Aicuris feiert Zulassungserfolg Wuppertaler Biotechfirma darf auf Millionen-Segen hoffen

Für Gründerin Rübsamen-Schaeff ist es der „Gewinn der Goldmedaille“: Der Biotechfirma Aicuris aus Wuppertal gelingt die US-Zulassung für ein Medikament gegen Infektionskrankheiten. Nun stehen Millionen-Einnahmen bevor.

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Die Wuppertaler Biotechfirma Aicuris feiert einen wichtigen Zulassungserfolg. Quelle: Fotolia

Frankfurt Infektionen mit dem Cytomegalovirus (CMV) gehören zu den gefährlichsten Komplikationen bei Stammzell- und Organtransplantationen. Ein Wirkstoff aus der deutschen Biotech-Forschung, das von der Wuppertaler Firma Aicuris entwickelte Mittel Letermovir, kann das Risiko erheblich senken. Am Donnerstag erhielt die Substanz nun erstmals die Zulassung durch die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA.

Sie wird künftig unter dem Namen Prevymis vom amerikanischen Partner Merck & Co vertrieben, zunächst vor allem als Mittel zur Infektions-Prophylaxe bei den Knochenmarks- und Stammzell-Transplantationen. Eine Zulassung in Europa, wo sich das Mittel ebenfalls im Genehmigungsverfahren befindet, könnte Anfang des kommenden Jahres folgen.

Für die Biotechfirma Aicuris, ihre Gründerin Helga Rübsamen-Schaeff, und auch für die bisherigen Hauptfinanziers des Unternehmens, die früheren Hexal-Eigner Thomas und Andreas Strüngmann, ist die Zulassung ein Riesenerfolg. Aicuris entstand 2006 als Ausgründung aus dem Bayer-Konzern, der sich damals entschieden hatte, aus der Infektionsforschung auszusteigen.

„Das ist wie der Gewinn einer Goldmedaille“, sagte Firmengründerin Helga Rübsamen-Schaeff, die zuvor die Infektionsforschung bei Bayer und danach AiCuris geleitet hatte und heute dem Beirat von Aicuris vorsitzt. „Ich war damals überzeugt, dass wir mit Letermovir eine wirklich interessante Innovation hatten, deren Weiterentwicklung bei Aicuris sich lohnen würde. Wir sind jetzt stolz darauf, dass wir mit diesem Produkt helfen können, die gefürchteten CMV-Infektionen bei diesen sehr kranken, Knochenmarks-transplantierten Patienten zu unterdrücken.“

Firmenchef Holger Zimmermann spricht von einem „Meilenstein, der unseren wissenschaftlichen Ansatz und unsere Fähigkeit, innovative Therapien zu entwickeln, bestätigt“. Aicuris erhält aus Anlass der Zulassung von Merck & Co eine Erfolgsprämie von 105 Millionen Euro und könnte bei weiteren Zulassungen und abhängig vom Erreichen bestimmter Umsatzschwellen weitere Erfolgsprämien von zusammen fast 230  Millionen Euro erhalten. Außerdem hat das Wuppertaler Unternehmen Anspruch auf Lizenzzahlungen in Höhe zweistelliger Prozentsätze vom Umsatz.

Zimmermann geht davon aus, dass Aicuris damit für die nächsten Jahre durchfinanziert sein wird. Er will die gestärkte Finanzkraft nun nutzen, um die weiteren Entwicklungsprojekte von Aicuris weiter voranzutreiben und die Forschungs-Pipeline des Unternehmens möglichst noch zu verbreitern. „Das können wir nun realisieren, ohne weiteres Geld zu benötigen“, sagte er dem Handelsblatt.


Die neuen Aicuris-Projekte

Er hat dabei vollen Rückhalt der bisherigen Hauptfinanziers. „Wir wollen Aicuris weiter entwickeln“, sagte Thomas Strüngmann dem Handelsblatt. „Das Unternehmen verfügt über eine Reihe weiterer hochinteressanter Projekte.“ So arbeitet Aicuris neben Letermovir an vier weiteren Wirkstoffkandidaten, die sich in klinischer Entwicklung befinden . Das heißt, dass sie an Patienten getestet werden.

Dazu gehören antivirale Mittel gegen Herpesinfektionen und Hepatitis-B sowie ein Antibiotikum, das gegen verschiedene resistente Keime wirkt. Das Wuppertaler Biotechunternehmen ist damit in Deutschland das mit Abstand führende Unternehmen in der Infektionsforschung. Denn die etablierten Pharmaunternehmen wie Bayer, Boehringer und die Darmstädter Merck haben sich aus dem Gebiet vor Jahren schon zurückgezogen.

Das bisherige Hauptprodukt Letermovir hatte Aicuris bereits 2012, nach Abschluss einer erfolgreichen Phase-II-Studie, an Merck & Co auslizenziert. Der US-Konzern, der damit die weltweiten Vertriebsrechte erwarb, zahlte damals bereits 110 Millionen Euro an das Wuppertaler Unternehmen. Die Brüder Strüngmann dürften bisher fast 200 Millionen Euro an Kapital zur Verfügung gestellt haben.

Analysten schätzen, dass Merck & Co, einen Spitzenumsatz in hoher dreistelliger Millionenhöhe mit dem Medikament erzielen kann. Für Aicuris könnte das auf Lizenzerlöse von deutlich mehr als 50 Millionen Euro pro Jahr, möglicherweise sogar dreistellige Summen, hinauslaufen.

Das Cytomegalovirus (CMV) ist ein Virus, mit dem sehr viele Menschen infiziert sind, ohne es zu wissen. Bei gesunden Menschen wird das Virus von der Immunabwehr mühelos in Schach gehalten. Bei immungeschwächten Patienten, so etwa bei Leukämie-Patienten, die im Vorfeld einer Knochenmarks- oder Stammzelltransplantation mit einer hoch dosierten Chemotherapie behandelt wurden, kann es dagegen gefährliche Infektionen auslösen. Etablierte Mittel wie das Medikament Valcyte werden bisher nur im Notfall eingesetzt, weil sie mit zu hohen Nebenwirkungen verbunden sind.

Das von Aicuris entwickelte Mittel Letermovir, kann dagegen vorbeugend eingesetzt werden. In einem großen klinischen Test konnte es die Infektionsrate von 60 Prozent auf 37 Prozent nahezu halbieren und die Todesfallrate von 16 Prozent auf knapp zehn Prozent reduzieren.

Nach der Zulassung in den USA könnte das Mittel dort künftig etwa 11.000 Leukämie-Patienten pro Jahr zugutekommen, die eine Knochenmarks- oder Stammzelltransplantation erhalten. Ähnlich hoch dürfte die potenzielle Patientenzahl in Europa sein. Zudem könnten noch weitere Einsatzbereiche hinzukommen, etwa bei Patienten die nach Nieren- oder Herztransplantationen einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind.

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