
Die Idee, Kaufhof und Karstadt zur Deutschen Warenhaus AG zu verschmelzen, ist so etwas wie das Ungeheuer von Loch Ness des deutschen Einzelhandels. Alle paar Jahre tauchen Übernahmegerüchte auf und halten die Branche in Atem – zumindest für einen Sommer, bevor von den schönen Investment-Storys über Einsparpotenziale und Synergie-Effekte schließlich doch nur Legenden bleiben.
Jetzt ist es wieder so weit: Nessie-Zeit im Handel. Karstadt-Eigner René Benko soll ein Übernahmeangebot für den Kölner Erzrivalen Kaufhof vorgelegt haben. Doch diesmal steckt mehr dahinter als die allsommerliche Sichtung des Ungeheuers. Erstmals seit Jahren hat ein Zusammenschluss von Kaufhof und Karstadt echte Chancen, Realität zu werden.
Die Zinsen sind am Boden. Banken und Investoren pumpen selbst in abenteuerliche Projekte wieder Millionenbeträge. Für den österreichischen Immobilienunternehmer Benko sind das notwendige Voraussetzungen, um bei der Kaufhof-Mutter Metro überhaupt wieder als ernsthafter Gesprächspartner akzeptiert zu werden.
2012 war Benko noch bei Metro-Chef Olaf Koch abgeblitzt als er die Warenhaussparte übernehmen wollte. Seine Finanzierung wackelte. Stattdessen stieg der Österreicher später bei Karstadt ein, buhlte hinter den Kulissen aber weiter um Kaufhof. Zwischenzeitlich fühlte sich Koch von den Offerten des Österreichers zwar regelrecht genervt, doch dessen Beharrlichkeit scheint sich nun auszuzahlen.
So verdient Benko sein Geld
Die 1999 von Renè Benko gegründete Signa Holding GmbH ist Österreichs größtes privates Immobilienunternehmen. Insgesamt verfügt die Sigma-Gruppe nach eigenen Angaben über ein Immobilienvermögen von mehr als sechs Milliarden Euro. Die Unternehmensgruppe umfasst im Wesentlichen vier zentrale Geschäftsbereiche. Der Konzern hat heute mehr als 150 Mitarbeiter.
Das Vorzeige-Unternehmen der Signa Holding investiert langfristig in Immobilien in den 1A- Innenstadtlagen. Nach eigenen Angaben zählt es zu führenden Eigentümern, Entwicklern und Betreibern innerstädtischer Einzelhandelsimmobilien im deutschsprachigen Europa. Der Immobilienkonzern besitzt unter anderem das Kaufhaus Tyrol in Innsbruck, die Renngasse 2 sowie das Goldene Quartier in Wien. Zu den bekanntesten Objekten in Deutschland zählen das KaDeWe in Berlin, das Alsterhaus Hamburg und das Kaufhaus Oberpollinger im Zentrum Münchens.
Nach der Übernahme der Karstadt-Premium- und Sporthäuser baute das Unternehmen einen eigenen Geschäftsbereich Signa Retail zu deren Steuerung auf. Diese Signa Retail GmbH übernimmt nun die Karstadt Warenhaus GmbH vollständig.
Immobilienvermögen insgesamt: rund vier Milliarden Euro.
Mit ihrem Development-Ableger entwickelt und baut die Signa Holding Geschäfts-, Büro- und Hotelflächen in europäischen Innenstädten, die sie anschließend vermietet. Derzeit wird an 13 Projekten in Österreich, Italien und Deutschland gearbeitet. Dazu zählt unter anderem das Kaufhaus Viktoria in Bonn
Investitionsvolumen insgesamt: rund 2, 2 Milliarden Euro
Die Tochtergesellschaft Signa Real Estate Capital Partners der Unternehmensgruppe berät Anleger im Bereich Private Equity Real Estate. Im Fokus stehen innerstädtische Einzelhandelsobjekte sowie Büroobjekte.
Die Tochter Signa Property Funds unterstützt Anleger bei Investitionen. Als bankenunabhängiger Finanzdienstleister entwickelt und vertreibt sie Immobilienanlagekonzepte für Privatanleger und institutionelle Investoren.
Befreiungsschlag für Metro
Frühere Bedenken des Kaufhof- und Metro-Vorstands, dass bei einem Verkauf an Benko die Zukunft des Unternehmens nicht vollständig gesichert sei, scheinen - wenn überhaupt - nur noch eine untergeordnete Rolle zu spielen. Vielmehr lautet die Devise in Düsseldorf:
Wenn nicht jetzt, wann dann. Tatsächlich waren die Perspektiven noch nie so verlockend, die Aussichten aus Metro-Sicht selten so günstig. Auf einen Schlag könnte der Düsseldorfer Handelskonzern die durch die währungsbedingten Probleme im Russland-Geschäft arg strapazierte Kasse füllen – auf bis zu drei Milliarden Euro wird der Wert von Kaufhof taxiert.
Das Warenhausgeschäft gilt im Konzern seit Jahren ohnehin als Auslaufmodell, zu kostspielig wäre eine Expansion ins Ausland, als zu antiquiert gilt das Format in Zeiten von Amazon und Zalando. Vielleicht noch wichtiger: Auch für Metro-Chef Koch wäre der Verkauf ein Befreiungsschlag. Sein Großaktionär, das Düsseldorfer Ruhrgebietskonglomerat Haniel, sitzt ihm seit Monaten im Nacken und fordert lautstark eine bessere Perfomance des Handelskonzerns ein. Mit einem Verkauf wäre Koch das Problem zunächst los.
Die Österreicher um Benko würden sich im Gegenzug vor allem Zeit für die Sanierung von Karstadt kaufen. Die derzeitige Stärke von Kaufhof wirkt für Karstadt wie eine lebensverlängernde Maßnahme. Ob die allerdings ausreichen wird, um dem Patienten tatsächlich zur Heilung zu verhelfen, ist mehr als fraglich.
Bei Kaufhof-Mitarbeitern wächst denn auch die Angst, mit in das Karstadt-Drama um Schließungen und Sparmaßnahmen hinein gezogen zu werden. Für sie steht Nessie nicht für das Auftauchen einer neuen unternehmerischen Chance - sondern bleibt schlicht ein Ungeheuer.