Zu Werbezwecken Amazon verschickt kostenlos Duschgel, Kaffee und Tiernahrung

Kostenlose Pakete Amazon Quelle: REUTERS

Manch ein Amazon-Kunde erhält vom Onlineriesen seit kurzem kostenlose Proben von großen Markenprodukten. Der Amazon-Experte Trutz Fries erklärt, warum das der Traum einer jeden Marketingabteilung ist.

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Es kann vorkommen, dass Kunden von Amazon in den USA demnächst Pakete vom Onlinehändler an der Haustür annehmen, die sie gar nicht bestellt haben. In den Lieferungen finden die Kunden dann Produkte wie Tierfutter, Kaffee oder Duschgel. Bezahlen müssen sie dafür nicht, Amazon schenkt ihnen die Produkte, die im altbekannten Amazon-Paket daherkommen. Das tut der Onlinehändler selbstverständlich nicht aus Gutmütigkeit oder Dankbarkeit für die jahrelange Treue der Kunden. Vielmehr ist es eine ausgeklügelte Marketingstrategie, die für Unternehmen sehr reizvoll sein dürfte.

Amazon nennt diese Marketingstrategie „Sampling“, was übersetzt so viel wie Kostprobe heißt. Und genau das sind die Produkte, die Amazon im Rahmen des Werbeprogramms verschickt: Kostenlose Proben diverser Produkte, die Kunden vom Kauf eben dieser Produkte auf Amazon.com überzeugen sollen. Die Nachrichtenseite „Axios“ hatte zuerst von dem neuen Programm berichtet. In den sozialen Netzwerken hielten Nutzer ihre erhaltenen Lieferungen bereits in Tweets fest und äußerten ihre Verwunderung über die unangekündigten „Geschenke“ des Onlinehändlers.

Auf Anfrage der WirtschaftsWoche wollte Amazon das Werbeprogramm nicht kommentieren. Allerdings informiert Amazon online die eigenen Kunden bereits in aller Kürze über das Sampling.

Dort nennt der Handelskonzern auch Beispiele möglicher Produkte, die kostenlos verschickt werden: Darunter sind Artikel von bekannten Marken wie Dove, Maybelline, Dunkin Donuts oder Cesar. Welche Proben ein Kunde erhält, soll auf den Kaufwünschen basieren, die Amazon dank all der gesammelten Daten kennt. Das berichtet „Axios“. Ganz so technisch erklärt Amazon das den eigenen Kunden nicht. Auf der Infoseite zum „Sampling“ heißt es: „Amazon Sampling hilft den Kunden durch das Zusenden von kostenlosen Proben neuer oder etablierter Marken dabei, Produkte zu entdecken, die sie lieben könnten.“

„Amazon wird zum Marktforscher“

Im Rahmen des Samplings soll Amazon nur Proben von Marken ausliefern, die für diese Art der Werbung bezahlen sollen. Und so würden gleich beide Parteien profitieren: Die Marken könnten zahlreiche neue Kunden finden und Amazon wird von den Herstellern für die Werbung bezahlt und verdient bei einem möglichen Verkauf über den eigenen Shop auch noch mit.

Wie interessant das Sampling für die großen Marken seien könnte, weiß Trutz Fries. Er ist Inhaber der Amazon-Agentur „Revoic“ und hat das Tool „Amalytix.com“ entwickelt, mit dem Händler ihre Aktivitäten auf Amazon überwachen können. Außerdem ist Fries Autor von „Amazon Marketplace: Das Handbuch für Hersteller und Händler“.

Gerade für neue Produkte sei das Sampling wertvoll: „Amazon könnte Unternehmen anbieten, ihr Produkt genau in die Hände der Verbraucher zu befördern, die regelmäßig vergleichbare Produkte direkter Wettbewerber konsumieren“, erklärt Fries. Im Anschluss könne Amazon dann ermitteln, wie viele Kunden das neue Produkt nach einem bestimmten Zeitraum gekauft haben und um welche Kundengruppen es sich dabei handelt. „Diese Einblicke wird Amazon teuer an die Markenhersteller verkaufen“, schätzt Fries.

Laut des Amazon-Experten werde der Online-Händler durch das Sampling „zum Marktforscher, der harte Absatzzahlen und nicht nur Umfrageergebnisse präsentieren kann“. Im Gegensatz zu herkömmlicheren Werbemethoden werde Sampling auf Grund einer besseren Messbarkeit sogar „zum Traum eines jeden Marketing-Verantwortlichen“.

Innovative Werbung oder aggressives Marketing?

Dabei übernimmt Amazon lediglich eine Form des Marketings, die im stationären Handel bereits länger Anwendung findet und überträgt diese auf den Onlinehandel. „Man kennt zum Beispiel Stände aus dem Supermarkt, an denen man auf bestimmte Produkte aktiv angesprochen wird und diese auf Wunsch vor Ort probieren oder kostenlos mitnehmen kann“, erklärt Fries. „Über Sampling kann man Kunden auf neue Produkte aufmerksam machen – eine bewährte Methode im Kampf um das Portemonnaie der Kunden.“ Offenbar online wie offline.

Dass Amazon es mit der Werbung nun sogar bis in die Wohnung der Kunden schafft und diese nicht mal gesondert nach der Erlaubnis um das Zuschicken der „Samples“ fragen muss, hält Trutz Fries nicht für aggressive Werbung. Einige Kunden könnten sich allerdings durchaus ihre Gedanken machen, warum gerade sie mit den Proben „beschenkt“ werden – denn prominent vorgewarnt hat Amazon die eigenen Kunden nicht. Das lassen überrumpelte Reaktionen in den sozialen Netzwerken erkennen.

Auch wettbewerbsrechtlich hält Trutz Fries das „Amazon Sampling“ nicht für bedenklich. „Amazon hat im Bereich der Werbung keine marktbeherrschende Stellung. Dass Werbung beeinflussen soll ist nichts Neues und passiert schon heute über Anzeigen auf der Amazon-Seite stündlich millionenfach, nur der Kanal ist hier ein anderer“, erklärt Fries. „Mit der Zustellung des Samples ist keine Gegenleistung verbunden und wer keine Samples erhalten möchte, kann dies in seinem Amazon-Konto entsprechend hinterlegen.“

Und so können sich die Kunden des US-amerikanischen Amazon-Shops über die kostenlosen Lieferungen freuen – falls sie denn welche bekommen wollen. Und sollte sich das „Sampling“ in den USA bewähren, könnten beizeiten auch hierzulande Kunden an der Haustür von den kleinen Kostproben des Onlineriesen überrascht werden.

In anderer Weise passiert das übrigens bereits in Deutschland: Einige Amazon-Kunden erhalten willkürlichen Produkte, die sie nicht bestellt haben und die nur vermeintlich von Amazon selbst stammen. Auch wenn diese ebenfalls nicht bestellten Pakete kostenlos sind, können sie zu einer nervigen Angelegenheit werden. Was dahinter steckt, lesen Sie hier.

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