770-Millionen-Dollar-Prozess Solarworld steht vor Gerichtsdesaster

Deutschlands größter Photovoltaikkonzern Solarworld steht im US-Rechtsstreit gegen den Lieferanten Hemlock vor der Niederlage. Nun ist Solarworlds Existenz bedroht – doch der Konzern gibt sich trotzig.

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Das Logo der Solarworld AG steht auf einem Solarmodul in Freiberg. Quelle: dpa

Deutschlands größter Solarmodulhersteller steht kurz davor, in erster Instanz in einem existenzbedrohenden Rechtsstreit zu verlieren. Ein US-Gericht in Michigan hat dem Antrag des US-Siliziumhersteller Hemlock Semiconductor auf ein beschleunigtes Verfahren gegen Solarworld stattgegeben. Einem verkürzten Verfahren stimmt der Richter in der Regel nur dann zu, wenn die Beweislage eindeutig ist.

Zwar ist die Gerichtsentscheidung noch kein endgültiges Urteil – das wird in Kürze erwartet. Aber Thomas L. Ludington, der zuständige Richter in dem erstinstanzlichen Verfahren, ließ in seiner Begründung kaum Zweifel daran, wie ein etwaiges Urteil in dem Fall aussehen dürfte. „Hemlock wird der geforderte Schadensersatz gewährt“, schreibt Ludington.

Für Solarworld ist die Gerichtsentscheidung ein Desaster. Im Geschäftsbericht des Bonner Konzerns heißt es, ein negatives Urteil in dem Rechtsstreit mit Hemlock könnte Auswirkungen „bis hin zur Bestandsgefährdung“ haben. Denn Schadensersatzsumme von 770 Millionen Dollar, die Hemlock fordert, übersteigt die liquiden Mittel von Solarworld um mehr als das Vierfache.

Solarworld hat keinerlei Rückstellungen für eine Prozessniederlage gebildet. Den Konzern drücken nach der Restrukturierung noch immer Nettoschulden in der Höhe von 217 Millionen Euro. Im Kern geht es in dem Rechtsstreit zwischen Solarworld und dem US-Konzern Hemlock um angeblich nicht eingehalte Lieferverträge für Silizium. Der Rohstoff ist die Basis für die Herstellung von Photovoltaikzellen.

Solarworld kündigte an, gegen ein etwaiges erstinstanzliches Urteil Rechtsmittel in den USA einzulegen. „Gegen die zugrunde liegenden Lieferverträge bestehen nach europäischem Recht kartellrechtliche Bedenken“, erklärte der Konzern in einer Ad-hoc-Mitteilung. Konzernboss Frank Asbeck hatte mehrfach erklärt, dass er selbst im Falle einer Niederlage vor Gericht keine erhöhte Risikolage für seinen Konzern sehe.

Hemlock werde „weder kurz noch langfristig einen Vollstreckungstitel in Deutschland erwirken“, sagte Asbeck, da die Verträge mit Hemlock gegen europäisches Kartellrecht verstoßen würden. Und in den USA könne Hemlock nichts pfänden, da die Tochtergesellschaft von Solarworld – gegen die sich die Klage formal richtet – „keine Assets in den USA führt“, erklärte Asbeck erst vor einem Monat auf der Hauptversammlung von Solarworld.

Hemlock müsste zur Vollstreckung eines US-Urteils in Deutschland ein Anerkennungsverfahren vor deutschen Gerichten initiieren. „ Im Rahmen eines solchen Verfahrens würde ferner die Einhaltung wesentlicher Grundsätze des deutschen Rechts bei der Urteilsfindung überprüft werden“, teilte Solarworld mit. Solarworld zeigte sich davon überzeugt, dass „ ein solches Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren in Deutschland nicht erfolgreich zum Abschluss gebracht werden könnte“.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Textes hieß es fälschlicherweise, dass das US-Gericht bereits ein Urteil gegen Solarworld gefällt hätte.

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