Dass Tierärzte dennoch über Patientenmangel klagen, dürfte eher daran liegen, dass mehr als 8000 Praxen um Kundschaft buhlen und Jahr für Jahr rund 1000 Studenten der Veterinärmedizin ihr Examen ablegen, während nur 300 Tierärzte aus dem Berufsleben scheiden. Kurz: Der Wettbewerbsdruck steigt. Zumal sich auch unzählige Tierpsychologen, -physiologen und Heilkundler nach Kräften mühen, die schwere Zwingerjugend von aggressiven Rüden zu ergründen, lahme Pfoten mit Gymnastik einzurenken oder erschöpfte Reptilien mit Bachblüten-Globuli zu stärken.
Angesichts der wachsenden Konkurrenz spezialisieren sich viele Tierärzte auf die Behandlung bestimmter Tierarten und Krankheitsbilder. Andere experimentieren mit Filialisierungskonzepten, wie sie in den USA und Großbritannien üblich sind. So koordiniert der Praxisverbund SmartVet mit Zentrale in Berlin mittlerweile acht Standorte, und die Ratinger Tierarztkette Activet betreibt neun Praxen, in denen 2009 schon 20.000 bis 25.000 Patienten behandelt wurden.
Als Praxis-Ergänzung bastelt Activet-Geschäftsführer Lutz Scheinost am Aufbau einer Tierfriseurkette. Unter der Marke Fellini scheren sich zurzeit in drei Salons Fellpfleger zu Pudels Kern vor. Die Filialidee stamme allerdings nicht von ihm, sagt Scheinost. „Damit“, so der Activet-Chef, „kam der Toeller um die Ecke.“
Bedrohte Spezies
Ein wenig erinnert Torsten Toeller an den Duracell-Hasen aus der Fernsehwerbung: Immer unter Strom wuselt Toeller durch sein Büro in Krefeld, der Zentrale von Europas größter Tierbedarfskette Fressnapf. An der Bürowand leuchtet ein Comic-Bild des belgischen Malers Don Ken. „Being successful is fun“, heißt es darauf. Etwas Dezenteres würde kaum passen: Mit mehr als 760 Ablegern seiner rot-grün bemalten Ladenkette hat Toeller die Republik zugepflastert. 1079 Fressnapf-Märkte gibt es europaweit, 2010 sollen weitere 100 dazu kommen. 2009 erzielte das Unternehmen mit seinen Franchise-Partnern rund 1,2 Milliarden Euro Umsatz, 12,2 Prozent mehr als im Vorjahr.
Die Zahlen spiegeln eine beeindruckende Erfolgsgeschichte wider – und einen harten Abstiegskampf.
Als Toeller vor 20 Jahren das Konzept großer Tierfachmärkte aus den USA importierte und im rheinischen Erkelenz seine erste Filiale eröffnete, shoppte der gemeine Katzenhalter das Streu für Minki noch im Zoogeschäft in der Nachbarschaft. Heute ist die Spezies der kleinen Zoohändler vom Aussterben bedroht. Nicht nur Toeller wilderte in ihrem Revier. Ketten wie Maxi-Zoo und Das Futterhaus machten sich breit. Zudem haben Supermärkte, Drogerien, Baumärkte und Discounter ihr Sortiment ausgeweitet.
Allenfalls in Nischen – etwa im margenstarken Luxussegment oder als spezialisierter Solitär wie Großzoohändler Zajac – können sich die Einzelkämpfer gegen Filialsysteme mit ihren günstigeren Einkaufskonditionen behaupten.
Womöglich ist das nur der Auftakt zu weiteren Verschiebungen. Neben Pharma- und Futterproduzenten haben Finanzinvestoren die Branche im Visier. Erst im Januar übernahm die Private-Equity-Gesellschaft KKR für umgerechnet 1,1 Milliarden Euro den britischen Tierbedarfshändler Pets at Home.