1400 neue Kohlekraftwerke Kohleverstromung könnte um 33 Prozent steigen

Mehr statt weniger - weltweit wird die Zahl der Kohlekraftwerke steigen. Quelle: imago images

Während Deutschland über den Kohleausstieg diskutiert, steigt der Ausbau von Kohlekraftwerken laut einer neuen Studie weltweit rasant. Auch deutsche Konzerne mischen mit. Europa ist in der Kohlefrage zutiefst gespalten.

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Die Stimmung ist aufgeheizt. Auf der einen Seite stehen Reihen von Polizisten, Schutzschilder vor den schweren Uniformen, die Gesichter verborgen hinter dem Visier ihrer Helme. Um sie herum, auf den Wiesen, Bäumen und Baumhäusern des Hambacher Forsts leisten zumeist junge Aktivisten Widerstand gegen die vorrückenden Polizisten.

Mit allen Mitteln wollen sie den Ausbau der Kohlegruben des Essener Konzerns RWE und die Rodung des Waldstückes im Rheinischen Revier verhindern. Zahlreiche Polizisten und Aktivisten wurden bei der Auseinandersetzung bereits verletzt. Ein Journalist starb nach dem Sturz aus einem der Baumhäuser.

Die Auseinandersetzung im Hambacher Forst ist längst zum Symbol für den Kampf gegen die Kohleverstromung und damit einen der Hauptverursacher des Klimawandels geworden. Auswirkungen auf die Kohleverstromung hat der symbolische Widerstand allerdings keinen. So nimmt die Verbrennung des klimaschädlichen Energieträgers trotz der Klimabekenntnisse vieler Regierungen weiter zu.

Wie stark Konzerne und Länder auf Kohle setzen, zeigt eine aktuelle Studie der deutschen NGO urgewald. Sie untersuchte die 120 größten Kohlekraftwerksentwickler und deren Projekte. Das Ergebnis: In 59 Ländern werden derzeit rund 1400 Kohlekraftwerke gebaut oder geplant. Sollten diese Projekte allesamt umgesetzt werden, würde die Menge an Kohlestrom laut den Zahlen von urgewald weltweit um gut 33 Prozent gegenüber dem derzeitigen Stand zunehmen. 

Die größten Kraftwerksentwickler auf der Liste von urgewald finden sich in China und Indien. Doch auch die deutschen Energiekonzerne RWE, Uniper und der Chemiekonzern Dow mischen beim Ausbau von Kohlekraftwerken mit. Laut den Zahlen von urgewald planen RWE und Uniper einen Ausbau von Kohlekraftwerken um je 1100 Megawatt. So baut Uniper weiter das Steinkohlekraftwerk Datteln 4 in Nordrhein-Westfalen, während RWE mit BoAplus ein neues Braunkohlekraftwerk im Rheinischen Revier plant. Im niedersächsischen Stade will Dow ein Kohlekraftwerk errichten. Geplante Leistung: 920 Megawatt.

Betrachtet man die Ausbaupläne der Kohlekonzerne in Gesamteuropa, ergibt sich ein gespaltenes Bild: Während Belgien bereits 2016 aus der Kohleverstromung ausgestiegen ist, haben zehn EU-Mitglieder (Dänemark, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden und Großbritannien) konkrete Pläne zur Reduktion von Kohle vorgelegt. Im Osten und Südosten Europas wird hingegen weiter auf den Energieträger Kohle gesetzt. Insgesamt 13 Staaten in Europa wollen neue Kohlekraftwerke bauen. Die größten Zuwachsraten verbucht dabei die Türkei, Polen und Bosnien-Herzegowina. Ihre Vorhaben zum Kohleausbau umfassen zusammen eine Leistung von rund 53 000 Megawatt. 

„Ob die EU die Ziele des Klimaübereinkommens von Paris verfehlt oder erfüllt, hängt maßgeblich von zwei Ländern ab: Deutschland und Polen“, sagt Heffa Schücking, Geschäftsführerin von urgewald. Laut Schücking seien Deutschland und Polen zusammen für 53 Prozent der Emission von Kohlekraftwerken innerhalb der EU verantwortlich. Schücking appelliert an „Regierungen, Städte, Unternehmen und Investoren in ganz Europa“, sich vollkommen aus der Kohle zurückzuziehen. 

Bei Investoren haben Umweltschützer und NGOs mit ihren Forderungen nach einem Kohleausstieg Erfolge erzielt. So kündigten die Versicherungskonzerne Allianz, AXA und Generali einen Rückzug aus Investments in Kohle an. 

 

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