Abgasskandal und die Folgen Wenn Investoren über Volkswagen herfallen

Kaum ist der VW-Konzern wegen des Abgasskandals geschwächt, traktieren ihn milliardenschwere Aktionäre mit Forderungen – so wie der Hedgefonds TCI. VW sollte sich nicht von den Geldgebern jagen lassen. Ein Kommentar.

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Hedgefonds setzen Volkswagen unter Druck. Quelle: dpa

Chris Hohn, Gründer des Hedgefonds The Children‘s Investment Fund (TCI), nimmt sich das Volkswagen-Management zur Brust. TCI fordert den Autobauer – ganz unkindlich – auf, 30.000 Jobs zu streichen, die Tochtergesellschaften Bentley, Bugatti und MAN zur Disposition zu stellen und überhaupt die Profitabilität des deutschen Autokonzerns mächtig zu steigern. TCI und andere Investoren mäkeln daran herum, dass die Familien Porsche und Piëch in Deutschlands größtem Unternehmen faktisch das Sagen haben. Und sie wollen das Land Niedersachsen aus dem Unternehmen drängen.

Daran ist vieles richtig. Aber aus dem Munde eines Geldmanagers wie Hohn klingt das nun wirklich wie Hohn. Was, so fragt man sich, haben diese Fondsmanager eigentlich in den vergangenen Jahre gemacht? Die Antwort lautet: nichts.

Solange die Geschäfte des Autokonzerns prächtig liefen, so lange der Börsenkurs in Schwindel erregender Höhe lag und Volkswagen tatsächlich zum weltgrößten Automobilkonzern avancierte, hielten dieselben Großaktionäre, die heute auf das Management einschlagen, still. Warum auch sollten sie sich beklagen? TCI kaufte sogar Vorzugsaktien von VW, mit denen der Fonds nichts zu melden hat. Denn diese Aktien haben keine Stimmrechte. Dafür aber eine höhere Dividende.

Selbst der „Reverse Takeover“ mit Porsche, also die vom früheren Konzernpatriarchen Ferdinand Piëch umgedrehte Übernahme Ende des vergangenen Jahrzehnts, hatte die angeblich so wachsamen internationalen Fonds nicht aufgeschreckt. Dabei wurden bei dieser Gelegenheit wirklich alle Regeln einer guten Unternehmensführung und -kontrolle missachtet. Derselbe Piëch überwachte nämlich Angreifer wie den Angegriffenen. Ferdinand Piëch wechselte im Zuge der Übernahmekampfes sozusagen nur das Pferd.

Aber wen schert das schon, wenn am Ende ein Aktienkurs von gigantischen 939 Euro steht. Zum Vergleich: Heute notiert VW mit 136 Euro. Kurzum: Solange die eigene Rechnung stimmte, blieben auch die Geldgeber friedlich.

Sicherlich gab es auch damals Klagen. Einige Investoren fühlten sich von Porsche getäuscht, klagten auf Schadensersatz. Aber am Ende störten sie sich nicht an der katastrophalen Unternehmens-Governance, die Volkswagen und Porsche boten. Sie hatten schlicht auf den falschen Kandidaten gesetzt und darauf spekuliert, dass der Sportwagenbauer aus Stuttgart es tatsächlich schafft, den viel größeren VW-Konzern zu schlucken.

Nicht einmal die gigantische Vermögensverschiebung hin zu den Familien Porsche und Piëch war den Fonds negativ aufgefallen. Jedenfalls kann man sich nicht erinnern, dass irgendwer opponiert hätte, als der Piëch-Porsche-Clan im Zuge des verworrenen Deals plötzlich die volle Kontrolle nicht nur über Porsche, sondern auch über Volkswagen errungen hatte. Heute kontrollieren die beiden Familien mit einer klaren Mehrheit den VW-Konzern. Und der wiederum gibt bei Porsche den Ton an. Sich jetzt über das „Familienunternehmen“ VW zu beklagen, ist schon ein Witz.


Wo waren die kritischen Stimmen in den vergangenen Jahren?

Auch die zuletzt scharf kritisierte Vorstandsvergütung ist und war nie ein Geheimnis. Das Vergütungssystem war 2010 reformiert und nur einmal korrigiert worden. Nämlich in dem Jahr, als die Bezahlung des damaligen Vorstandsvorsitzenden Martin Winterkorn Richtung 20 Millionen Euro driftete. Da musste ein Deckel drauf.

Sich nun aber erst darüber zu beklagen, dass VW sich einen Vorstand leistete, der zeitweise 63 Millionen Euro pro Jahr kostete, das ist schon reichlich dreist. Wo waren die kritischen Stimmen in den vergangenen Jahren?

Das VW-Management hat viel falsch gemacht. Auch die Aufarbeitung des Dieselskandals durch Vorstandschef Matthias Müller und Chefkontrolleur Hans Dieter Pötsch läuft schleppend.

Doch einen Fehler sollten Müller wie Pötsch auf keinen Fall machen. Sich von Investoren jagen lassen, die offensichtlich jahrelang geschlafen und jetzt nur ihre eigenen Interessen im Blick haben. Dieser Treibjagd nachzugeben, wäre dann tatsächlich das Ende von Volkswagen.

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