
Man glaubt es kaum: Die Milliardärin Maria-Elisabeth Schaeffler mit wie immer perfekt gestylter blonder Dauerwelle fährt – Lastwagen. Das seltene Schauspiel konnten die verblüfften Mitarbeiter der Regensburger Continental-Fabrik beobachten, als die neue Konzernchefin zum Werksbesuch kam. Die Unternehmerin aus Herzogenaurach kann auch ganz anders auftreten, als ihr gelegentlich provozierendes Äußeres vermuten lässt. Zum Beispiel wenn sie die Azubis ihrer fränkischen Fabriken ins römisch-germanische Nationalmuseum begleitet, weil sie davon überzeugt ist, dass auch angehenden Fräsern Hochkultur nahegebracht werden sollte.
Ende April im Congress Centrum Hannover auf der Hauptversammlung von Continental dann das totale Kontrastprogramm: Dort zeigte sich Maria-Elisabeth Schaeffler als knallharte Unternehmerin: im demonstrativ maskulinen Outfit – mit dunklem Zweireiher mit großen Revers, weißem Hemd, pink-violett-gemusterter Krawatte und passendem Einstecktuch. Schaeffler, diesmal ganz oben, Herrscherin eines gewaltigen industriellen Imperiums, Respekt einfordernd.
Was bei anderen Menschen Privatsache wäre, gerät bei „MES“, wie die Patriarchin firmenintern meist genannt wird, zum optischen Symbol für den Kampf um Erfolg in einer der erbittertsten Übernahmeschlachten der Bundesrepublik: Im Sturm der Finanzkrise ist der durch die Übernahme hoch verschuldete Konzern nur knapp am Schiffbruch vorbeigeschrammt. Jetzt geht es um die eigentliche Bewährungsprobe: die konkrete Verschmelzung der beiden Unternehmen zu einem der weltgrößten Automobilzulieferer.
Zu einem Konzern, der schnell genug wächst und gleichzeitig Geld aus Synergien zieht, um die angehäuften Schulden bedienen zu können. „Die industrielle Logik der Übernahme ist stimmig, das Synergiepotenzial groß – aber die Integration dauert viel zu lange“, moniert der Automobilexperte einer großen internationalen Unternehmensberatung. „Das gefährdet den Erfolg der Aktion.“
Die Schaefflerin, wie sie in Herzogenaurach heißt, kämpft dabei mit ihren ganz eigenen und bewährten Mitteln: Sie will ihren Mitarbeitern menschlich näher kommen, als gute Patronin Sicherheit und Geborgenheit vermitteln. In ihren fränkischen Stammwerken kennt sie die Werksmeister noch mit Namen, und auch die gehen unkompliziert mit ihr um.
Doch ihr Verständnis von unternehmerischer Stabilität und langfristiger Kontinuität eines Familienunternehmens steht in einem auffälligen Kontrast zum Portfolio-Management eines börsennotierten Unternehmens wie Continental mit seiner Top-oder-hopp-Mentalität. Dem dortigen Management will sie darum klar signalisieren, wer der neue Chef im Haus ist, um dem immer wieder aufflackernden Widerstand in der komplexen Conti-Welt den Boden zu entziehen.
Dabei prallen Universen aufeinander. Hier Schaeffler, ein straff und fokussiert geführtes Familienunternehmen mit engem Produktportfolio und an allen 180 Standorten weltweit genormten und einheitlichen Steuerungs- und Produktionsprozessen. Dort Conti, ein verschachtelter Konzern, in dem Manager Privatfehden um Produkte und Investitionsmittel austragen und bei dem High-Tech-Standorte neben heruntergekommenen industriellen Bruchbuden stehen.