garderobe, die mehr Facetten hat als nur Neukauf, ist definitiv die Zukunft. Mit den genannten Initiativen und Dienstleistungen diversifizieren wir unser Kundenangebot, das ist für die Kreislaufwirtschaft von grundlegender Bedeutung. Wir wissen: Es gibt ein Einnahmepotenzial mit der Kreislaufwirtschaft. Und mein Team beschäftigt sich auch mit der wirtschaftlichen Skalierbarkeit in der Kreislaufwirtschaft. Wir nehmen das ernst und analysieren, welche Wege zur Skalierung funktionieren können.

Was sagen Ihre Investoren und Geschäftspartner: Geht denen das alles schnell genug?
Unsere Kreislauf-Strategie haben wir mit unseren externen Beratern abgestimmt, etwa der Ellen-MacArthur-Foundation…

…die britische, gemeinnützige Organisation, die sich mit Kreislaufwirtschaft beschäftigt.
Die Ellen-MacArthur-Stiftung ist die höchste Autorität in Sachen Kreislaufwirtschaft. Zalando ist seit diesem Jahr Mitglied der Stiftung. Wir richten unsere Nachhaltigkeitsstrategie an ihren Erkenntnissen und ihrer Forschung zur Kreislaufwirtschaft in der Mode aus.

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Und Zalandos Investoren?
Unsere Investoren begrüßen es, dass wir mit unserer Nachhaltigkeitsstrategie konkrete kurz – und mittelfristige Ziele gesetzt haben anstatt uns auf langfristige Ziele zu begrenzen, denn die Zeit drängt. Zu der Veranstaltung, auf der wir unsere Kreislaufstrategie vorgestellt haben, haben wir auch unsere Investoren eingeladen. Und wir nehmen unsere Markenpartner mit auf den Weg. Wenn wir bloß unsere Zalando-eigenen private Labels Kreislauf-konform designen – das allein reicht ja nicht. Es ist wichtig, einen Standard für zirkuläre Produkte zu etablieren. Und diesen Standard müssen wir mit all unseren Markenpartnern teilen und Modeprodukte gemeinsam entsprechend designen. Daran arbeiten wir bereits. Das Feedback, was wir von vielen Markenpartnern bekommen ist: Wir arbeiten auch an denselben Problemlösungen. Uns allen ist klar: Die Zukunft muss nachhaltig sein. Unser zukünftiger Kunde wird kein kurzlebiges Kleidungsstück mehr kaufen wollen.

Mehr zum Thema: Zalando gerät zunehmend unter Druck – nicht nur von Umweltaktivisten. Neue Initiativen sollen die Kritiker besänftigen.

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