Wenn Ronaldo Luís Nazário de Lima, kurz: Ronaldo, ein Tor schoss, dann feierte er das immer, indem er den Zeigefinger in die Luft streckte. „Mais um“ sollte das heißen, zu Deutsch: „Noch eins“.
Der Fingerzeig des Fußballstars, nicht zu verwechseln mit Cristiano Ronaldo von Real Madrid, war für die Marketingstrategen der brasilianischen Brauerei Brahma die Vorlage – und für die Bierwelt der Beginn einer neuen Zeitrechnung. In Brasiliens Kneipen reicht es heute, den Zeigefinger zu heben, und schon bringt der Kellner das nächste Bier. Und die Werbekampagne mit Ronaldo wurde zur Initialzündung für eine einzigartige Erfolgsgeschichte.
Im Rausch der WM
Denn die Brauerei mit dem Zeigefinger heißt heute nicht mehr Brahma, sondern AB InBev. Und aus dem heruntergewirtschafteten Familienunternehmen von vor 25 Jahren wurde nach Übernahmen und Fusionen ein beinhart geführtes brasilianisch-belgisch-nordamerikanisches Konzerngebilde: weltgrößter Bierproduzent, weltgrößter Getränkekonzern, fünftgrößter Lebensmittelhersteller – mit berühmten Marken wie Beck’s (Deutschland), Bass (England) und Budweiser (USA).
Und als wolle er überschäumen, versucht der Branchenprimus jetzt auch noch, sich an der Fußball-WM zu berauschen, die in zwei Wochen startet.
Bannmeile für anderes Bier
Mit Budweiser als offiziellem Fifa-Sponsor will AB InBev während der Spiele so viel Bier in die Kehlen der Zuschauer spülen wie noch keine Brauerei bei einem Weltkickturnier zuvor. Für den Giganten vom Amazonas setzte der Weltfußballverband Fifa eigens das Verbot des Bierausschanks in den Stadien außer Kraft.
Auch im Umkreis von zwei Kilometern um die Spielstätten herum darf nur Budweiser von AB InBev verkauft werden. Und wer außerhalb der Bannmeile ein Kühles zischt, kommt an AB InBev sowieso kaum vorbei. Ob Brahma, Skol oder Antarctica – fast alle gängigen Biermarken in Brasilien gehören längst zu AB InBev.
Ist die kommende Fußballpartie nur der Vorgeschmack auf noch mehr Malz, Macht und Moneten? Macht der Gigant bald ein noch größeres Fass auf ? Oder droht nach dem Finale am 13. Juli im Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro eher der Kater?
Aufstand der Trinker
Fest steht: Noch braut kein großer Hersteller auf der Welt Bier mit solch einer Rendite. Von jedem Dollar, der in die Konzernkassen von AB InBev fließt, blieben im ersten Quartal 2014 sagenhafte 36 Cent Gewinn vor Abschreibungen und Steuern. Seine Marktmacht erlaubt AB InBev, auch bei schrumpfenden Umsätzen wie 2013 den Profit zu steigern, weil der Marktführer Preiserhöhungen durchsetzen kann.
Der britische Konkurrent SAB Miller, Nummer zwei weltweit, produziert nur rund halb so viel Bier und verzeichnete in den zwölf Monaten bis März 2014 eine Gewinnmarge von 23 Prozent vor Steuern und Abschreibungen, gegenüber 39 Prozent bei InBev im ganzen Jahr 2013.
Unübersehbar ist aber auch: Die rigorose Profitmaximierung erregt Unmut bei vielen Kunden. Wer in Internet-Suchmaschinen „AB InBev“ in Kombination mit Schimpfworten in verschiedenen Sprachen eingibt, kann sich vor Einträgen kaum retten. Besonders empört sind Biertrinker aus Regionen mit jahrhundertelanger Brautradition wie Deutschland, England, Belgien oder den USA.