Airbus-Chef Tom Enders Deutschland muss sich zur Rüstungsindustrie bekennen

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BND-Spionage gegen EADS

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat offenbar nichts dagegen. Ist das für die Rüstungsindustrie ein Hoffnungsschimmer, nachdem er bei Rüstungsgeschäften bisher eher auf der Bremse stand?

Ein solches Projekt braucht nicht nur Akzeptanz, es braucht aktive Unterstützung der Regierungen. Etwa bei der Klarstellung, nach welchem Recht das Gemeinschaftsunternehmen über Landesgrenzen hinweg seine Produkte verkaufen darf. Im Fall KMW/Nexter also Panzer und Kettenfahrzeuge, die ja dann sowohl in Frankreich wie auch in Deutschland entwickelt werden.

Was stellen Sie sich vor?

Ohne europaweit einheitliche Exportregelungen macht eine grenzüberschreitende Fusion in der Rüstungsindustrie keinen Sinn. Wir hatten im vorigen Jahr auch Probleme, als wir ein paar in Frankreich von uns hergestellte Hubschrauber exportieren wollten, für deren relativ kleine deutsche Zulieferanteile wir keine Ausfuhrgenehmigung erhalten haben. Ein europäisches Unternehmen kann ohne gesicherte Zulieferung aus ganz Europa nicht funktionieren. Deshalb haben wir eine Diskussion um eine neue Regelung angestoßen, die durch die Fusion KMW/Nexter nun verstärkt wird. Ich hoffe, dass uns die Politik in Europa hier rasch Klarheit gibt. Sonst verschwinden in solchen deutsch-französischen Partnerschaften auf Dauer zwangsläufig die Arbeitsplätze hier zu Lande, weil die Produkte fast nur aus Frankreich exportiert werden können.

Die Problemzonen der Airbus Group

Sind paneuropäische Regeln wegen der unterschiedlichen nationalen Interessen nicht eine Illusion?

Nur dann, wenn ein Land seine eigenen Regeln zum Maßstab für alle machen möchte. Und bevor wir über eine europäische Rüstungspolitik reden, müssen sich erst mal Deutschland und Frankreich einigen. Sie müssen die bestehenden Richtlinien der neuen industriellen Realität anpassen und berücksichtigen, dass in einer globalisierten Welt nicht nur Banken oder Autohersteller ohne grenzüberschreitende Zulieferungen und Fusionen nicht überlebensfähig sind, sondern auch Rüstungsunternehmen.

Wer muss sich dazu am meisten bewegen?

In erster Linie wir Deutsche. Unsere politischen und gesellschaftlichen Eliten müssen sich wieder zur Notwendigkeit und zum Wert einer Rüstungsindustrie bekennen. In Frankreich berichtet der Verteidigungsminister stolz über Exporterfolge, die es dank seiner Hilfe gab. Stellen Sie sich das mal in Deutschland vor!

In einigen Branchen gilt die Regel, dass die Erlaubnis in einem einzigen Mitgliedsland genügt, um ein Geschäft in der ganzen EU zu machen. Ein mögliches Vorbild für die Rüstung?

Das wäre eine Lösung, mit der wir uns anfreunden könnten. Manchen in Deutschland wird das nicht gefallen. Sie handeln nach dem Motto: „Am deutschen Wesen soll die EU genesen!“ Wenn dieses Prinzip gilt, dann wird der Spagat immer größer, einerseits die Rüstungsindustrie behalten zu wollen, anderseits aber nichts zu tun, um sie zu stärken. Das überlebt die Branche in Deutschland auf Dauer nicht.

Hoffen Sie, dass die mächtige IG Metall ein gutes Wort bei Minister Gabriel für Sie einlegt?

Ich beobachte durchaus, dass sich die Gewerkschaften hier konstruktiv und sachorientiert engagieren. Aber ich fürchte, solange Rüstung für unsere Eliten kein wichtiges Thema für Sicherheit und Wirtschaft, sondern lediglich ein parteipolitisch motiviertes Thema ist, wird sich an der Situation nichts grundlegend ändern.

Airbus geriet unlängst in die Schlagzeilen, weil das Vorgängerunternehmen EADS in den Suchbegriffen auftauchte, nach denen der Bundesnachrichtendienst BND für die NSA im E-Mail-Verkehr schnüffelte. Daraufhin haben Sie Anzeige erstattet. Hat die Bundesregierung Ihnen inzwischen die Vorgänge erläutert?

Nein, das habe ich auch nicht erwartet. Da wir anfangs allerdings das einzige Unternehmen waren, das als mögliches Opfer in der Presse genannt wurde, hätte ich mir schon etwas mehr Entgegenkommen gewünscht. Schließlich geht es hier ja auch um unsere Reputation. Und weil wir aufgrund der diffusen Lage nicht wissen, ob Firmengeheimnisse ausspioniert wurden und dadurch möglicherweise ein wirtschaftlicher Schaden für uns entstanden ist, haben wir Anzeige gegen Unbekannt gestellt.

Sind Sie inzwischen klüger?

Nein. Wir sind aber auch nicht naiv. Unternehmen wie unseres sind Ziele von Geheimdiensten oder werden von Sicherheitsbehörden beobachtet, etwa um zu kontrollieren, ob es sich an Exportbeschränkungen hält. Aber ich möchte nicht glauben, dass ein deutscher Geheimdienst unser Unternehmen im Auftrag eines anderen Landes ausspioniert.

Wie groß ist ihre Verärgerung über den BND?

Wir diskutieren in Deutschland am Thema vorbei. Es bedarf der Zusammenarbeit des BND mit ausländischen Diensten auch deshalb, weil unsere Dienste relativ klein und unterfinanziert sind. Ich meine, dass der BND zumindest auf Augenhöhe mit den Diensten in Frankreich oder Großbritannien sein sollte. Denn je stärker unser Dienst ist, umso weniger ist er von anderen abhängig. Aber am Ende gilt in Deutschland für die Geheimdienste das Gleiche wie für die Rüstung. Die Eliten wollen sie am liebsten ignorieren, statt selbstbewusst zu sagen: Ein Land mit der ökonomischen Bedeutung Deutschlands braucht auch handlungsfähige Geheimdienste.

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