Handelskonzern Wie tickt Arcandors neuer Chef Karl-Gerhard Eick?

Karl-Gerhard Eick übernimmt einen der härtesten Sanierungsjobs der Republik: Er soll den Essener Handels- und Touristikkonzern Arcandor aus der Krise führen.

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Karl-Gerhard Eick wird neuer Vorstandschef des Handels- und Touristikkonzerns Arcandor

Wie es um die wirtschaftliche Situation des Essener Handels- und Touristikkonzerns Arcandor bestellt ist, wird der neue Vorstandschef Karl-Gerhard Eick schon am ersten Arbeitstag zu spüren bekommen. Während sein glückloser Vorgänger Thomas Middelhoff noch im schwarzen Dienst-Audi A8 durch die Republik düste, soll sich Eick mit einem kleineren Modell bescheiden. Der 55-Jährige, der bisher als Finanzvorstand über die Bilanzen der Deutschen Telekom wachte, wird die automobile Schmach verschmerzen. Hat er sich doch den Ruf eines "Sparers mit Ausdauer" erarbeitet. Als Markenzeichen Eicks galten folgerichtig das stets mit Sorgfalt nach hinten gekämmte Haar und dunkle Banker-Anzüge. Doch Eick kann auch anders: Auf dem Münchner Oktoberfest taucht er stilecht in Lederhosen auf, in seiner Kölner Lieblingskneipe gerne in Jeans und T-Shirt.

Anpassungsfähigkeit und Sparsamkeit sind zwei Eigenschaften, die Eick auch bei Arcandor gut gebrauchen kann. Der Konzern, zu dem die Warenhausgruppe Karstadt, der Versandhändler Quelle und das Reiseunternehmen Thomas Cook gehören, steckt in der Existenzkrise. Die Verschuldung ist hoch, und bei den Banken hat das Unternehmen unter Eicks Vorgänger Middelhoff erheblich an Vertrauen eingebüßt. Der Neue müsse nun für "Stringenz und Stabilität" sorgen, mahnt Arcandor-Aufsichtsrätin Gertrud Tippel-Kluth. Der Vorsitzende des Karstadt-Betriebsrats, Hellmut Patzelt, versichert: "Wir werden Herrn Eick ganz herzlich aufnehmen." Ob die warmen Worte Bestand haben? Der Arcandor-Großaktionär, das Bankhaus Sal. Oppenheim, hat Eick für einen unpopulären Job geholt. Er muss den Konzern sanieren – oder in seine Einzelteile zerlegen und ausweiden.

Seine Freunde & Gegner

Als Eick nach der Präsentation der Telekom-Zahlen am vergangenen Freitagabend seinen Ausstand feierte, waren rund 2000 Mitarbeiter der Bonner Zentrale eingeladen. Doch die Gästeschar täuschte nicht darüber hinweg, dass er sich nicht mehr auf allzu viele Vertraute im Konzern stützen konnte. Bis auf den langjährigen Telekom-Chefjuristen Manfred Balz haben sich die Reihen um Eick spätestens nach dem Amtsantritt von Vorstandschef René Obermann gelichtet. Immerhin verhalf der Telekom-Posten Eick zu Kontakten, die sich auch im neuen Job als wertvoll erweisen könnten. Die Berliner Haushaltspolitiker kennen Eick als Garanten hoher Telekom-Dividenden. Auch zu Jens Weidmann, Wirtschaftsberater von Bundeskanzlerin Angela Merkel, werden Eick gute Drähte nachgesagt. Zudem genießt er das Vertrauen der persönlich haftenden Gesellschafter des Arcandor-Großaktionärs Sal. Oppenheim. Wichtiger noch: Im Kölner Villenviertel Marienburg, wo er mit seiner Frau lebt, ist er Nachbar des Oppenheim-Partners Friedrich Carl Janssen. Und der ist der Aufsichtsratschef von Arcandor.

Seine Stärken & Schwächen

1954 in Ulm geboren, also Schwabe und damit qua Heimat zum Sparen verdammt, kokettiert Eick gern mit seinem Image als "Graf Zahl" der Deutschen Telekom. "Vielleicht liegt das Sparen den Schwaben einfach im Blut", gab er einst zu Protokoll. Und letztlich könne er daran "auch nichts Falsches erkennen". Das Bild des peniblen Finanzfachmanns prädestiniert ihn für den Chefposten bei Arcandor. In den kommenden Monaten wird es seine drängendste Aufgabe sein, den Banken Kreditverlängerungen abzutrotzen. Eicks Reputation als „eiserner Rechner“ und „Präzisionsmaschine“, wie ihn ein Vertrauter nennt, dürfte das überzeugendste Argument sein. Parallel dazu muss er sich in das operative Geschäft einarbeiten. Dabei hilft Eick, dass er schon in vielen Branchen gearbeitet hat. Bevor er im Januar 2000 als Finanzvorstand zur Telekom kam, absolvierte er Lehrjahre bei BMW, war Controller beim Besteckhersteller WMF, Finanzchef beim Arzneigroßhändler Gehe (heute Celesio) und Vorstand bei der Duisburger Familienholding Haniel.

Umgewöhnen müssen sich auch die Arcandor-Mitarbeiter. Während Eicks Vorgänger Middelhoff meist auf einem seligen Lächeln durch die Flure der Zentrale segelte, gilt Eick als zurückhaltend und kontrolliert. Wenn ihm etwas partout nicht passt, neigt er zu unangenehm deutlichen Tönen. "Schwäbische Freundschaftserklärungen" heißen derlei Ausbrüche in seinem Umfeld. Sie gehen mit einem gehörigen Lärmpegel einher, sind in aller Regel aber schnell wieder vorbei.

Seine Ziele & Visionen

Kai Uwe Ricke (l) und Rene Quelle: REUTERS

Der neue Posten dürfte sich für Eick ähnlich anfühlen wie der Umzug von einer Großstadt in die Provinz. Arcandor erwirtschaftet ein Drittel des Umsatzes der Telekom und beschäftigtet rund 70.000 Mitarbeiter – bei den Bonnern sind es mehr als dreimal so viele. Doch mit dem Wechsel erreicht Eick eines seiner wohl wichtigsten Ziele: Er wird die unumstrittene Nummer eins – und nebenbei auch noch reich. In den kommenden vier Jahren soll er insgesamt einen zweistelligen Millionenbetrag verdienen – Erfolgsprämien noch nicht eingerechnet.

Schon bei der Telekom war Eick als Kandidat für den Chefsessel gehandelt worden. 2002 gab der Aufsichtsrat jedoch Kai-Uwe Ricke den Vorzug, 2006 machte René Obermann das Rennen. Als die Privatbanker von Sal. Oppenheim ihm im Herbst 2008 den Führungsjob in der zweiten Liga andienten, schlug Eick zu. Seine Vision für Arcandor dürfte sich daher mit den Interessen des Großaktionärs decken, wobei offen bleibt, ob Eick als Sanierer oder Verwerter antritt.

Seine Vorlieben & Abneigungen

Eick ist begeisterter Läufer und versucht seine 30 bis 40 Kilometer in der Woche zu schaffen. Entspannung findet er aber auch in der Musik, sowohl beim Zuhören als auch aktiv an seinem Flügel. Eick begann schon als Sechsjähriger mit dem Klavierspiel. Besonders angetan hat es ihm Johann Sebastian Bach. Ohne Eick gäbe es wohl auch den Bonner Musikwettbewerb Beethoven Competition nicht. Für den Sieger machte der Telekom-Finanzchef – und gleichzeitig Vorsitzende des Organisationskomitees – 30.000 Euro locker. Wer weiß, vielleicht streicht dereinst Eicks Sohn Alexander die Prämie ein. Der 20-Jährige will Konzertpianist werden. Jenseits der Musik legt Eick Wert auf Geschwindigkeit. Beim Skifahren erarbeitete er sich den Ruf, eine wahre Pistensau zu sein. Zudem schwärmt er für den Sportwagen Audi R8, der es auf bis zu 300 Kilometer pro Stunde bringt. Der Tempo-Mann hasst nichts mehr als Unpünktlichkeit. Allenfalls Zigarettenrauch im Auto vermag Eick ähnlich in Rage zu versetzen.

Seine Vorbilder

Vorbilder oder gar Idole sind dem eingefleischten Finanzmann so suspekt wie außergewöhnliche Belastungen in der Bilanz. Eher schon packt Eick die Leidenschaft, wenn er von großen Deals berichtet, die auch noch bargeldlos und trickreich über die Bühne gehen. Die als Fusion verkaufte Übernahme des amerikanischen Autoherstellers Chrysler durch Daimler-Benz 1998 soll Eick auch Jahre später noch imponiert haben. Der Ausgang des Auto-Experiments dürfte für ihn allerdings auch eine Warnung gewesen sein, für die milliardenschwere Expansionsgelüste seiner Telekom-Vorstandskollegen ähnlich ausgefeilte Finanzierungspläne zu ersinnen. Stattdessen verhandelte Eick Beteiligungsdetails lieber jahrelang persönlich durch oder schmetterte teure Übernahmen ganz ab.

Bei Arcandor wird Eick sein Transaktionsgeschick aber wohl tatsächlich unter Beweis stellen müssen. Der Konzern will die Kaufhausgruppe Karstadt loswerden, heißt es. Womöglich wäre eine Liaison mit der Metro-Tochter Kaufhof und der anschließende Weiterverkauf an einen dritten Investor ein Deal nach Eicks Geschmack.

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