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Hartmut Mehdorn Deutsche Bahn: Rückzieher bei der Schaltergebühr

Hallo Herr Mehdorn, beginnen Sie doch endlich zu begreifen: Die Bahn ist kein Pony-Express. Und Sie und Ihre Vorstandskollegen sind keine Häuptlinge, für die viel Feind viel Ehr' ist. Die Börse, an die Sie streben, honoriert keinen Hass aufs Unternehmen, sondern zufriedene Kunden, die gern ihr Geld bei Ihnen lassen.

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Bahn-Chef Hartmut Mehdorn Quelle: AP

Es war die wohl kürzeste Presserklärung der Deutschen Bahn (DB) aller Zeiten: "Die DB hat am heutigen Freitag entschieden, keinen Zuschlag für den personenbedienten Verkauf einzuführen." Im Klartext: Bahn-Chef Hartmut Mehdorn zieht seinen Plan zurück, künftig für jede Fahrt mit der Bahn 2,50 Euro zu kassieren, wenn der Kunde sein Ticket nicht am Automaten oder übers Internet kauft, sondern am Fahrkartenschalter.

Einen größeren Bärendienst hätten Mehdorn und sein Personenverkehrschef Karl-Friedrich Rausch der Bahn gar nicht erweisen können. Denn das Signal, das an potenzielle Investoren, die Kunden und die Politiker von der Idee eines Schalterzuschlags und von ihrer Beerdigung ausgeht, ist schlicht die Katastrophe.

Erstens kann auf diese Idee nur einer kommen, der keine Sorge haben muss, dass bestimmte Kunden durch die im Extremfall krasse Verteuerung des Bahnfahrens auf andere Verkehrsmitteln ausweichen können, wenn sie keine Automaten oder das Internet bedienen können. Das heißt, Mehdorn und Co. versuchten, hier eine monopolartige Stellung auszunutzen. Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung, heißt so etwas im Kartellrecht. Gäbe es Wettbewerb auf der Schiene, hätte sich Mehdorn das nie getraut.

Zweitens hat Mehdorn nichts aus seinem Superflop mit dem neuen Preissystem gelernt, das er vor einigen Jahren einführte und wieder rückgängig machen musste. Das System hatte sich an die starren Gepflogenheiten im Flugverkehr angelehnt und völlig ignoriert, dass Bahnfahren in Deutschland als stets bereite Fortbewegungsform etabliert ist. Auch diesmal waren seine Marketingstrategen nicht in der Lage, sich etwas auszudenken, das die Kosten des Ticketverkaufs am Schalter intelligent in eine Art Gebühr für die Extraleistung dieses Vertriebswegs umgewandelt hätte. In den Niederlanden gibt es die Gebühr, ohne dass sich jemand darüber aufregt. Offenbar fürchtete Mehdorn aber, die Kunden hätten dann endgültig gemerkt, dass sie beim Kauf übers Internet oder am Automaten teilweise sogar draufzahlen. Kein gutes Omen für Anleger, die auf professionelles Marketing zwecks Umsatzsteigerung setzen.

Drittens hat Mehdorn, indem er sich so vergaloppierte, genau die Geister gerufen, die er auf dem Börsenparkett am wenigsten gebrauchen kann. Er hat nämlich - wieder einmal - erst einen Rückzieher gemacht, als die Bundesregierung ihn harsch kritisierte. Eine erschreckende Botschaft über die Abhängigkeit der Bahn und ihres Chefs von den Launen der Politik.

Dass hier keine Zweifel aufkommen: Die Politik hat sich, verdammt, aus dem Tagesgeschäft und der unternehmerischen Strategie der Bahn herauszuhalten. Wenn sie mehr Verkehr auf die Schiene holen wollen, sollen die Politiker das Schienennetz ausbauen, mehr Verkehrsleistungen bei der Bahn (und auch bei ihren Konkurrenten) einkaufen, am besten den Wettbewerb fördern, um das Angebot zu verbessern und die Preise zu drücken. Der Bahn vorzuschreiben, wie sie ihr Geld verdient, geht bei einem börsennotierten Unternehmen nicht.

Schade nur, das Mehdorn es immer wieder schafft, die Kundschaft - und damit die Öffentlichkeit und die Wähler - so zu provozieren, dass es zu Kollateralschäden in der Politik kommt und diese dann reagiert.

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