Interview mit Toilettenpapier-CEO Warum der Umsatz von Tempo-Taschentüchern um 30 Prozent einbricht

Magnus Groth, CEO des schwedischen Toilettenpapierherstellers Essity – hierzulande bekannt mit seinen Marken Tempo und Zewa. Quelle: PR

Dank der erhöhten Hygienemaßnahmen haben die Menschen in der Pandemie deutlich weniger Schnupfen – zum Leidwesen von Essity-CEO Magnus Groth. Beim größten europäischen Toilettenpapierhersteller Essity ist nämlich auch der Toilettenpapier-Absatz in ersten Quartal eingebrochen. Er setzt auf Toilettenpapier aus Stroh als Alternative zu frischem Holz.

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Magnus Groth, der CEO des schwedischen Toilettenpapierherstellers Essity – hierzulande bekannt mit seinen Marken Tempo und Zewa – sieht ein Licht am Ende des Tunnels. Er bereitet die Sparte Tork, die Papier an Unternehmen, Hotels und Schulen liefert, auf die Zeit vor, wenn Herdenimmunität erreicht ist. Vor zwei Monaten hatte Essity wie auch andere Hersteller noch über Kurzarbeit nachgedacht, weil sowohl der Toilettenpapierabsatz wie auch der Tempo-Taschentuchverkauf deutlich einbrach. Mit einem Toilettenpapier aus Stroh will Groth Essity unabhängiger vom Zellstoffpreis machen.

WirtschaftsWoche: Wie steht es während der Coronakrise  eigentlich um den Verkauf von Papiertaschentüchern?
Magnus Groth: 2020 war eben nicht im Geringsten normal – der Absatz von Taschentüchern ist um 30 Prozent gefallen, weil die Grippesaison aufgrund der gesteigerten Hygienemaßnahmen ausgefallen ist.

Jetzt erhöhen Sie noch die Preise.
Das ist ein von der Nachfrage völlig unabhängiges Phänomen – die  Zellstoffpreise steigen drastisch, und die haben einen hohen Einfluss auf die Profitabilität eines Toilettenpapierherstellers. Deshalb müssen wir auf unsere Kunden zugehen und sie um eine Preisanpassung bitten. Dazu gibt es keine Alternative.

Kann Toilettenpapier aus Stroh die Antwort sein?
Das ist eine tolle neue Technologie, in die wir 40 Millionen Euro investieren. Später im Sommer soll die kommerzielle Produktion anlaufen. Das machen wir vor allem wegen der Nachhaltigkeit – wir ersetzen den Zellstoff aus frischem Holz mit dem aus Stroh. Die Initiative macht uns zugleich unabhängiger von den Zellstoffpreisen. Unser erklärtes Ziel ist, die Abhängigkeit um zehn Prozent zu senken. Außerdem senken wir den Zellstoffgehalt im Papier durch Enzyme, die das Tissue bauschiger machen, aber die Reißfestigkeit und Weichheit nicht beeinflussen.

Wie  sind Sie auf Stroh gekommen?
Der kontinuierliche Zugang zu einem lokalen Rohstoff macht das so interessant. Mannheim liegt in einer landwirtschaftlichen Region, da gibt es in der Umgebung viel Stroh, das derzeit nach der Ernte einfach auf den Feldern gelassen wird. Wir beziehen das Stroh von lokalen Landwirten, bringen es nach Mannheim und verarbeiten es dort zu Zellstoff und Toilettenpapier. Stroh muss nicht um den halben Globus transportiert werden. Das senkt die CO2-Emissionen.

Stroh ist ja recht pieksig. Fühlt man da einen Unterschied beim fertigen Papier?
Nein, da gibt es weder einen sichtbaren oder noch einen fühlbaren Unterschied. Das merkt man bei recyceltem Toilettenpapier aus Zeitungen und Karton ja auch nicht.

In Deutschland macht das Traditionsunternehmen Hakle als Premiumanbieter von Toilettenpapier von sich reden. Spüren Sie auch verstärktes Interesse an Premium-Papier?
Das ist definitiv ein Trend. Gerade in der Pandemie entstand der Wunsch, sich selbst kleine Annehmlichkeiten zu gönnen. Wer zu Hause bleiben musste, der wollte sich verwöhnen – vorausgesetzt natürlich er hatte seinen Job nicht verloren und eine ordentliche Kaufkraft. Es gibt auf alle Fälle erhöhte Nachfrage nach Premium-Toilettenpapier – wir sind ja mit Zewa und Tempo mit Abstand der größte Anbieter in Deutschland.

Wie bringen Sie denn extra Luxus ins Toilettenpapier? Gibt es einen Trend zur fünften Lage? Oder essentielle Öle?
Das variiert von Markt zu Markt deutlich. In manchen Märkten zahlen Farbe und Duft auf das Premium-Gefühl ein, in anderen Märkten ist es das komplette Gegenteil: Dort ist ein Premium-Produkt möglichst „free from“ – also frei von Farben, Geruchsstoffen oder Druckertinte. Ein Produkt, dass sich gerade in Deutschland und Frankreich extrem gut verkauft, ist „Just One“, echtes Premiumpapier. Das ist ein vierlagiges Papier, von dem man wirklich nur ein Blatt braucht und nicht mehrere übereinanderfaltet. Premium und Nachhaltigkeit sind zwei Kategorien, die sich immer mehr überschneiden. Auch unser Papier ohne Papphülse in der Mitte vermarktet sich als Premiumprodukt.

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Wirklich? Sind die inneren Lagen nicht krumpelig, wenn es keine Rolle gibt?
Sie müssen es ausprobieren! Ich verspreche, Sie können es bis zum letzten Blatt ohne Knitter verwenden. Wir sprühen ein klein wenig Stärke in das Loch in der Mitte – das ist genug, um den Rollen Stabilität zu verleihen. Gerade haben wir auch eine Zewa-Küchenpapier ohne Papprolle in der Mitte an den Markt gebracht.

Vor zwei Monaten gab es Berichte, Sie würden über Kurzarbeit nachdenken.

Mannheim und Kostheim sind die zwei großen Fabriken in Deutschland, die den professionellen Bedarf an Toilettenpapier mit der Marke Tork bedienen. Die Nachfrage danach ist wegen des Lockdowns sehr gedämpft.
Einen Teil der Kapazität haben wir für Papiere für den Endkunden umnutzen können. So sind wir  um das Thema Kurzarbeit in Deutschland herumgekommen. Aktuell antizipieren wir die graduelle Öffnung. Wir warten nur darauf, das die Nachfrage wieder losgeht.

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Steht das ganz fest, dass keine Kurzarbeit mehr kommt?
Für jetzt erwarten wir auf alle Fälle eine graduelle Verbesserung der Marktkonditionen. Die Produkte der Marke Tork werden sich gut verkaufen, wenn die Schulen wieder öffnen und Leute wieder draußen essen und in Biergärten sitzen können.

Gibt es dann eine erneute Schlacht ums Toilettenpapier, diesmal im Großmarkt?
Nein. Wir sind sehr gut vorbereitet. Wir wollen ein hohes Serviceniveau anbieten, wenn es losgeht. Nur wann genau das in Europa ist, steht eben noch nicht fest.

Der Toilettenpapierkonsum ist normalerweise extrem stabil. Wird die Unwucht in der Nachfrage sich langsam wieder ausschwingen?
Ich hoffe, das die Restriktionen und Lockdowns der Coronapandemie sich langsam lockern und das Leben wieder normaler wird. Die niedrigeren Umsatzzahlen aus dem ersten Quartal werden sich aber im zweiten Quartal wieder ausgleichen. Diese Normalität wird sich dann auf den Einkauf von Toilettenpapier übertragen – das ist meine Einschätzung. Uns ist klar, das Toilettenpapier für die meisten Konsumenten in normalen Zeiten nicht von ausgeprägtem Interesse ist. Als Hersteller bemühen wir uns natürlich nach Kräften, die Kategorie aufregender zu machen.

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Wie gehen Sie mit dem traditionell niedrigen Wachstumspotential des Toilettenpapierkonsums um?
Die Toilettenpapierkategorie ist sehr gesättigt – wir wachsen auch in normalen Jahren nur um ein bis zwei Prozent, wenn die Menschen zum Beispiel mehr Gesichtstücher oder mehr Taschentücher kaufen. Wir haben integrierte Produktionsstätten mit hoher Kapazität, da ist eine hohe Auslastung entscheidend. Deshalb haben wir in den vergangenen Jahren viel restrukturiert und ältere, kleinere Standorte geschlossen und das Volumen zu den größeren Fabriken verschoben.

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