Agco-Chef Richenhagen "Die Sozialisierung in der DDR beeinflusst Angela Merkels Sicht auf Russland"

Kaum ein Deutscher hat in den USA mehr Einfluss als Martin Richenhagen. Der Chef des Traktor-Riesen Agco über den amerikanischen Wahlkampf, Hacker in der Landwirtschaft, und das gestörte Verhältnis der Kanzlerin zu Russland.

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Diese Kandidaten wollen 2016 ins Weiße Haus
Donald Trump Quelle: REUTERS
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Martin Richenhagen, Chef des US-Traktorherstellers AGCO, zählt zu den ganz wenigen Deutschen, die einen Konzern in den Vereinigten Staaten lenken. Der 62-Jährige startete seine Karriere als Religionslehrer an einem Gymnasium in Frechen bei Köln, von wo aus ihn seine Karriere zum Aufzughersteller Schindler und dem Traktorbauer Claas an die Spitze des US-Riesen AGCO führte, der zu den 500 umsatzstärksten Unternehmen der Welt zählt. Mit der WirtschaftsWoche spricht Richenhagen über den US-Milliardär Donald Trump, was er vom US-Wahlkampf erwartet, wie Hacker Landmaschinen angreifen, weshalb er Tesla nicht mag und über das seiner Ansicht gestörte Verhältnis von Kanzlerin Angela Merkel zu Russland.

WirtschaftsWoche: Herr Richenhagen, mit Donald Trump wird gerade ein Wirtschaftsvertreter zu einem der populärsten Kandidaten für die Präsidentschaftswahl in den USA. Was halten Sie davon?

Martin Richenhagen: Donald Trump ist ein seltsamer Kerl, das fängt ja schon bei der Frisur an. Von den amerikanischen Unternehmern wird Trump nicht unbedingt als Kollege empfunden. Er ist auch nicht mehr wirklich in der Wirtschaft aktiv, er ist eher ein Super-Show-Man.

Zur Person

Das heißt, Sie räumen ihm keine großen Chancen als Präsidentschaftskandidat der Republikaner ein?

Bei den Republikanern ist noch kein Kandidat da, der wirklich stabil wäre. Am meisten geschätzt wird von den Anhängern wahrscheinlich Jeb Bush. Aber er hat das Problem, dass er schon der dritte Bush wäre. Er stammt halt aus einer Dynastie, genauso wie Hillary Clinton. Das wollen die Amerikaner nicht. Im Moment gehen viele Beobachter davon aus, dass der wirkliche Kandidat der Republikaner vielleicht noch gar nichts ins Rennen eingetreten ist.

Der Chef des Traktor-Riesen Agco, Martin Richenhagen, im Interview mit WirtschaftsWoche. Quelle: Presse

Im amerikanischen Wahlkampf geht es selten um aktuelle Themen, sondern um die Haltung der Kandidaten zu Abtreibungen, der Todesstrafe oder den Waffengesetzen. Ist das kein Problem?

Diese Themen müssen die republikanischen Kandidaten bedienen, um bei den Vorwahlen den rechten Flügel zu überzeugen. Aber um später Präsident werden zu können, müssen sie wieder einlenken und sich moderat geben. Das ist eine Komplikation. Was ich interessant finde, ist wie demokratisch das eigentlich vorgeht. Bei uns wird der Kanzlerkandidat innerhalb der Partei ausgeklüngelt. Da ist es schon ein Fortschritt, wenn die SPD über eine Urwahl ihres Kanzlerkandidaten diskutiert.

Die amerikanische Industrie gilt als sehr konservativ, viele Unternehmer unterstützen die Republikaner. Sehen Sie eine politische Spaltung zwischen der klassischen Industrie und der IT-Branche?

Die IT-Branche ist natürlich durch jüngere, kreative Menschen geprägt. Da haben viele eher eine Tendenz, die Demokraten zu wählen. Und Unternehmen wie Uber, Facebook oder auch Tesla haben natürlich einen großen Einfluss.

Elon Musk revolutioniert mit seinem Unternehmen Tesla gerade die Autobranche. Sie sind Chef von Agco, des drittgrößten Herstellers von Landwirtschaftsmaschinen wie Traktoren und Mähdreschern weltweit - fürchten Sie sich auch vor einem Revoluzzer in ihrer Branche?

Tesla ist ein spezieller Fall, das Unternehmen macht kein Ergebnis. Ich halte das Geschäftsmodell nicht für tragfähig. Das Auto hat eine super schicke Form, als hätte man alle klassischen Sportwagen durch ein Computerprogramm geschickt und die beste Optik ausrechnen lassen. Aber technisch gesehen halte ich es für nicht zu Ende konstruiert. Das sieht man an der Verarbeitung, an den großen Spaltmaßen, und wo man die Mittelkonsole erwartet, ist einfach ein Leerraum. Und wer soll schon einen gebrauchten Tesla kaufen? Aber ohne Zweifel war Tesla für die Autoindustrie ein Weckruf, das hat Innovationen vorangetrieben.

In der Landwirtschaft arbeiten wir schon lange an Ideen wie selbstfahrenden und vernetzten Maschinen. Fünf vernetzte Schlepper ohne Fahrer nebeneinander auf einem Feld, das ist bei uns kein Problem. Auf dem Feld gibt es ja auch keine Verkehrsordnung, das ist unser Vorteil.

"Wir haben bei der Osterweiterung der Nato große Fehler gemacht"

In der Autoindustrie gab es gerade viel Diskussionen um Hacker, die selbstfahrende Autos manipulieren. Wie sicher sind ihre Traktoren?

Wenn das bei Autos geht, ist das bei Traktoren natürlich auch möglich. Angreifer könnten versuchen, einen Traktor vom Feld in ein anderes Land zu schicken und da zu vermarkten. Wir müssten einen Hacker einstellen, damit wir verstehen, wo diese Hacker angreifen. Das weiß ja bei uns gar keiner.

Autonome Erntehelfer
Eine landwirtschaftliche Maschine auf einem Feld Quelle: Claas
Traktoren mit Lenksystem Quelle: Claas
Agrobot, mechanischer Erntehelfer Quelle: Agrobot
Feldroboter Quelle: David Dorhout
Ein Flugroboter wird über einem Feld fliegen gelassen Quelle: dpa
Satellitenbild Quelle: NASA astronauts
Ein Landwirt ruft Daten in einem Traktor ab Quelle: Claas

Auch Industriespione versuchen, über vernetzte Maschinen an Daten zu kommen.

Ja, wir hatten schon mehrfach Angriffe auf unsere IT. Wir wissen allerdings nicht, wer genau dahinter steckt. Die Vermutung ist, dass es Angreifer aus China sein könnten. Wir arbeiten da sehr eng zusammen mit dem FBI.

Und worauf zielten diese Angriffe?

Auf unser Werk in Kansas, dort wurden Produktinformationen und technische Spezifikationen und Lieferanteninformationen abgezapft. Wir haben sofort nachgerüstet und eine Software installiert, die diese Angriffe entdeckt, eine Art Einbruchsicherung. Aber auch dadurch ist man nicht komplett geschützt, man wird nur über Angriffsversuche informiert. Viele Manager nehmen dieses Thema noch viel zu sehr auf die leichte Schulter, das muss zum Chef-Thema werden.

Verbrechen 4.0 - das ist möglich

Als Landwirtschaftsmaschinenhersteller geht es Ihnen gerade nicht sehr gut: Im vergangenen Jahr ist der globale Markt um rund zehn Prozent eingebrochen. Wie lange wird diese Tiefphase noch anhalten?

Dieses Jahr erwarten wir noch mal einen Rückgang in derselben Größenordnung, und nächstes Jahr wird es wohl auch nicht besser. Viele in der Branche sagen: Es hat noch nie eine Rezession in diesem Markt gegeben, die länger als zwei Jahre gedauert hat. Aber ich bin da vorsichtiger. Landwirte investieren nur, wenn sie ein gutes Einkommen haben. Und die Preise für die Getreide und die anderen landwirtschaftlichen Erzeugnisse sind immer noch niedrig. Wichtiger ist aber noch ein anderer Faktor: In großen Märkten gibt es eine große politische Unsicherheit, wie durch die schlechte Wirtschaftslage in China, Brasilien, Frankreich oder auch durch die Sanktionen gegen Russland.

Wie sehr ist ihr Geschäft von den Sanktionen gegen Russland und dem russischen Einfuhrverbot von Lebensmitteln betroffen?

Wir sind von den Sanktionen nicht betroffen, trotzdem leidet unser Geschäft unter dem schwachen russischen Konsum. Schlimmer sind aber die Kollateralschäden: Die europäische Landwirtschaft leidet sehr unter den Einfuhrverboten. Polen zum Beispiel ist der zweitgrößte Apfelproduzent nach Neuseeland, neunzig Prozent der Ernte gingen nach Russland. Aber mit den Sanktionen geht das nun natürlich nicht. Die Landwirte dort kaufen jetzt nicht unbedingt neue Maschinen von uns.

Die Sanktionen der EU und USA gegen Russland

Die EU hat die Sanktionen nun noch einmal verlängert. War das die richtige Entscheidung?

Ich halte Sanktionen für ein veraltetes Mittel der Politik. Die Beispiele Iran und Kuba haben gezeigt, dass Sanktionen nichts bringen. Es gibt niemanden, der sich in der Wirtschaft über diese Sanktionen freut. Für Deutschland ist das schädlich. Das einzige, was etwas bringt, ist sich zu unterhalten. Wer Putin kennt, weiß, dass er auf Druck überhaupt nicht reagiert. Da scheint die Bundeskanzlerin allerdings völlig anderer Meinung zu sein. Ich glaube, Angela Merkel hat aufgrund ihrer Sozialisierung in der DDR da eine etwas spezielle Sicht. Die negativen Erfahrungen aus dieser Zeit beeinflussen die Art und Weise, wie sie über Russland denkt.

Welche Fehler hat die Kanzlerin in ihren Augen gemacht?

Wir haben bei der Osterweiterung der Nato große Fehler gemacht. Nach der deutschen Wiedervereinigung gab es die informelle Übereinkunft, dass sich das Nato-Gebiet nicht weiter ausweiten würde. Als man weitere Staaten aufnehmen wollte, hätte man die Russen einbeziehen müssen, zum Beispiel über einen Beirat. Vor der Ukraine-Krise waren wir kurz davor, eine russisch-deutsche Freundschaft einzuläuten. Das haben wir leichtsinnig auf Spiel gesetzt.

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