Helios Geschenke von Pharmavertretern unerwünscht

Die Klinikkette Helios wehrt sich gegen die Macht der Pharmaindustrie. Das Tochterunternehmen des Dax-Konzerns Fresenius ist damit ein Vorbild für die Branche.

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Francesco de Meo Quelle: HELIOS Kliniken

Manche Ärzte nehmen gern Espressomaschinen und Notebooks. Manchmal tun es auch Chipkarten-Lesegeräte für die Praxis – die Staatsanwaltschaft Erfurt erhebt deshalb gerade Anklage wegen des Verdachts auf Bestechung im geschäftlichen Verkehr gegen eine Pharmareferentin des schwäbischen Arzneimittelherstellers Ratiopharm. Viele Pillenkonzerne lassen sich offenbar nicht lumpen, damit Ärzte bevorzugt Medikamente aus ihrem Sortiment verordnen. Den Schaden haben Krankenkassen und Beitragszahler: Die so in den Markt gedrückten Pillen sind oft teurer als Konkurrenzpräparate.

In Kliniken und Arztpraxen fallen täglich Pharmavertreter ein, um Medizinern ihre Medikamente aufzudrängen, und kaum jemand hindert sie daran. Überall? Fast überall. „Wir möchten keinen Besuch von Pharmareferenten in unseren Krankenhäusern“, sagt Francesco de Meo, Chef von Deutschlands größter Klinikkette Helios – und setzt damit ein Zeichen.

Mitglied bei Transparency

Helios, eine Tochter des Dax-Medizintechnikkonzerns Fresenius, wehrt sich an vielen Fronten gegen die Vereinnahmung durch Pharmaunternehmen. Während sich Ärzte anderswo von der Industrie zu Kongressen einladen lassen, organisiert Helios lieber eigene Fortbildungsveranstaltungen – oder zahlt die Kosten selbst. Sogar Weihnachtspräsente der Pillendreher sind für Helios-Klinikärzte tabu. Schoko-Geschenke zum Beispiel landen dann bei der Berliner Tafel.

Die Klinikgruppe mit Sitz in der Hauptstadt gilt als Vorbild, was den Umgang mit der Pharmaindustrie angeht. „Solche klaren Regeln wie bei Helios gibt es in Krankenhäusern selten“, sagt der Gesundheitsökonom Gerd Glaeske von der Universität Bremen. Die meisten anderen privaten und öffentlichen Betreiber von Krankenhäusern geben sich weniger strenge Vorschriften.

Der Name Helios stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Sonnengott“. Das Unternehmen zählt zu den großen der deutschen Gesundheitswirtschaft, beschäftigt 33.000 Mitarbeiter. Jährlich lassen sich zwei Millionen Patienten in den 61 Helios-Hospitälern zwischen Cuxhaven und Überlingen behandeln. 2009 erwirtschaftete Helios 2,4 Milliarden Euro Umsatz und einen Gewinn (vor Zinsen und Steuern) von mehr als 200 Millionen Euro. Das ergibt eine Rendite von mehr als acht Prozent. Viele deutsche Hospitäler können von solchen Margen nur träumen: Etwa ein Drittel schreibt Verluste.

Neben dem Elektrotechnikkonzern ABB, dem Chemieriesen BASF und dem Softwarehersteller SAP zählt Helios zu den etwa drei Dutzend deutschen Unternehmen, die Mitglied der Anti-Korruptions-Organisation Transparency International (TI) sind. Am Helios-Verhaltenskodex haben TI-Experten mitgearbeitet.

Abhängige Mediziner

Schon Helios-Gründer Lutz Helmig, der selbst als Chirurg arbeitete, hatte stets Wert darauf gelegt, dass das Patientenwohl im Vordergrund steht – und nicht die Interessen der Industrie. Unter Helmigs Ägide entsteht der Verhaltenskodex gegenüber der Pharmaindustrie. Zudem führte Helios als eine der ersten Klinikgruppen Qualitätsberichte ein. 2005 verkaufte Helmig an Fresenius.

Seit Anfang 2008 leitet der 46-jährige Jurist de Meo die Klinikbetriebe. Er hat es vom Gastarbeiterkind – der Vater war Italiener, die Mutter Deutsche – bis nach oben geschafft. Zum Gespräch hat er in ein italienisches Restaurant gebeten und kommt mit der Vespa.

Bei Tomaten mit Mozzarella wundert er sich über die Charité. Das Berliner Universitätsklinikum hat vor einigen Wochen einen Kooperationsvertrag mit dem Pharmakonzern Sanofi-Aventis abgeschlossen, um gemeinsam neue Medikamente und Therapien zu entwickeln. Eine solch enge Bindung an einen Pharmakonzern sei bei Helios unmöglich, sagt de Meo.

Helios unterhält ein eigenes Zentrum, um – unabhängig von der Pharmaindustrie – Medikamenten-Studien zu koordinieren. Insgesamt zehn Millionen Euro standen 2009 für die firmenunabhängige Weiterbildung der Ärzte im Budget.

Pharmareferenten sind in den Helios-Kliniken geächtet. Den Pilleneinkauf hat Helios, wie einige andere Kliniken auch, zentral organisiert. Über die Bestellung entscheiden nicht einzelne Chefärzte, die womöglich mit Pharmareferenten kungeln, sondern mehrere Ärzte-Fachgruppen, die sich zweimal im Jahr treffen und dann darüber diskutieren, welche Präparate sinnvoll sind. Hier – und nur hier – darf sich dann auch die Pharmaindustrie einbringen. „In den Fachgruppen kontrollieren sich die Chefärzte gegenseitig“, beteuert de Meo.

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