Hidden Champions Die Weltmarktführer im Mittelstand

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Hans Georg Näder, Otto Bock Health Care GmbH Quelle: PR

Nicht nur Herrenknechts Giganten genießen Kultstatus. Auch anderen Hidden Champions ist es gelungen, ihre Produkte mit einem Nimbus zu umgeben. So haben die Putzmaschinen des schwäbischen Familienunternehmens Kärcher die französische Sprache bereichert, nachdem Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy ankündigte, die Pariser Vorstädte zu "kärchern", um gewalttätige Banden wegzufegen. Und die Bilder der Betonpumpen des schwäbischen Maschinenbauers Putzmeister gingen um die Welt, als sie den Brennstäben im havarierten Abklingbecken des Unglücksreaktors im japanischen Fukushima Kühlung verschafften.

Besonders spektakulär ist die Metamorphose von der Bieder- zur Glamourmarke dem Chef und Gesellschafter von Otto Bock, Hans Georg Näder, gelungen. Das Familienunternehmen aus dem niedersächsischen Duderstadt landete im WirtschaftsWoche-Markenranking auf dem fünften Platz. Otto Bock baut Prothesen für Behinderte, rund die Hälfte aller hochwertigen Prothesen weltweit stammt von hier. Eigentlich ein wenig begeisterndes Produkt – doch Eigentümer Näder hat das Bild seines Unternehmens und damit der Marke in den vergangenen 20 Jahren vollkommen gedreht.

Näder holt seine Produkte aus der Tabuecke

Statt Sieche auf Krankenhausfluren zeigt Näder durchtrainierten Wettkämpfer der Paralympics in Peking in seinen Prospekten oder auf der Internet-Seite. Und statt rosa glänzender Holzbeine stellt der Mittelständler Beinprothesen aus poliertem Metall und Verbundstoffen mit viel Technik in den Vordergrund.

Einer der Markenbotschafter der 4400-Mitarbeiter-Firma ist der 1000-Kilometer-Marschierer Roland Zahn. Soeben hat der 74-Jährige seine Deutschland-Durchquerung von Leipzig bis Tübingen hinter sich gebracht. Auf seinen Wanderungen wurde er von Schulklassen, Politikern und der Presse begleitet. Zahn marschierte in kurzen Hosen. Seine mikrochip-gesteuerte Beinprothese, eine Neuentwicklung von Otto Bock, war immer zu sehen. Seine Botschaft an seine fast meist nicht behinderten Mitwanderer: "Bewegt euch!"

Typisch für Näders Markenpolitik: Der begeisterte Hochseesegler errichtete mitten in Berlin ein sogenanntes Science Center, um über Mobilität für Behinderte zu informieren. Der futuristische Kubus am Potsdamer Platz umfasst mehrere Etagen. Die Besucher erfahren viel über Technik und die Leistungsfähigkeit elektronisch unterstützter Ersatzgliedmaßen. Erst am Ende des Rundgangs erscheint die Marke Otto Bock.

Näder weiß, dass seine Kunden oft unter ihrem Schicksal leiden. Mit der Positionierung als Mobilitäts- und Sportmarke holt er seine Produkte aus der Tabuecke. "Klar, unsere Marke steht für ein besonderes Produkt", sagt Näder, "aber sie steht vor allem für Technik, Aktivität und Kraft."

Künstliche Gliedmaßen werden zu Designobjekten

Näder, dessen Großvater das Unternehmen nach Kriegsende 1919 gegründet hatte, machte künstliche Gliedmaßen zu Designobjekten. Über 100 Preise hat er bisher gewonnen – bei Wettbewerben, auf denen auch Designer von Porsche, Grohe oder Apple ihre Entwürfe einreichten.

Der Markenauftritt ist für Otto-Bock trotz des von Krankenkassen reglementierten Marktes einer der Treiber beim Umsatz. "Die Marke ist gegliedert wie Volkswagen", sagt Näder. "Da gibt es Einsteigermodelle wie den Polo, aber auch den Audi 8 oder den Bentley." Ein guter Teil des Umsatzwachstums komme daher, dass Behinderte zunehmend bereit sind, für leistungsfähigere Prothesen mehr aus eigener Tasche zu bezahlen.

Wer sich der Schwarzwaldstadt Hornberg nähert, kann sie nicht übersehen, die zwölf Meter hohe Kloschüssel. Eingelassen in einer gigantischen Aussparung des Duravit-Designcenters am Ortseingang, gehört der Toilettengigant heute zu den Wahrzeichen der Region.

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