200 Jahre Werner von Siemens Ein Fest für einen Wandlungskünstler

Siemens feiert seinen Gründer und besinnt sich auf dessen Erfindergeist und Fortschrittsglaube. Kanzlerin Angela Merkel gratuliert gerne, denn sie sieht in der Siemens-Ikone ein Vorbild für das Land.

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht beim Festakt zum 200. Geburtstag des Industriellen und Erfinders Werner von Siemens (1816-1892) Quelle: dpa

Berlin Es gibt wohl kein Zitat von Werner von Siemens, das seine Lebenshaltung besser beschreiben würde: "Überhaupt habe ich stets in der Zukunft mehr wie in der Gegenwart gelebt." Sowohl Siemens-Chef Joe Kaeser als auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) griffen diesen Ausspruch auf beim Festakt zum 200. Geburtstag von Werner von Siemens, dem Gründer und Namensgeber des deutschen Weltkonzerns. Der Satz steht für die Neugierde, für den Erfindergeist, den Werner von Siemens auszeichnete, aber vor allem auch für seine Bereitschaft zum Wandel, seinen Zukunftsoptimismus.

Kaeser zelebriert den 200. Geburtstag des Gründers auch, weil er die 350.000 Beschäftigen des Konzern auf seine Tugenden einschwören will. Er erinnert daran, wie Werner von Siemens 1847 zusammen mit Johann Georg Halske in Berlin die "Telegraphen-Bauanstalt von Siemens & Halske" gründete. Ein Start-up, so Kaeser, "als Hinterhof-Firma, lange bevor es Garagen im Silicon Valley gab".

Also lud Kaeser am Dienstagabend in die Mosaikhalle in der Berliner Siemens-Niederlassung, einem alten Industriebau, um mit mehr als 100 prominenten Gästen zu feiern. Die Vorstandsvorsitzenden vieler Dax-Konzerne kamen, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gratulierte. Kein Wunder: Die Kanzlerin sieht in Werner von Siemens nicht nur ein Vorbild für den Münchner Industriekonzern, sondern für die deutsche Wirtschaft insgesamt, ja für das ganze Land.

Auch deshalb erinnerte sie an sein Zitat, dass ihm die Zukunft lieber war als die Gegenwart. Denn die Stimmungslage ist dieser Tage häufig eine andere: Die Menschen fühlen sich in der Gegenwart ganz wohl, die Zukunft allerdings bereitet ihnen Sorgen, sie haben Angst abgehängt zu werden in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung.

Deshalb ist Siemens aus ihrer Sicht ein Vorbild, der Beweis, dass steter Wandel den Erfolg sichert. Drei industrielle Revolutionen hat das Unternehmen mitgemacht, nun steht die vierte an, die Digitalisierung. "Werner von Siemens ist gut damit gefahren, Veränderung vor allem als Chance zu sehen", erinnert Merkel.

Die Kanzlerin lobt Kaeser dafür, dass er diese Einstellung auch heute wieder im Unternehmen stärken möchte. In seiner "Vision 2020" fordert er Innovationskraft, technologische Kompetenz und Internationalisierung. Und in der Einheit Next47 hat er alle Startup-Aktivitäten gebündelt.

Eine Milliarde Euro sollen dort in den kommenden Jahren investiert werden. Es ist auch die Lehre aus der Vergangenheit, etwa den dramatischen Fehlern in der Kommunikationssparte Com. Hier hatte Siemens Jahre lang den technologischen Wandel verpasst, letztlich blieb nur der Abschied vom Telekommunikationsgeschäft - und damit von Gründungspfeiler, die Werner von Siemens einst baute.

Um solch dramatische Fehlentwicklungen zu vermeiden, beschwört nun verstärkt den alten Erfindergeist - auch um die Herausforderungen der Digitalisierung zu bestehen. Werner von Siemens habe ein "unerschütterlicher Optimismus" ausgezeichnet. "Er gab nicht auf", so Kaeser, auch nach harten Rückschlägen, etwa bei der Verlegung des Transatlantikkabels.

Von diesem Willen müsse man sich wieder mehr leiten lassen. "Wenn wir es richtig anstellen, bietet die Digitalisierung enorme Chancen für uns. Sie kann Wachstum und Arbeitsplätze schaffen."

Dabei weiß der Siemens-Chef durchaus um die Gemütslage vieler Menschen im Lande, wohl auch vieler seiner Mitarbeiter. "Viele Menschen machen sich Sorgen, ob sie im digitalen Zeitalter überhaupt noch gebraucht werden", sagte Kaeser. Die müsse man mitnehmen. "Unsere Aufgabe ist es auch, ein faires, ein inklusives Geschäftsmodell zu entwickeln. Das braucht das digitale Zeitalter."

Der Unternehmer hat auch eine Verantwortung für die Gesellschaft - auch das war schon einer Überzeugung von Werner von Siemens. "Ich sehe im Geschäft erst in zweiter Linie ein geldwertes Objekt. Es ist für mich ein Reich, welches ich gegründet habe und welches ich meinen Nachkommen ungeschmälert überlassen möchte", schrieb er einmal.

Und so versuchte er auch seine Mitarbeiter ans Unternehmen zu binden. Schon elf Jahre nach Firmengründung beteiligte er seine Arbeiter am Gewinn. Später gründete er eine Pensions-, Witwen und Waisenkasse, um die Arbeiter und ihre Angehörigen finanziell abzusichern. Mit höheren Gehältern habe er Leistungsanreize gesetzt, lobte auch Merkel.

Für die Kanzlerin war Werner von Siemens eine "Lichtgestalt", von der man auch heute noch lernen kann, wenn es um die Herausforderungen technologischer Disruption geht. Man müsse und den Wandel gestalten, so Merkel.

Ihre Rede klang in weiten Teil wie ein Appell an die anwesenden Topmanager, insbesondere an Kaeser, alle Kraft darauf zu konzentrieren, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. "Siemens spielt eine zentrale Rolle bei der Frage, ob es der deutschen Industrie insgesamt gelingt."

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