2030 CO2-neutral An seinen Versprechen wird sich Bayer künftig messen lassen müssen

Bayer wird erneuerbar Quelle: imago images

Der Pharma- und Agrarkonzern verabschiedet sich vom CO2, will künftig zu 100 Prozent auf Erneuerbare Energien setzen und Menschen in Entwicklungsländern helfen. Hinter der Strategie steckt ein früherer Grünen-Politiker.

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Matthias Berninger war zu Beginn des Jahrtausends Staatssekretär bei Verbraucherschutz- und Agrarministerin Renate Künast, heuerte dann beim Schoko-Konzern Mars an und wechselte in diesem Jahr als Chef-Lobbyist zu Bayer, unter anderem verantwortlich für Nachhaltigkeit. Die naheliegende Frage, wie er denn seine Aufgabe bei Bayer mit seinen grünen Idealen zusammenbringe, beantwortet Berninger gleich: „Ich bin nicht obwohl, sondern wegen der Übernahme von Monsanto zu Bayer gegangen“, erklärte er Anfang Oktober bei einer Veranstaltung am Konzernsitz in Leverkusen. Kaum ein anderer Hersteller könne mehr für Umwelt und Nachhaltigkeit tun, kein anderes Unternehmen könne entsprechende Innovationen schneller an den Markt bringen. Bayer, der Anbieter von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut, spiele eine zentrale Rolle bei der Sicherung der Ernährung von morgen, schallt es aus Leverkusen. Bayer sieht sich als Kämpfer wider den Hunger und die Folgen des Bevölkerungswachstums.

Wie viel die Versprechen wert sind, lässt sich nun verfolgen. An diesem Dienstag, 10. Dezember, präsentiert das Unternehmen seine neue Nachhaltigkeits-Strategie. Es ist Berningers erster, großer Aufschlag. Und es ist ein interessantes Experiment: Gelingt es Bayer tatsächlich wegzukommen vom Glyphosat-Image? Bislang prägt der umstrittene Pflanzen-Wirkstoff, der angeblich für Krebserkrankungen und Artensterben verantwortlich sein soll (was Bayer jeweils bestreitet) das öffentliche Bild des Konzerns.

Berninger versichert, dass das Thema Nachhaltigkeit künftig genauso wichtig sei wie der Gewinn. Er räumt dabei ein, dass Bayer da in der Vergangenheit hätte besser sein können.

Bis 2030 will Bayer nun ein klimaneutrales Unternehmen werden, sich vom CO2 weitgehend verabschieden. Das heißt, Bayer muss jährlich vier Millionen Tonnen Kohlendioxid einsparen oder kompensieren. Um das zu erreichen, steckt der Konzern künftig seine Energie noch mehr in Maßnahmen zur Energieeffizienz, steigt auf erneuerbare Energie um und kompensiert die verbleibenden Emissionen. Konzernchef Werner Baumann ist künftig auch für das Thema Nachhaltigkeit verantwortlich, ein neu zu gründender Nachhaltigkeitsrat aus unabhängigen Fachleuten berät den Vorstand. Bayer will zudem 100 Millionen Kleinbauern in Ländern mit geringem und mittlerem Einkommen unterstützen, um die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln aus der Region zu unterstützen und die Armut zu bekämpfen. Millionen Frauen in ärmeren Ländern will das Unternehmen mit „modernen Verhütungsmitteln zu erschwinglichen Preisen“ versorgen. Schließlich ist Bayer auch Pharmakonzern und einer der größten Hersteller von Verhütungspräparaten.

Konkret will Bayer die Umweltauswirkungen von Pflanzenschutz bis 2030 um 30 Prozent reduzieren und die Bauern entsprechend unterstützen. Etwa durch den Verzicht aufs Pflügen, bei dem durch Traktorenfahrten Kohlendioxid freigesetzt wird. Oder auch durch den sparsameren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln mithilfe von digitaler Technik. Davon dürfte sich Bayer freilich auch gute Geschäfte versprechen: Bayer wirbt schließlich damit, dass Landwirte, die Glyphosat spritzen, nicht wie früher pflügen müssen, um Unkräuter zu bekämpfen. Zudem zählt zu den Neuerwerbungen aus der Monsanto-Übernahme ein Unternehmen, das digitale Tools anbietet, mit denen Landwirte ihre Felderträge besser überwachen und so Dünge- und Pflanzenschutzmittel besser dosieren können.

An seinen Versprechen wird sich Bayer künftig messen lassen müssen. Große Fondsgesellschaften fordern inzwischen längst ein, dass Unternehmen stärker an Umweltauswirkungen und Nachhaltigkeit denken. Das Thema ist nun auch bei Bayer angekommen, konstatiert Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka: „Nach der desaströsen Hauptversammlung im April, auf der Vorstand und Aufsichtsrat abgestraft wurden, wird Nachhaltigkeit bei Bayer nun endlich ernsthafter angegangen“, erklärte er kürzlich der WirtschaftsWoche.

Andere Unternehmen haben ähnliche Programme aufgelegt. Viele Investoren erkennen den guten Willen von Bayer, warten aber erst einmal ab, was in der Praxis darauf folgt. Einige Fragen bleiben auch noch offen: Wie viel Geld Bayer für seine Nachhaltigkeits-Offensive in die Hand nimmt, verrät der Konzern beispielsweise nicht. Details dazu soll es erst im Juni kommenden Jahres geben. Für Kurssprünge sorgten die Ankündigungen jedenfalls nicht: Im Dax zählte die Aktie zu den Tagesverlierern. An seinen Versprechen wird sich Bayer künftig messen lassen müssen

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