




Der britisch-schwedische Pharmakonzern AstraZeneca hat ein weiteres Übernahmeangebot seines US-Wettbewerbers Pfizer zurückgewiesen. Die US-Amerikaner, die seit Monaten um die Gunst AstraZenecas werben, hatten zuletzt 69,4 Milliarden Pfund (85,4 Milliarden Euro) geboten. Es wäre die teuerste Übernahme in der britischen Wirtschaftsgeschichte gewesen. Pfizer hatte vor dem finalen Gebot erklärt, man wolle auf den Versuch einer feindlichen Übernahme verzichten. Zuvor waren die Amerikaner bereits mit zwei Geboten von 59 und 63 Milliarden Pfund gescheitert. Viele Firmen der Pharmabranche stehen derzeit wegen auslaufender Patente unter Druck.
Unmittelbar vor Bekanntgabe des Angebots am Sonntagabend hatten zwei Banker gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters die Summe von 55 Pfund je Aktie als "magische Zahl" bezeichnet, die eine Übereinkunft ermöglichen sollte. Pfizer ist vor allem an den vielversprechenden Krebsmitteln von AstraZeneca interessiert und erhofft sich zudem erhebliche Kostensenkungen und Steuervorteile. Sollte der Deal zustande kommen, wäre es die größte Fusion in der Geschichte der Branche sowie die größte Übernahme eines britischen Unternehmens durch einen ausländischen Bieter.
Die AstraZeneca-Aktionäre sollen nun im Falle einer Übernahme 45 Prozent Bargeld erhalten statt bislang 33 Prozent - den Rest will Pfizer mit eigenen Aktien begleichen. Das neue Angebot bedeutet einen beträchtlichen Aufschlag auf den gegenwärtigen Aktienkurs: Die AstraZeneca-Anteilsscheine waren am Freitag an der Londoner Börse mit 48,23 Pfund aus dem Handel gegangen. Vor Bekanntgabe der Fusionspläne Ende April hatten die Papiere noch weniger als 38 Pfund gekostet.
Die Übernahmepläne haben in Großbritannien, Schweden und den USA bei Politikern und Öffentlichkeit die Furcht vor dem Verlust zahlreicher Arbeitsplätze geschürt. Pfizer ist bekannt dafür, nach Übernahmen im großen Stil Stellen zu streichen. Pfizer hat jedoch vor allem in Großbritannien weitreichende Zusagen gemacht, an der umfangreichen Forschung von AstraZeneca festzuhalten.
Pfizer käme derzeit eine große Übernahme im Ausland gelegen, weil der Konzern mehrere zehn Milliarden Dollar in der Kasse hat, die von ausländischen Töchtern verdient wurden. Wenn Pfizer dieses Geld in die USA zurückführt, werden hohe Steuern fällig. Derzeit rollt eine Fusionswelle durch die Pharmabranche, weil sich die Konzerne wegen Patentabläufen der Konkurrenz durch Nachahmerprodukte stellen müssen und sie sich auch wegen der Kürzungen im staatlichen Gesundheitswesen umorientieren. Novartis hat Spartenkäufe und -verkäufe im Wert von rund 27 Milliarden Dollar angekündigt. Bayer mischt im Bieterwettbewerb um Geschäfte des US-Konzerns Merck & Co mit und will Insidern zufolge dafür 13,5 Milliarden Dollar zahlen. Der letzte Mega-Deal in Deutschland geht auf das Jahr 2006 zurück. Damals schluckte Bayer für 17 Milliarden Euro Schering.
Eine Akquisition von AstraZeneca durch Pfizer würde es auch in die Rangliste der weltgrößten Transaktionen überhaupt schaffen. Diese hat wieder vermehrt Zulauf bekommen - etwa durch den Ausstieg von Vodafone bei Verizon Wireless für 130 Milliarden Dollar.