++ Dieselgipfel im Newsblog ++ Grüne fordern Pflicht-Rückrufe für Dieselautos

Bei dem Spitzentreffen von Bund, Ländern und der Autobranche geht es um die Zukunft des Diesel. Wie lässt sich die Schadstoffbelastung in Städten senken? Welche Weichen stellen Politik und Wirtschaft? Der Tag im Newsblog.

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Greenpeace-Aktivisten entrollen ihr Transparent am Bundesverkehrsministerium. Quelle: dpa

Wie werden Diesel in Deutschland so sauber, dass es keine Fahrverbote geben muss? Das ist die Frage beim Dieselgipfel in Berlin. Konkret geht es um Nachbesserungen bei der Abgasreinigung von Millionen Diesel-Autos in Deutschland und die Förderung eines abgasarmen Verkehrs in den Städten. Vertreter von Bund, Ländern und der Autobranche treffen sich dazu ab 11.30 Uhr im Verkehrsministerium. Wir berichten über die Ereignisse des Tages im Newsblog.

+++ Grüne fordern „Blaue Plakette“ +++

Die Grünen haben verpflichtende Rückrufe für Dieselautos gefordert. „Wir brauchen Verbindlichkeit“, sagte Parteichef Cem Özdemir am Mittwoch vor dem Bundesverkehrsministerium, wo um 11.30 Uhr der Dieselgipfel beginnt. „Der Rückruf muss verbindlich erfolgen. Freiwillige Zusagen reichen nach diesen Skandalen, nach diesem immensen Glaubwürdigkeitsverlust der Automobilindustrie, nicht mehr aus.“ Sollten die Umrüstungen die Funktion der Autos irgendwie einschränken, müssten die Besitzer angemessen entschädigt werden. Um eine Chance für bundesweit einheitliche Regelungen für Fahrbeschränkungen zu haben, müsse auch die „Blaue Plakette“ für saubere Diesel ein Ergebnis des Spitzentreffens sein.

+++ Greenpeace empfängt Gipfelteilnehmer mit Plakat +++

+++ Rückruf von Millionen Autos +++

Beim Gipfeltreffen wird die Autoindustrie voraussichtlich den größten gemeinschaftlichen Autorückruf in der Geschichte der deutschen Automobilindustrie beschließen. Um die Stickoxid-Belastung zu reduzieren, werden sich die großen Autohersteller nach Angaben aus informierten Kreisen verpflichten, mehrere Millionen Dieselautos, die auf deutschen Straßen unterwegs sind, mit einer neuen Software aufzurüsten.

+++ Umweltbundesamt: Grenzwerte in vielen Städten überschritten +++

Das Umweltbundesamt (UBA) geht davon aus, dass Diesel-Autos die Luft in vielen deutschen Städten auch in diesem Jahr stark belasten. Im vergangenen Jahr seien in mehr als 80 Orten EU-Grenzwerte für gesundheitsschädliche Stickstoffdioxide überschritten worden, sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Aus den bisherigen Messergebnissen lasse sich bereits jetzt schließen, „dass die Stickstoffdioxid-Belastung in 2017 ähnlich hoch wie im letzten Jahr sein wird.“ Hauptursache für die schlechte Atemluft in den Städten seien eindeutig Diesel-Autos.

+++ Länder und Kommunen erwarten Zugeständnisse der Autokonzerne +++

„Der politische Druck ist so enorm, dass die deutsche Autoindustrie mehr zu verlieren hat als ein paar Diesel-Autos“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. Es gehe letztlich um den Wirtschaftsstandort Deutschland. „Deswegen wird die Industrie weiter gehen, als sie bislang gesagt hat.“ Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin und Bundesratspräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte, man werde die Auto-Industrie „in die Pflicht nehmen“. Sie erwartet ein Sofortprogramm der Hersteller.

+++ Wie viel Umrüstung ist nötig? +++

Streit gab es bis zuletzt um die Frage, ob zusätzlich auch Bauteile am Motor selbst nachgerüstet werden müssen, um den Stickoxid-Ausstoß der Fahrzeuge zu senken und drohende Fahrverbote in Städten zu verhindern. Die Autobranche hat nach Handelsblatt-Informationen bisher nur günstigere und einfachere Updates der Computersteuerung angeboten.

+++ Verkehrsminister: Kosten muss Industrie tragen +++

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt sagte der „Passauer Neuen Presse“ vor dem Treffen, Ziel sei es, Ökologie und Mobilität näher zusammen zu bringen und eine Perspektive für die Mobilität der Zukunft zu geben. „Dazu muss die Industrie die Umrüstung von Euro-5- und Euro-6-Fahrzeugen umsetzen.“ Zudem erwarte er ein „akzeptables Angebot der Automobilindustrie“ zur Senkung der Schadstoffbelastung in deutschen Städten. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten „auch die älteren Fahrzeuge einen Beitrag leisten“, erklärte der Minister. „Völlig klar ist: Die Kosten von Umrüstungen muss die Industrie tragen. Den Kunden dürfen keine Extrakosten entstehen.“

+++ Handelsblatt liegt Entwurf der Abschlusserklärung vor +++

Bund und Länder fordern von der Automobilindustrie, bis Ende 2018 ausreichend Fahrzeuge umzurüsten, um die Belastung mit Feinstaub und vor allem Stickoxid (NOx) in den deutschen Städten deutlich zu senken und so Fahrverbote zu vermeiden. Dies geht aus dem Entwurf der Abschlusserklärung zum morgigen Diesel-Gipfel hervor, der dem Handelsblatt vorliegt. Das sind die Kernpunkte:

  • Sofortprogramm:

    Gefordert wird „ein rasches, umfassendes und belastbar wirksames Sofortprogramm zur Minderung der NOx-Belastung von im Verkehr befindlichen Dieselfahrzeugen sowie erhebliche technologische Anstrengungen zur Verbesserung der Dieseltechnologie“.
  • Keine staatliche Kaufprämie:

    Die Hersteller sollen selbst „mit eigenfinanzierten wettbewerblichen Maßnahmen (z.B. Umstiegsprämien)“ Anreize setzen, damit Autofahrer von Euro5- auf Euro 6-Fahrzeuge umsteigen. Von einer steuerlichen Förderung über die KFZ-Steuer, wie sie die Ministerpräsidenten Horst Seehofer (Bayern) und Stephan Weil (Niedersachsen) gefordert hatten, ist nicht mehr die Rede. Stattdessen sollen die Hersteller erklären, dass bei neu zugelassenen Euro6-Fahrzeugen auch im Fahrbetrieb „eine technisch optimale Funktion des SCR-Katalysators gewährleistet ist“.
  • Software-Update:

    Die Hersteller selbst sind bereit, rund sieben Millionen Dieselfahrzeuge mit einem Software-Update zu optimieren und so den Ausstoß von NOx um ein Viertel zu senken, wie das Handelsblatt aus Branchenkreisen erfuhr. Dies wäre deutlich mehr als durch das Instrument von Fahrverboten erwartet wird. Die Kosten für die Umrüstung sollen die Hersteller laut Abschlusserklärung selbst tragen. Dazu, so heißt es in der Branche, seien sie bereit.
  • Fonds für weniger Schadstoffe:

    Darüber hinaus sollen die Autobauer sich an einem Fonds beteiligen, aus dem der Bund „nachhaltige Mobilität für die Stadt“ schaffen will. Dabei ist die Rede von Digitalisierung und Vernetzung von Verkehr. Er soll eine halbe Milliarde Euro umfassen. Über die Höhe wird noch gestritten, vor allem um die Höhe der Beteiligung der Unternehmen.

+++ Grünen-Kritik an Entwurf +++

Die Grünen kritisierten die Pläne von Bund und Ländern als zu lasch. „Verbindliche Verpflichtungen der Autoindustrie zur Umrüstung finden sich genauso wenig wie wirksame Kontrollen“, sagte Bundestags-Fraktionsvize Oliver Krischer. „So wird kein Fahrverbot verhindert und kein ernsthafter Schritt in die elektromobile Zukunft gemacht.“

+++ Juncker sieht Imageschaden für deutsche Industrie +++

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hat Deutschland wegen des Abgas-Skandals vor einem Imageschaden gewarnt. Durch das Fehlverhalten weniger habe Deutschland bereits einen Ansehensverlust erlitten, sagte er dem ARD-Europastudio Brüssel. Mit Blick auf den Diesel-Gipfel rät Junker der deutschen Regierung, dieses Thema offensiv anzugehen: „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich dieser Schatten, der jetzt über der Automobilbranche liegt, auch auf andere Branchen übertragen könnte.“

+++ Vertrauen ist erschüttert +++

Einer YouGov-Umfrage zufolge hat die Abgasaffäre das Vertrauen in die Autoindustrie bei 41 Prozent der Deutschen ins Wanken gebracht – unabhängig davon, ob sie Diesel-Fahrer sind. Jeder fünfte Diesel-Besitzer hat demnach darüber nachgedacht, sein Auto zu verkaufen – und zwei von fünf Diesel-Fahrern würden künftig keinen Diesel mehr kaufen. Das wird auch auf dem Gebrauchtwagenmarkt zunehmend zum Problem. Derzeit ist rund jedes dritte in Deutschland gemeldete Auto ein Diesel.

+++ Die Teilnehmer +++

Gastgeber des Treffens sind Alexander Dobrindt (CSU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Zum Gipfel eingeladen sind die Chefs von Volkswagen, Porsche, Audi, Daimler, BMW sowie von Opel und Ford in Deutschland. Erwartet werden zudem die Ministerpräsidenten der „Autoländer“ Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland sowie die Stadtstaaten Hamburg und Berlin. Diese sind stark von hohem Ausstoß an Stickoxid (NOx) betroffen.

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