Hubertus von Grünberg Der weiße Hai unter Deutschlands Managern

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Noch immer müssen sich die Gewerkschaften mit Grünberg herumschlagen. Er trat zwar 1999 überraschend vom CEO-Posten zurück – übernahm aber gleichzeitig den Vorsitz des Aufsichtsrates. Von dort zieht der Netzwerker eifrig weiter die Strippen und gilt als das eigentliche Machtzentrum des Konzerns, wie Insider berichten. Stephan Kessel, Grünbergs direkter Nachfolger als Vorstandschef und sein früherer Zögling, hielt sich nur zweieinhalb Jahre im Amt. Die Chemie habe bald nicht mehr gestimmt, Grünberg habe sich über diverse Fehler Kessels geärgert, beim Umbau des Vertriebs oder beim geplanten Verkauf der Sparte Contitech. Kessel verzog sich schließlich zum Private-Equity-Haus Investcorp.

Grünbergs Umgang mit eigenen Leuten war radikal. „Ich habe mal jemanden, der mir ein Problem vorschnell als unlösbar deklarierte und eine Hürde nicht zur Seite schob, auf Geschäftsreise geschickt“, sagt er. „Die dauerte ziemlich lange, und schließlich fiel niemandem auf, dass der Mann gar nicht wiederkam.“ Lösungswillen, „Eigengetriebenheit“ verlange er von seinen Teams. „Wenn ich siege, müsst IHR es auch.“ Wenn es ums Geschäft geht, „gibt es für mich keine Unmöglichkeit“.

Der aktuelle Vorstandschef, Manfred Wennemer, muss sich dagegen keine Sorgen machen – er hätte zwar die Statur, Widerstand zu leisten, aber gar keinen Anlass. Grünberg und Wennemer, sagt ein Kenner, „liegen auf derselben Linie“. Auch Philipp Schoel-ler, Partner der Private-Equity-Firma General Capital Group (GCG), folgt dieser Devise. Die beiden wurden von Carl H. Hahn zusammengebracht, VW-Chef in den Achtzigerjahren, Freund Grünbergs und ebenfalls für GCG tätig. Grünberg unterschrieb im Sommer 2005 einen Beratervertrag bei GCG und wirkte bei Projekten mit.

Spätestens 2006 begann sich Schoeller für die Übernahme von Conti zu interessieren, das unterbewertet schien und eine volle Kasse hatte. Er organisierte ein Konsortium von Investoren, darunter Bain Capital, Permira und Goldman Sachs – es lockte das Prestige, einen Dax-Konzern zu entern. Anfang Juni 2006, sagt Grünberg, habe er Wind von den Plänen bekommen.

Am 19. Juni kündigte er seinen Vertrag mit GCG. In der Öffentlichkeit blieb ein Fleck auf seiner Weste, weil es nach einem unschönen Interessenkonflikt aussah. Allerdings sprach ihn ein Rechtsgutachten frei, und es gab Kollegen, die ihn wegen der Kündigung kritisierten – laut Schätzungen dürfte jedes zweite deutsche Aufsichtsratsmitglied solche Beratungsmandate haben. Grünberg will jedenfalls „nie wieder Private-Equity-Mandate annehmen, solange ich in Aufsichtsräten sitze“.

Dass Grünberg überhaupt bei ABB landete, scheint auf den ersten Blick überraschend. Der „Retter der ABB“ („Neue Zürcher Zeitung“) Jürgen Dormann selbst war es, der ihn als seinen Nachfolger im Verwaltungsrat ins Spiel brachte. Obwohl sich die beiden nur flüchtig kannten, nie zusammengearbeitet hatten.

Und obwohl Dormann bewusst war, dass es Widerstände auslösen könnte, wenn er, der Deutsche, wieder einen Deutschen an die Spitze der ABB hieven wollte. Überraschend aber auch deshalb, weil das Temperament der beiden unterschiedlicher kaum sein könnte: hier Dormann, der zurückhaltende Präsidialmanager alter Schule, der Mitarbeiter zu sich bitten lässt, in Sitzungen bedächtig und leise spricht, dem bewusst ist, dass sowieso alle angestrengt lauschen. Wenn Dormann unzufrieden war, berichtet ein ABB-Manager, „wurde es eisig im Raum“.

Auf der anderen Seite Grünberg, ein lebhafter Schnellsprecher und amüsanter Erzähler, der sich in zahllosen Details und Umwegen ergehen kann und am Ende doch eine Punktlandung vollbringt. Der gern mit den Konzernforschern diskutiert und dabei „vor Ideen sprüht“, wie es heißt. Gespräche erledigt er auch schnell mal auf dem Flur, außerdem kommuniziert er gern elektronisch. ABB-Leute berichten von E-Mails mit Eingangszeit 2.59 Uhr früh – seine Arbeitszeiten nähern sich wieder dem Tagesablauf eines Wissenschaftlers.

Grünberg wird Entwicklungsabteilung und Konzernleitung unter Dampf halten. Er will Themen setzen und definieren: Als Zukunftsthema für den Infrastrukturanbieter ABB, der schon jetzt vom langfristigen Wachstum der Entwicklungsländer profitiert, sieht er den Kampf gegen die globale Erwärmung. Energiesparen und Wasseraufbereitung sind weitere Megathemen. Falls Vorstandschef Fred Kindle gehofft hat, nach Dormann bekomme er einen steuerbaren Präsidenten, hat er sich getäuscht.

Ab und an, hört man bei ABB, wird es zwischen den beiden auch mal laut. Aber dann „besinnen wir uns auf die Sache“, sagt Grünberg. „Meistens sind wir inhaltlich gar nicht weit auseinander. Wir denken in die gleiche Richtung.“

Dormanns Erbe brav zu verwalten, obwohl ABB auf allen Zylindern läuft, genügt Hubertus von Grünberg nicht. Er will beweisen, dass er nicht nur sanieren, sondern einen gut aufgestellten Konzern besser machen kann. Dormann, ist er sicher, „erwartet das von mir – er suchte jemanden, der mit dem Erreichten nicht zufrieden ist“.

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