Helios Geschenke von Pharmavertretern unerwünscht

Seite 2/2

Ganz ohne Ärger geht das nicht – der Chef bekommt im Haus auch Widerstände zu spüren: „Das ist oft ein Schock“, sagt de Meo. „Viele ältere Chefärzte verstehen die Welt nicht mehr, wenn sie nicht mehr allein entscheiden und sich nicht mehr einladen lassen dürfen.“ Solche Veränderungen brauchten Zeit, räumt de Meo ein.

Einige Mediziner haben den Wandel schon verinnerlicht: „Die Helios-Regeln sind für mich keine Gängelung, sondern ein Gewinn“, sagt etwa Andreas Meier-Hellmann, Chefarzt für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Helios-Klinikum Erfurt und einer von acht Kodex-Beauftragten der Klinikgruppe.

„Mir ist klar geworden, wie abhängig viele Mediziner von der Pharmaindustrie sind“, sagt Meier-Hellmann in seinem spartanisch eingerichteten Chefarztbüro. Auch viele Helios-Ärzte würden sich lediglich auf schriftliche Informationen der Hersteller verlassen, wenn es um neue Medikamente geht, statt in der Online-Bibliothek der Klinik nachzuschauen.

Sein Fazit: „Vielen Medizinern fehlt das Unrechtsbewusstsein, wenn es um Geschenke und Aufmerksamkeiten der Pharmaindustrie geht.“ Um das zu schärfen, kassiert Meier-Hellmann bei seinen Kollegen schon mal zum Spaß Kugelschreiber mit Firmen-Werbelogo ein.

Die Industrie zieht alle Register

Für sich hat der Chefarzt härtere Maßstäbe definiert: Seine Beraterposten in den Beiräten von Medizintechnik-Herstellern wie etwa Pulsion, die ihm zuletzt 20.000 Euro im Jahr einbrachten, hat Meier-Hellmann aufgegeben: „Wer in einem solchen Beirat sitzt, ist befangen, wenn es etwa um die Anschaffung neuer Geräte geht.“

Einmal im Monat hält der Intensivmediziner aber noch einen Vortrag außer Haus – auch als Referent für Pulsion. Das Honorar, so steht es in den Richtlinien, wandert gleich auf das Drittmittelkonto der Klinik – niemals an den Chefarzt.

Trotz Kodex ist Helios aber nicht komplett gegen Attacken aus der Industrie gefeit. Um bei Deutschlands größter privater Klinikkette ihren Einfluss zu sichern, versuchen es die Pharmavertreter schon mal durch die Hintertür.

In seiner Fachgruppe entscheidet Meier-Hellmann über die Bestellung von Schmerzmitteln und Narkotika mit. „Bei den Herstellern wird oft gelogen, was das Zeug hält. Ich bekomme etwa einen Anruf von einem Pharmareferenten, der mir sagt, ich solle sein Medikament in die Wahl nehmen, das sei mit meinem Fachgruppenleiter so abgesprochen. Das entspricht meist nicht der Wahrheit.“

Die Hersteller ziehen alle Register, um ihren Einfluss zu mehren. „Neuerdings treten die Unternehmen verstärkt an Patienten-Selbsthilfegruppen heran“, beobachtet Helios-Chef de Meo, „die melden sich dann bei unseren Ärzten und fordern den Einsatz bestimmter Medikamente.“

Lieber auf die Patienten hören

Statt auf die Industrie will de Meo lieber auf seine Patienten hören. Neuerdings lässt er monatliche Patientenbefragungen durchführen. Mehr als 90 Prozent Zufriedenheit hat er dabei festgestellt.

In Internet-Foren fallen die Urteile aber oft durchwachsener aus. Dort klagen die Patienten über lange Wartezeiten und inkompetentes Personal. Auch bei Helios gebe es Überstunden und Personalnot, berichten Gewerkschafter. De Meo nennt das Betriebsklima „heterogen“. Der Helios-Chef muss schließlich seine Betten auslasten und für gute Zahlen sorgen.

Um sich Patienten positiv in Erinnerung zu bringen, lässt de Meo auch schon mal Geschenke verteilen. Am Klinikum Berlin-Buch erhielten junge Mütter, die ihr Neugeborenes dort zur Welt gebracht hatten, eine neue Babyschale fürs Auto geschenkt. Der Verband der Ersatzkassen zürnte, dass Werbemaßnahmen mit Versichertengeldern bezahlt wurden. Die Schalen kosteten schließlich mehr als 100 Euro. Ein so teures Präsent dürften Helios-Ärzte von der Industrie nie annehmen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%