430 Flieger auf einen Schlag Was der Airbus-Deal über die Luftfahrtbranche aussagt

Lange nach dem Start kämpft Airbus noch mit Problemen beim A320neo und fährt trotzdem den größten Auftrag der Geschichte ein. Warum das Sorgenkind ein Umsatzgarant ist – und was sein Erfolg für die Industrie bedeutet.

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Airbus A320neo. Quelle: REUTERS

Die diesjährige Luftfahrtmesse in Dubai war für Airbus bisher eine traurige Angelegenheit. Statt größerer Aufträge gab es für den europäischen Luftfahrtriesen höchstens Demütigungen. Am Sonntag etwa bat Emirates als wichtigster Kunde für den flügellahmen Superjumbo A380 die Airbus-Manager in einen großen Konferenzraum. Die Hoffnung, nun endlich ein paar Dutzend des Riesenfliegers zu verkaufen, verflog schnell. Die Airbus-Vertreter durften offenbar zusehen, wie ihre Erzrivalen von Boeing 40 Langstreckenflugzeuge des Modells 787 Dreamliner verkauften.

Doch dann kam Bill Franke. Der Chefs des US-Finanzinvestors Indigo Partner verschaffte Airbus den bislang größten Auftrag seiner Geschichte.

Die Fluglinien Frontier Airlines (USA), JetSmart (Chile), Volaris (Mexiko) und Wizz Air (Ungarn), an denen Indigo Anteile hat, sollen insgesamt 430 Maschinen des Typs A320neo erhalten. Der zusammengerechnete Listenpreis: 49,5 Milliarden Dollar. Bei den Maschinen handelt es sich um 273 Exemplare in der Standardversion A320neo und 157 Flieger in der längsten Version A321neo.

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Der Auftrag ist nicht nur wegen seiner Größe Neuland. Es ist die erste Bestellung, bei der ein Investor gleich für mehrere Fluglinien einkauft. Das sichert nicht nur Rabatte von dem Vernehmen nach fast 50 Prozent. Weil sich die Maschinen technisch sehr ähneln, kann Indigo die Maschinen je nach Bedarf zwischen seinen einzelnen Airlines hin und her schieben.

Das fällt dem 80-jährige Franke, der eigens in die Vereinigten Arabischen Emirate geflogen war, um den vorläufigen Vertrag mit Airbus auf der Dubai Air Show zu unterschreiben, leichter als anderen. Der vergleichsweise öffentlichkeitsscheu und in Europa unbekannte Manager gilt als Miterfinder des Ultra-Billigsegments in der Luftfahrt. Seine 2002 gegründete Indigo Partners setzt vor allem auf Fluggesellschaften mit einer ähnlichen eine Ultra-Billig-Strategie. Die Passagiere zahlen niedrige Basis-Preise, müssen aber alle Extras dazukaufen.

Produktions-Probleme

Der Mega-Auftrag lässt Schlüsse auf die Entwicklung der Luftfahrtindustrie in den kommenden Jahren zu  – auch wenn der Zeitpunkt selbst Branchenkenner überrascht. Schon aktuell sitzt Airbus auf einem kaum zu schaffenden Orderberg von insgesamt rund 5000 Maschinen der drei Neo-Typen. Ohne die nun bestellten Maschinen, die vermutlich irgendwann zwischen 2021 und 2026 vom Band laufen, muss der Hersteller seine Werke im südfranzösischen Toulouse, Hamburg sowie in den USA und China kräftig hochfahren. Statt der in 2016 erreichten gut 460 Maschinen pro Jahr sollen es ab 2020 mehr als 660 werden. Doch das wird schwerer denn je.

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Denn derzeit hinkt die Produktion hinter den Plänen her. Bis Ende dieses Jahres werden von den bereits bestellten Neos wohl gerade einmal knapp 200 bei den Kunden sein.

„Neo“ steht dabei für New Engine Option und bezeichnet die modernisierte Neuauflage der Mittelstreckenjets. Dank neuartiger Triebwerke verspricht sie einen deutlich geringeren Spritverbrauch – bei geringerer Geräuschkulisse. (Lesen Sie hier unseren Bericht über den Flug im A320neo.)

Dabei sind ausgerechnet Triebwerke auch der große Schwachpunkt: Während der vom US-Technologieriesen GE gebaute Leap-Antrieb problemlos läuft, bereiten die vom US-Konzern Pratt & Whitney und der Münchner MTU gebauten GTF-Motoren seit dem Erstflug technische Probleme. Unter anderem verursacht das für die Drehzahl verantwortliche Getriebe Probleme bei der Kühlung. Die entstehende Hitze führt zu höherem Verschleiß.

Die Airlines haben Sorgen, dass die Maschinen häufiger gewartet werden müssen. Weil außerdem das Abkühlen länger dauert als zugesagt, steigen die Standzeiten am Airport. Sind die Flieger im Hangar statt in der Luft, verursachen sie der Airline hohe Kosten.

Die Schwierigkeiten wirken sich wie in 2016 auch in diesem Jahr längst negativ in den Quartalszahlen aus. Fluglinien wie Qatar Airways verweigerten bereits vor Monaten öffentlichkeitswirksam die Annahme der Flieger.

Hoffnungen schlagen Bedenken

Doch der Mega-Auftrag macht deutlich: Die Hoffnungen der Airlines, dass Airbus die Probleme endlich in den Griff bekommt, schlagen die Bedenken locker: Der A320neo – und das Konkurrenzmodell 737MAX von Boeing – sind entscheidend für einen grundsätzlichen Umbruch in der Luftfahrt. Sie sollen nicht nur den Boom des Billigflugs auf der Kurz- und Mittelstrecke vorantreiben. Sie werden auch den Durchbruch eines neuen Geschäftsmodells bringen: die echte Low-Cost-Langstrecke.

Dank des niedrigeren Verbrauchs können die neuen Jets nicht die heute betriebenen Strecken mit weniger Sprit fliegen, sondern auch mit der gleichen Spritmenge auch weiter fliegen. Mit Zusatztanks schaffen die Neulinge sogar bis zu 7000 Kilometer statt der gut 4000 Kilometer, die heute Easyjet und Ryanair etwa von Großbritannien nach Israel fliegen.

von Karin Finkenzeller, Rüdiger Kiani-Kreß

Auf der Kurz- und Langstrecke werden die neuen Jets von Airbus und Boeing für Veränderung sorgen. Denn die Hersteller bieten neue Einrichtungskonzepte mit dünneren Sitzpolstern, kleineren Toiletten und Küchen. Das erlaubt den Airlines deutlich mehr Sitze unterzubringen als bisher. Waren im LH-Airbus A320 des Jahres 1997 noch 144 Plätze, so hat der neue A320neo 180 Plätze.

Der Kombination aus hoher Reichweite und ausreichendem Platz für Fluggäste ist ideal für Billiglinien wie Frankes WizzAir – aber nicht nur. Auch die Lufthansa hat den A320neo bereits im Einsatz. Für die Passagiere bedeutet das freilich: Mit dem Ticketpreis schrumpft auch der Platz.

Gelegen kommt der Auftrag vor allem Airbus – auch wenn der Konzern Franke mit deutlichen Abschlägen auf den Listenpreis entgegengekommen sein wird. Abseits des A320-Deals gab es zuletzt wenig Positives zu berichten.

Der Militärtransporter A400M ist ein Milliardengrab ohne Ausschicht auf Besserung. Die Korruptionsaffäre rückt das Unternehmen in ein schlechtes Licht, Unregelmäßigkeiten im Rüstungsbereich räumte der Konzern bereits ein. Airbus-Chef Tom Enders steht unter Druck. Angeblich bedrängt vor allem Frankreichs Staatspräsident die Bundesregierung, dem selbstbewussten Manager weniger Freiräume zu geben.

Mit dem Auftrag bekommt nun Enders Rückenwind. Denn er hat sich im vorigen Jahr neben der Konzern-Führung auch den Chef-Posten bei den Passagierjets gesichert und dabei den ranghöchsten Franzosen Fabrice Brégier zur Seite geschoben. Doch seitdem waren große Erfolge rar.

Aber auch für einen anderen ist die Order eine Freude: Verkaufschef John Leahy. Denn mit dem A320-Vertrag düpiert der mit einer Billion Euro Umsatz vor Rabatten erfolgreichste Jet-Verkäufer erneut seinen Erzrivalen Boeing kurz bevor er Ende des Jahres in Rente geht.

Mit Material von dpa und Reuters

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