ABB verkauft Kabelgeschäft Investoren treiben Siemens-Rivalen vor sich her

Der Schweizer Elektrokonzern ABB trennt sich von seinem Geschäft mit Hochspannungskabeln. Aktivistische Investoren fordern weitere Abspaltungen. Doch das Management stellt sich dagegen – und ringt um eine Strategie.

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Der ABB-Chef muss sich mit Investoren auseinandersetzen, die eine Aufspaltung des Elektrotechnikkonzerns fordern. Quelle: dpa

Zürich Der Schweizer Siemens-Konkurrent ABB verkauft sein Kabelgeschäft nach Dänemark. Das Unternehmen NKT Cables erwerbe das weltweite Systemgeschäft für Hochspannungskabel mit einem Gesamtunternehmenswert von 836 Millionen Euro, teilte das Unternehmen am Mittwochmorgen mit. NKT produziert vorwiegend Wechselstromkabel und besitzt Produktionsstätten in Europa als auch im aufstrebenden asiatischen Markt.

Gleichzeitig gab ABB-Chef Ulrich Spiesshofer bekannt, dass ABB und NKT eine strategische Partnerschaft eingehen werden. „Die Kombination unseres Nischen-Systemgeschäfts mit der Stärke von NKT Cables ist ein klares Signal für unser aktives Portfoliomanagement, das ein wichtiger Bestandteil unserer Next-Level-Strategie ist“, erklärte Spiesshofer.

„Im Rahmen der strategischen Partnerschaft werden ABB und NKT Cables bei zukünftigen Projekten zusammenarbeiten, um sich Marktchancen zu erschließen – beispielsweise bei der Stromübertragung mit See- und Gleichstromkabeln“, ergänzte Claudio Facchin, Leiter der Division Stromnetze von ABB, laut Pressemitteilung. „Mit dieser Transaktion wird das Portfolio der Division Stromnetze vereinfacht und fokussierter ausgerichtet.“

Die Transaktion soll demnach im ersten Quartal 2017 abgeschlossen sein – vorausgesetzt, die Behörden geben grünes Licht. Laut ABB agierte Goldman Sachs als Finanzberater von ABB, die Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer als Rechtsberater.

Das „klare Signal“ von ABB-Chef Spiesshofer ist ein Wink mit dem Zaunpfahl. In den vergangenen Tagen forderten insgesamt drei Großinvestoren von ABB, sich von der gesamten Geschäfts-Division Netzwerktechnik zu trennen. Die Sparte beliefert Energieversorger mit Transformatoren und Stromübertragungstechnologie und ist auf ihrem Gebiet Weltmarkführer; das nun veräußerte Kabelgeschäft ist ein Teil davon.

Vor allem die Großinvestoren Cevian und Artisan fordern die Zerschlagung des Konzerns. Der schwedische Hedgefonds Cevian hält 6,2 Prozent an ABB und ist damit der zweitgrößte Eigner. Cevian glaubt, der Aktienkurs von ABB könne im Falle eines Spartenverkaufs um 60 Prozent zulegen. „Die Ausgliederung der Netzwerktechnik ist der einzige rationelle und logische Geschäftsentschluss“, sagte Cevians Co-Chef Christer Gardell der Zeitung „Svenska Dagbladet“.

Der US-Fonds Artisan, der rund 2,5 Prozent der ABB-Anteile hält, drängt ebenfalls auf eine Abspaltung. Wie bei vielen anderen Konglomeraten seien auch die ABB-Divisionen - einzeln betrachtet – weniger profitabel als die Geschäfte der besten Konkurrenten, sagte Artisan-Fondsmanager David Samra gegenüber Reuters.


Muss der Konzern Filetstücke verkaufen?

„Die Überprüfung dieses Teils des Unternehmens ist nur eines der Dinge, die das Unternehmen machen kann, um das Geschäft zu straffen“, sagte Samra. „Wir sehen das als ersten Schritt, um ein viel fokussierteres Unternehmen zu schaffen.“ Schließlich äußerte vergangene Woche mit Nordea Asset Management der dritte ABB-Investor Zweifel, ob die Netzwerktechniksparte Teil des Schweizer Unternehmens bleiben sollte. „Während sich die Profitabilität zuletzt verbessert hat, ist es immer noch nicht offensichtlich, dass alle Einheiten unter demselben Dach bleiben sollten“, sagte Nordea-Fondsmanager John Hernander zu Reuters.

Artisan ist neben ABB auch an weiteren Schweizer Konzernen beteiligt, darunter an der Großbank UBS und dem Personalvermittler Adecco. Auch Cevian ist hier jeweils mit an Bord. Grundsätzlich investiere Artisan in Unternehmen mit starken Bilanzen und gutem Cash-Flow, aber unterbewerteten Aktien, erklären Experten. Ein Beispiel dafür sei auch die UBS, sagte Samra gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg im Februar. „Artisan folgt dem Ansatz, das zu kaufen, was andere loswerden wollen.“

Besonders Artisan weiß sich in Szene zu setzen. Als bei Adecco Alain Delhaze als neuer Vorstandschef vorgestellt worden war, sei der Investor „absolut schockiert“ darüber gewesen, dass nicht der damalige Finanzchef zum neuen CEO befördert worden war. Mehrere Drohungen konnten jedoch nichts ausrichten. Auch beim US-Konzern Johnson & Johnson probte Artisan im Januar den Aufstand, scheiterte jedoch am Ende an seiner eigenen unbedeutenden Größe.

ABB prüft selbst bereits seit Monaten, ob der Konzern einzelne Filetstücke verkaufen soll. Es wäre jedoch übertrieben zu sagen, dass der Konzern seine umsatzträchtige Sparte „loswerden“ will. Der Schweizer Konzern ist in dem zukunftsträchtigen Geschäft Weltmarktführer. Insbesondere bei der Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) hängen die Eidgenossen die Konkurrenz von Siemens und Alstom ab. Allein das nun verkaufte ABB-Kabel-Systemgeschäft erwirtschaftete 2015 einen bereinigten Umsatz von 524 Millionen US-Dollar und beschäftigt rund 900 Mitarbeiter.

Die gesamte ABB-Sparte, zu der die Kabelsparte gehört, erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 6,3 Milliarden Dollar und einen operativen Gewinn (Ebita) von 274 Millionen Dollar. Neben der Kabelfertigung gehören zum Beispiel auch die Entwicklung von Firmensoftware oder Halbleiterprodukten dazu.


Synergieverluste drohen bei einer Abspaltung

Doch der Konzern spürt den Druck der gesamtwirtschaftlichen Situation. Dazu zählt der niedrige Ölpreis, der Käufer von ABB-Produkten vor allzu großen Investitionen in Stromnetze oder Automatisierungsgeräte abschreckte. Schließlich ist der starke Schweizer Franken Gift für ein exportorientiertes Unternehmen wie ABB: Je stärker die Heimatwährung, desto weniger verdient ein Konzern im Ausland.

Vorstandschef Ulrich Spiesshofer habe sich in Gesprächen offen für verschiedene Optionen gezeigt, behauptete Artisan-Manager Samra jüngst. Demnach sei jedoch der in der Schweiz mächtige Verwaltungsrat des Unternehmens weniger entgegenkommend gewesen.

Analysten sind weniger euphorisch. Die Experten der US-Investmentbank Goldman Sachs sehen bei einer Veräußerung nur bescheidenes Wertsteigerungspotenzial. Goldman erwartet, dass das Management auf dem Treffen Anfang Oktober die Synergien zwischen der Netzwerktechnik und anderen Bereichen des Unternehmens betonen dürfte.

Das sehen auch andere Experten so. Sie befürchten Synergieverluste im Falle einer Abspaltung. Die stattfindende Transformation in der Wertschöpfungskette des Elektrik-Geschäfts spiele ABB doch in die Hände, meint zum Beispiel ein Analyst von Barclays. „Wir sind keine Verfechter einer Aufspaltung des Unternehmens, aber wir hätten gerne mehr Details darüber, welche Bereiche bei Netzwerken profitables Wachstum bieten und welche Bereiche strukturell gefordert sind“, ergänzte er.

Viele rechnen daher damit, dass ABB zumindest den Kern der Sparte behält. „Wir erwarten, dass das Management auf seinem Kapitalmarkttag die positiven Aussichten für die Netzsparte herausstellt und einen Verkauf der Division ausschließt“, erklärte etwa Jonathan Mounsey von Exane BNP Paribas, laut Reuters. Gael de Bray von der Deutschen Bank warnt demnach vor den Folgen einer Trennung. „Wir glauben, dass eine Aufteilung des Konzerns zu steigenden Kosten, insbesondere im Einkauf, der Entwicklung der Produktionsorganisation führen würde. Die Abspaltungskosten wären angesichts der hohen Integration der ABB-Divisionen erheblich.“

Am 4. Oktober findet bei ABB der „Capital Markets Day“ statt. Dort will die Konzernleitung über den Fortschritt ihrer „Next-Level“-Strategie berichten und dabei auch auf die strategische Überprüfung der Division Stromnetze eingehen. Beobachter deuten die Signale aus der Zentrale in Zürich so, dass die Sparte tatsächlich nicht abgespalten werde. Dann dürfte sich zeigen, ob die aktivistischen Investoren es ernst meinen – und anschließend den offenen Konflikt mit dem Management suchen werden.

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