Hilfe aus dem Westen Chinas Sportmarke Li Ning strebt auf Weltmärkte

Chinas größte Sportmarke Li Ning strebt mithilfe von Marken-spezialisten aus dem Westen und dem riesigen Heimatmarkt im Rücken auf die Weltmärkte.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Eine Werbeaktion deer Quelle: REUTERS

Wer von Pekings fünftem Autobahnring in Höhe des Stadtteils Tangzhou Richtung Osten abbiegt, erreicht schnell eine holprige Schlaglochpiste. Gut zwei Kilometer führt die schmale Straße vorbei an ausgedörrten Feldern und verwitterten Häusern. Dazwischen bieten ein paar Straßenverkäufer an kleinen Ständen Zigaretten, Tee und gefüllte Teigtaschen an. Wenig deutet darauf hin, dass in dieser Einöde, fernab vom Lärm und der Hektik der chinesischen Hauptstadt, einer der erfolgreichsten Konzerne Chinas seine Zentrale hat – der Sportartikelhersteller Li Ning.

Dunkelgraue Granitbauten umschließen einen blitzsauberen Campus. Quer über das Gelände zieht sich eine vierspurige Tartanbahn, auf der anderen Seite des Haupteingangs liegt ein Fußballfeld. „We are a star“, verkündet eine riesige rote Tafel an einem der Gebäude: Hier tüfteln Li Nings Entwickler an neuen Technologien für Basketball- und Laufschuhe, entwerfen Designer-T-Shirts und -Jacken – und schmiedet die Konzernspitze Pläne für die Schlacht gegen die mächtigen internationalen Konkurrenten Adidas und Nike.

Zu den Olympischen Spielen in Peking findet diese Schlacht auf den Tartanbahnen, in den Sprunggruben, den Schwimm- und Handballhallen der chinesischen Hauptstadt statt. Olympia ist der Laufsteg für Athleten – und zahllose Konzerne und Markenartikler. Nicht nur westliche Hersteller nutzen das Ereignis als Werbebühne, auch Chinas Konzerne liegen auf der Lauer, um das Heimspiel für ihren weltweiten Auftritt zu nutzen – wie Li Ning.

Noch läuft die Marke Nike und Adidas hinterher, die beiden Riesen spielen in einer anderen Liga: Adidas machte zuletzt fast elf Milliarden Euro Umsatz, Nike kam auf gut 11,9 Milliarden – Li Ning gerade mal auf 430 Millionen. Außerhalb Chinas spielen Schuhe und Sportkleidung von Li Ning bislang keine Rolle: Nur ein Prozent seines Umsatzes erzielte das Unternehmen 2007 im Ausland, in Deutschland sind die Artikel gar nicht zu haben.

Li Ning will ein Fünftel des Umsatzes im Ausland erzielen

Trotzdem haben die Chinesen ambitionierte Ziele: „Bis 2018, wenn unser dritter Fünfjahresplan endet“, sagt Guo Jianxin, geschäftsführender Vorstand von Li Ning, „wollen wir zu den fünf größten Sportartikelherstellern der Welt gehören.“ Ein Fünftel des Umsatzes will der Konzern dann im Ausland erzielen. Mit einer in China bewährten Methode: Li Ning kopiert die Rezepte der westlichen Konkurrenz. Das Li-Ning-Logo erinnert frappierend an den Nike-Swoosh. Und der Werbe-Slogan „Anything is possible“ klingt nicht von ungefähr so ähnlich wie Adidas’ Holper-Zeile „Impossible is Nothing“. Gleichzeitig gaukelt Li Ning durch Sponsorverträge etwa mit dem alternden US-Basketballstar Shaquille O’Neal oder Schwedens Olympia-Truppe den Käufern im Reich der Mitte vor, auch im Westen schon eine Nummer zu sein.

Das klappt bisher ganz gut: Auf dem Heimatmarkt kommt der an der Hongkonger Börse gelistete Konzern auf fast elf Prozent Marktanteil – Adidas und Nike liegen mit je 11,6 Prozent nur knapp davor. Darauf kann die Marke bauen, denn der chinesische Markt wächst rasend schell.

Li Ning wächst mit. Der Umsatz stieg in den vergangenen sieben Jahren jeweils um rund 35 Prozent, der Gewinn vor Steuern im vergangenen Jahr sogar um fast 60 Prozent. Profitiert hat das Unternehmen vor allem von den rasch steigenden Einkommen: Das durchschnittliche Haushaltseinkommen in Chinas Städten hat sich zwischen 2001 und 2006 auf gut 2000 Euro im Jahr verdoppelt. Mit dem Wohlstand steigen auch die Ausgaben für Sportartikel. Die Umsätze der Branche wachsen jedes Jahr um durchschnittlich 20 Prozent – deutlich stärker als die Einzelhandelsumsätze insgesamt. Schon in zwei Jahren werden voraussichtlich mehr als 500 Millionen Chinesen Sport treiben. Von denen kennen viele Li Ning noch als Athleten: Der heute 45-jährige Unternehmensgründer hatte bei den Olympischen Spielen in Los Angeles 1984 sechs Medaillen gewonnen, darunter Gold im Bodenturnen, am Seitpferd und an den Ringen.

In China war Li ein Held. 1989 zog er sich aus dem aktiven Sport zurück und statt Trainer zu werden, gründete er 1990 ein Unternehmen für Sportschuhe und Kleidung. Und das unter seinem eigenen Namen – ein Tabubruch in der chinesischen Gesellschaft, in der eigentlich der Ruhm des Athleten hinter dem der Nation zurückzustehen hat.

Trotz Lis Popularität entwickelte sich das Geschäft zunächst nur schleppend. 2001 kam eine Markenanalyse zu einem vernichtenden Urteil: Die Zielgruppe sei unklar, die Marke gerate in Vergessenheit. Noch im selben Jahr baute Li Ning ein internationales Team auf, das ein Markenmanagement nach westlichen Maßstäben entwickeln sollte. Fachleute von Nike, Procter & Gamble, Avon und Dupont wurden engagiert, sie sorgten dafür, dass sich Li Ning stärker auf Studenten und Schüler konzentrierte, Basketballturniere an Universitäten organisierte und in großem Stil den Campussport sponsert.

US-Basketballspieler Shaquille Quelle: REUTERS

Inzwischen hat sich der Gründer aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, der Konzern wird von Vorstandschef Zhang Zhiyong gelenkt. Der 39-Jährige führt eine junge Truppe, das Durchschnittsalter der 1000 Mitarbeiter in der Pekinger Zentrale liegt bei 29 Jahren, viele seiner Manager haben im Ausland studiert, in zahlreichen Teams arbeiten Amerikaner und Europäer. Vom Mief chinesischer Staatskonzerne ist hier nichts zu spüren.

Genau wie Nike und Adidas produziert Li Ning nicht selbst, Turnschuhe und Sportkleidung fertigen mehr als 100 Vertragspartnern. Dazu gehört auch Yue Yuen, der weltgrößte Schuhhersteller mit Hauptsitz in Taiwan. Weit mehr als 10.000 Arbeiter nähen bei Yue Yuen in Südchina im Auftrag der großen Sportmarken Schuhe. Viele der Fabriken sind schmutzige Sweatshops, in denen Arbeiter bis zu 16 Stunden täglich für einen Hungerlohn schuften.

Das ändere sich zwar allmählich, sagt David Shih von China Labor Watch in New York, die Missstände in vielen Fabriken seien aber nicht zu übersehen. „Es hängt immer vom Management des jeweiligen Werkes, den Kunden und der Saison ab.“ Generell gelte, dass Adidas, Puma und Nike eher als andere bereit seien, Konsequenzen zu ziehen. Chinesische Marken wie Li Ning gelten in dem Punkt als weniger zimperlich. „Während der Hochsaison im Sommer, wenn die Fabriken für die Weihnachtssaison produzieren, kommt es immer noch zu Verstößen“, berichtet der Lieferant eines Sportschuhherstellers in der Nähe von Dongguan, dem Weltzentrum der Schuhproduktion im Süden Chinas.

Li Ning steht unter großem Kostendruck

Eine der Ursachen: Li Ning dürfte unter noch größerem Kostendruck stehen als Nike, Puma oder Adidas: Die konzentrieren sich vor allem auf die wohlhabendere Kundschaft, Li Ning auf die mittleren Einkommen. Ein Nike-Laufschuh kostet in China etwa 80 Euro, das Li-Ning-Pendant nur 30 bis 50 Euro. Langfristig planen die Chinesen auch den Einstieg ins Hochpreissegment.

Rund vier Prozent vom Umsatz investiert das Unternehmen in die Forschung. In Peking, Hongkong und Guangzhou betreiben die Chinesen Entwicklungszentren. Im vergangenen Jahr kam ein weiteres hinzu – in Portland im US-Bundesstaat Oregon, gleichsam vor der Haustür des Vorbildes Nike. Längst werben die Chinesen Designer von der Konkurrenz ab.

Sie haben auch kapiert, dass das Geschäft mit Sportschuhen marketinggetrieben ist – und darum auf einen nie versiegenden Zufluss technischer Gimmicks angewiesen ist. Li Ning kombiniert dabei die neuesten Entwicklungen – etwa den Chip im Schuh – mit chinesischer Tradition: Ein Treter soll nach den gleichen Prinzipien gestaltet sein wie die 1350 Jahre alte Brücke Zhao Zhou, der Basketballschuh „Flying Armor“ ist einer alten chinesischen Rüstung nachempfunden.

Ob solche Konzepte auch auf dem europäischen Markt funktionieren? Der große Angriff gegen die Weltkonkurrenz steht noch aus. Und selbst in der Heimat muss Li Ning gelegentlich harte Treffer einstecken: Als das Organisationskomitee für die Olympischen Spiele über die lokalen Sponsorenverträge entschied, stieg Li Ning aus dem Bieterverfahren aus und überließ Adidas das Feld. Fast 100 Millionen Dollar, heißt es, lässt Adidas sich sein Olympia-Engagement kosten. „Wir haben es versucht“, sagt Vorstand Guo, „aber es war uns am Ende einfach zu teuer.“

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%