Vorzeige-Jet 787 „Dreamliner“ Überraschung bei Boeings Wundervogel

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Schnittige Economy Class

Wenn der Jet zum Walfisch wird
Condor und Tigerente Quelle: Sebastian Dahmer
Boeing 737 mit Adler Quelle: Pressebild
Der Sunshine-State-Flieger Quelle: Pressebild
Der Wal am Himmel Quelle: Pressebild
Die patriotische Idee Quelle: Pressebild
Der Wunsch-Flieger Quelle: Pressebild
Das Zeichen für die Rugby-Stars Quelle: Pressebild

Aber als erstes kommt der tolle Eingangsbereich. Er vermittelt ein tolles Raumgefühl, weil er dank ein paar optischer Tricks vorgaukelt, die Kabine wäre nicht bloß drei, sondern fast zehn Meter hoch. So zumindest war es Ausstattungszentrum von Boeing bei Seattle im Nordwesten der USA. „In die 787 kommen sie nicht in die Küche, sondern quasi wie in einen Vorraum zum Wohnzimmer“, hatte mir bei einem meiner Besuche Mike Bair, der damalige Programmchef der 787, versprochen.

Hier bei ANA fällt der Effekt leider aus. Es gibt zwar das Atrium mit dem Augentäuscher. Nur leider stehen darunter wie gewohnt die Toiletten und die Küche mit ihren Schränken und Öfen. Und ernüchternd geht es weiter. In der Kabine sind keine neuen futuristischen Schlafsessel wie in jenem Showroom in Seattle, wo Boeing seinen Kunden die Einrichtungsmöglichkeiten präsentiert. Es ist die gewohnte Business Class der ANA. Nur die Economy wirkt etwas schnittiger mit den großen Bildschirmen und den leicht geneigten Sitzrahmen.

Doch wer genau hinsieht, erkennt dann doch die erste Verbesserung zu anderen Flugzeugen. Weil die 787 etwas schmaler ist andere Langstreckenmaschinen, stehen statt der üblichen Minisitzgruppen mit zwei oder drei Sesseln nebeneinander hier in keiner Reihe mehr als vier Fauteuils. Damit genießen nun auch Business-Passagiere etwas was bei Lufthansa nur First-Class-Kunden bekommen: Jeder Sitz hat einen direkten Zugang zum Gang und wer sich im Flug die Beine vertreten will oder nachts mal raus muss, braucht nicht über den Sitznachbarn zu klettern. Und wer mit etwas Glück eine Reihe mit einer geraden Nummer erwischt, bekommt gar eine Art Thron mit breiten Ablagen auf beiden Seiten.

Für Leute, die vertraulich arbeiten oder ungestört schlafen wollen, ist das wunderbar. Doch die Familie mit den zwei kleinen Kindern vor mir hat mit dem Design so ihre Last. Als eines der Kinder etwas wünscht und das – wie es bei Vorschülern schon mal vorkommt – bitte sofort, dann wird es schwierig. Weil Papa kurz vor dem Start seinen Platz nicht verlassen darf, muss er nun dem kleinen Mädchen aus der Ferne das Filmprogramm wechseln, doch so sehr er sich auch streckt und die Fernbedienung aus dem Sitz zieht, er schafft es – zum Unmut des Nachwuchses – erst nach mehrere Versuchen.

Singende Turbinen

So hat der Vater keine Augen für das eindrucksvolle Abschiedsspektakel. Trotz Nieselregen stehen wahrscheinlich gut 100 Leute mit Transparenten am Rand der Rollbahn und winken. Dann endlich der Start. „Der ist etwas lauter als erwartet mit einem typischen Singen der Turbinen“, hat mir kurz vor dem Start noch einer der Ehrengäste erzählt, der bereits um Herbst auf einem der Testflüge dabei war. „Und weil der Kunststoff den Schall nicht so gut isoliert wie Metall, ist es auch im Flug etwas lauter – besonders während des Flugs.“

Doch das ist nun wirklich übertrieben. Natürlich sind die Triebwerke zu hören. Aber letztlich ist es in der Kabine nicht nur genauso leise wie beim Super-Airbus A380 und deutlich leiser als das Singen eines startenden Airbus A320 oder einer Boeing 737 und ganz ohne das manchmal schon etwas unangenehme Schaukeln eines Jumbojets 747 vor dem Abheben. Wer nicht aus dem Fenster sieht, bemerkt das Abheben der Maschine nicht einmal.

Trotzdem sind die Flugbegleiter ein wenig angespannt. „Der Vogel hat trotz der Verspätung noch ein paar Kinderkrankheiten“, erzählte mir im Flughafen einer, der es wissen muss. Zwar hatte Boeing eigentlich genug Zeit für Tests. Pannen bei den Entwürfen, nicht passende Einzelteilen, die erst bei der Endmontage auffielen, weil Boeing so viel Arbeiten außerhalb des Unternehmens vergeben hatte: all das sorgte dafür, dass die Amerikaner am Ende etwas den Überblick verloren. Doch um nicht noch mehr Zeit bis zur Auslieferung zu verlieren, verzichtete man auf ein paar - der im Fachjargon Route Proving - Übungsflüge mit Testpassagieren.

Das haben bereits die Gäste bemerkt, die mit der 787 heute morgen aus Tokio gekommen sind. Die Maschine fuhr nicht direkt bis zum Fluggastgebäude, sondern hielt außerhalb auf dem Vorfeld und ließ sich dann von einem Schlepper des Flughafens ans Terminal bringen. „Die 787 ist praktisch die erste Maschine, die ohne Testflug zu uns gekommen ist“, erzählt ein Fraportmitarbeiter. „Da wollte der Pilot lieber, dass wir die letzten Meter übernehmen, bevor der irgendwo aneckt und der Flieger dann ein paar Tage oder gar Wochen hier rumsteht. Dann hätte der wahrscheinlich für den Rest seines Lebens das Gesicht verloren.“

Und auch wir merken es. So startet das Unterhaltungssystem zwar wie geplant. Doch bereits die Stromversorgung für die USB-Anschlüsse, die iPod-Buchse und die Steckdose startet zögerlich. Im zweiten Manga-Cartoon sitzt das kleine Mädchen in der Reihe vor mir plötzlich vor einem schwarzen Bildschirm. Auch die Stromversorgung ist tot.

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