Kinderausstattung Warum niemand mehr gebrauchte Kinderwagen kauft

Frauen schieben Kinderwagen Quelle: dpa

Für das Kinde nur das beste - das scheint die Devise vieler Eltern zu sein. Davon profitieren Hersteller und Händler von Kindermöbeln, Spielzeug und Kinderausstattung. Was das Geschäft mit den Kleinen wachsen lässt.

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Der Wagen einer großen Marke ist im besten Zustand. Reifen kaum abgefahren, Federung wie am ersten Tag, Sitzpolster nicht abgeschlissen und die Bremse verzögert vorzüglich, umfangreiche Sonderausstattung inklusive. Der Wert auf dem Gebrauchtwagen-Markt ist dennoch nahezu null und so fristet er sein Dasein ungenutzt in der Garage.

Ein Teutonia Modell für Kinder von Geburt bis vier Jahre. "Wir werden ihn nicht los", sagt sein Besitzer Bernd Siller. "Wer ein Kind bekommt, kauft in der Regel nur Neuwagen", sagt Siller nach etlichen Fehlversuchen, ihn zum Fünftel des Neupreises zu verkaufen.

Die Branche für Kinderwagen, Möbel, Babyausstattung freut sich - in Deutschland steigt die Geburtenrate im Langfristtrend. 785.000 Geburten verzeichnete das Statistische Bundesamt 2017, nach 738.000 in 2015 und 792.000 in 2016 - zwar waren es 1990 noch 906.000, aber auf dem Tiefststand 2010 lediglich 678.000.

Und ein guter Teil der heutigen Kundschaft mit Leidenschaft möchte es in den ersten Jahren und Schritten in ein erfolgreiches Leben oft nicht am Material scheitern lassen. Das Beste ist dann gerade gut genug.

Wenn also nun bei der Messe Kind + Jugend in Köln erneut ein Plus bei der Zahl der Aussteller zu verzeichnen ist, dann liegt das an der Familienplanung in Europa. 1250 Aussteller aus 53 Nationen zeigen auf 110.000 Quadratmeter ihre Stühle, Autositze, Jugendbetten oder Spielzeugautos.

In 2017 investierten Menschen mehr als 2,5 Milliarden Euro in das Wohlergehen der Nachfahren innerhalb der ersten drei Lebensjahre. Es sind nicht allein die Eltern, die den Umsatz erneut um zwei Prozent steigen ließen. Großeltern, Onkel, Tante, Freunde - wenn ein neuer Mensch auf die Welt kommt, sind viele nahestehende Menschen der Meinung, für die Früherziehung bräuchte es modernste Wandertragegestelle oder Wickeltaschenhalter.

Es scheint eine gewisse Sachlichkeit in die Erziehung eingezogen zu sein, denn ausgerechnet der Umsatz mit Spielzeug für Kleinkinder ist signifikant rückläufig - und mit einem Rückgang auf dem Stand der Jahre 2012 bis 2014.

Sicherheit über alles

Sicherheit und Schutz der Kinder sind hingegen zuverlässige Antreiber für den Handel. In trauter Einsicht um die Sorgen der autofahrenden Eltern, testen sowohl der ADAC wie Warentest in dichter Folge Autokindersitze. Mehr als 600 Euro dafür sind keine Ausnahme, 400 Euro eher die Mitte.

Setzt sich das Kind auf ein Fahrrad, oder wird gar in einem Anhänger von einem Elternteil mit auf die Radtour genommen, ist ein Helm mit Sicherheit auf dem Kopf - und eine Neuanschaffung bei rasch wachsenden Köpfen absehbar. Warentest unterzieht auch Kinderspielzeug in Bezug auf Sicherheit einem Test, Kinderwagen ebenso.

In deutschen Innenstädten gehören spätestens seit diesen Sommer schwere Lastenräder zum Straßenbild. Statt Bierkisten oder Katzenstreu sitzen in den umfangreichen Containern häufig Kinder, die von den Eltern so umweltschonend und mit etwas geringeren Parkplatzsorgen zur Kita gefahren werden können. Mit Elektromotor ausgestattet, kosten Vertreter dieser jungen Gattung an Transportfahrzeugen rasch mehrere tausend Euro - gutes Gewissen inklusive.

Das ist bisweilen auch nötig, denn es wird eine Menge Material für die verschiedenen Gerätschaften gebraucht und besonders nachhaltig ist es nicht, einen Kinderwagen mit voller Funktion am Ende nur für ein oder zwei Kinder zu verwenden, bevor er sanft verstaubt.

Kinderausstattung von ökologisch bis kunstvoll

Aber auch da wird einer umweltbewussten Kundschaft geholfen. 2014 gründete der Designer Bart Tost das Unternehmen Greentom in den Niederlanden. Der Kinderwagen wird zu 100 Prozent aus recyceltem Material gefertigt. Bost wurde für sein Modell unter anderem mit dem Red Dot Design-Award ausgezeichnet. Zwischen 31 und 74 Getränke-Flaschen landen in einem der drei verschiedene Modelle.

Es nimmt dann auch nicht Wunder, dass sich auch angehende Designer für Möbel und Kinderspielzeuge als Produktgruppe erwärmen können. Zehn Produkte sind nominiert für den Kids Design Award. Zum Beispiel ein Holzspielzeugauto, dass Kindergartenkinder mittels eines breiten Gummistreifens so verändern können, dass es kurzerhand von einem Lastwagen zu einem Sportauto wird. Noch sind weder das flexomobil oder die "sensorischen Möbel" des Unternehmens Thinkthings erhältlich, aber die Chancen stehen gut, dass künftig die Nominierten des Wettbewerbs als Produkt zu bekommen sein werden.

Wer mehr auf Außenwirkung statt auf pädagogischen Nutzen Wert legt, bekommt heute von zahlreichen Herstellern zumindest bei Kinderwagen eine reiche Auswahl. Der Hersteller Cybex etwa bietet eines seiner Modelle - den "by Jeremy Scott" - mit goldenen Engelsflügen als Zierrat an. Auf schwarzem Material bricht er damit recht kräftig mit den üblichen Farbvarianten.

Ob sich für so ein gewagtes Modell nach der ersten Nutzung ein Abnehmer findet, ist ungewiss. Vielleicht ist das auch nicht nötig, denn ein genauerer Blick in die Geburtenzahlen zeigt einen klaren Trend: Nicht allein die Zahl der Geburten steigt, sondern der Anteil der Familien mit zweiten und dritten Kindern steigt noch stärker. Was einmal angeschafft ist, hat also eine gute Chance, bei den nachkommenden Geschwistern noch einmal zum Einsatz zu kommen. Für die Branche sind das allerdings nur halb so gute Nachrichten.

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