Airbus-Chef Tom Enders Deutschland muss sich zur Rüstungsindustrie bekennen

Seite 3/5

Das jahrelange A400M-Debakel

Das aktuell größte Problem von Airbus ist der Absturz des Militärtransporters A400M. Das könnte Sie mehrere hundert Millionen Euro zusätzlich kosten, weil sich das Projekt verspätet, Nachbesserungen fällig werden und Regierungen Schadenersatz für höhere Kosten durch die alten Transportflugzeuge verlangen könnten.

Eine Verspätung kostet den Hersteller immer Geld und darüber sind wir mit den Abnehmerländern bereits seit Anfang des Jahres im Gespräch. Mit dem Absturz hat das nichts zu tun. Unabhängig davon bestätigen uns jedoch alle Kunden, die diesen Flieger betreiben: Die A400M ist ein erstklassiges Flugzeug...

... mit dem Sie aber so schnell kein Geld verdienen werden.

Ja, Geld verdienen werden wir mit dem Flugzeug erst, wenn wir es in größerem Umfang exportieren.

Offenbar hat aber kein Land Interesse.

Von wegen! Das Interesse an der A400M ist groß, allerdings kann ich derzeit nicht konkreter werden. Und dass ich noch keinen Abschluss präsentieren kann, liegt vor allem daran, dass wir das Flugzeug noch gar nicht richtig vermarkten.

Warum nicht?

Sie können ein solches Flugzeug erst dann so richtig vermarkten, wenn Luftwaffencrews ihren Kollegen aus anderen Ländern konkret von Einsatzerfahrungen berichten können. Nationale Referenzkunden sind im Rüstungsgeschäft überaus wichtig. Aber wir werden Aufträge bekommen, die Maschine ist konkurrenzlos. Im strategischen Lufttransportsegment hat unser US-Wettbewerber Boeing die größere C-17 im Angebot und Lockheed Martin die kleinere C-130 für den taktischen Lufttransport. Viele Nationen möchten aber weder das eine noch das andere Extrem. Dazwischen gibt es auf Jahre nur eine Alternative: die A400M, die zudem deutlich sparsamer und vielseitiger im Einsatz ist als die Konkurrenz-Maschinen. Darum wage ich die Prognose: Die US-Streitkräfte werden spätestens im nächsten Jahrzehnt der größte Kunde für das Flugzeug.

Technische Daten zum A400M

Das jahrelange Debakel um den Militärtransporter A400M sowie auch andere Rüstungsprojekte wie den Hubschrauber NH90 werfen die grundsätzlich Frage auf: Warum laufen bei Airbus die privat finanzierten Projekte besser als die steuerfinanzierten?

Jetzt vergleichen Sie Äpfel mit Birnen! Aussagekräftiger wäre es, statt Zivil- mit Militärflugzeugen lieber amerikanische und europäische Rüstungsprojekte miteinander zu vergleichen. Wenn Sie etwa die Entwicklung des US-Kampfflugzeuges Joint Strike Fighter und des Eurofighters gegenüberstellen, stehen wir in Europa sehr gut da. Das einzige Beispiel, bei dem es in den USA besser lief als in Europa, waren die leichten Hubschrauber für die US-Armee. Und die hat Airbus gebaut.

Die erste A400M geht in Dienst
Im Cockpit des A400M. Zu einer offiziellen Feier der Übergabe der ersten neuen Frachtmaschine wird das französische Verteidigungsministerium zu einem späteren Zeitpunkt laden. Die offizielle Übergabefeier soll nach der Sommerpause am Standort der Endmontagelinie im spanischen Sevilla stattfinden. Die A400M gilt als eines der wichtigsten Rüstungsprojekte Europas. Um die Finanzierung hatte es allerdings lange heftigen Streit gegeben. Missmanagement und technische Probleme führten zu der jahrelangen Verspätung und zu Milliarden-Mehrkosten. Der europäische EADS-Konzern (künftig: Airbus), der von Frankreich und Deutschland dominiert wird, drohte zwischenzeitlich sogar mit einer Einstellung des Programms, an dem europaweit rund 40 000 Arbeitsplätze hängen. Damit sollte Druck auf die Käuferstaaten ausgeübt werden, mehr Geld lockerzumachen. Die Bundeswehr bezifferte die Projektkosten für die 40 eigenen Maschinen zuletzt auf 25 Milliarden Euro. Quelle: Französisches Verteidigungsministerium
Auf der Luftfahrtmesse in Le Bourget vor einigen Wochen war ein A400M ausgestellt worden und auch zu Präsentationszwecken in die Luft gegangen. Hier ein Blick in das Innere der Maschine. Die erste an Frankreich gelieferte A400M wird nach Angaben von Airbus Military vor ihrer Eingliederung in die Transportflotte der französischen Luftwaffe zunächst für die weitere Ausbildung der Besatzungen eingesetzt. Die deutschen Maschinen sollen in Zukunft beim Lufttransportgeschwader 62 in Wunstorf bei Hannover stationiert werden. Unter anderem der Mittelrumpf des Transportfliegers wird bei Airbus in Bremen gebaut. Quelle: Französisches Verteidigungsministerium
Zu diversen Anlässen waren die Testmaschinen in den vergangenen Monaten bereits zu Showflügen gestartet. Hier wird eine A400M von einer französischen Kampfflugzeugstaffel begleitet. Quelle: Französisches Verteidigungsministerium
Nicht nur für reine Frachtflüge kann die Maschine eingesetzt werden, auch zum Absetzen von Fallschirmspringern ist sie geeignet. Bis zu 116 voll ausgerüstete Springer können an Bord gehen. Quelle: Französisches Verteidigungsministerium
Die französischen A400M werden am Standort Orléans-Bricy stationiert sein. Die technische Daten des Flugzeugs: Reisegeschwindigkeit: 780 km/h; Spannweite: 42 m; Länge: 45 m. Quelle: Französisches Verteidigungsministerium
Die Verzögerung in Produktion und Zulassung waren so immens, dass das französische Beschaffungsbüro der Streitkräfte von einem „schmerzvollen Prozess“ spricht. In Deutschland ... Quelle: EADS
... steht die offizielle Zulassung noch aus. Die Bundeswehr soll trotz der Probleme bei der Zulassung des Militär-Airbus A400M im Herbst nächsten Jahres ihre erste neue Maschine bekommen. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums soll das Flugzeug im November 2014 ausgeliefert werden. Insgesamt ist die Anschaffung von bis zu 60 neuen Militärtransportern geplant. Der A400M soll bei der Luftwaffe das in die Jahre gekommene Transportflugzeug Transall ablösen. Ursprünglich hatte das erste Flugzeug 2009 in Dienst gestellt werden. Das Bild zeigt eine A400M bei einer Flugvorführung in Le Bourget nahe Paris. Quelle: AP

Die Probleme bei der A400M sind aber doch hausgemacht, zuletzt vermutlich durch eine von Airbus fehlerhaft aufgespielte Software, die die Triebwerke falsch ansteuerte und die Maschine zum Absturz brachte.

Wir haben sehr rasch nach dem Unfall eine Hypothese geäußert, nachdem wir eigene Daten ausgelesen hatten. Diese Hypothese, bei der es um die Software der Triebwerke ging, hat die spanische Untersuchungsbehörde CITAAM jetzt bestätigt. Wie es dazu kommen konnte und welche Fehler und Faktoren genau den Unfall ermöglicht haben, muss die CITAAM weiter erforschen. Da gibt es noch kein abschließendes Bild. Was wir allerdings nun wissen, ist, dass dieser Unfall ein singuläres Ereignis war und wie er zukünftig verhindert werden kann. Was die so genannten hausgemachten Probleme der A400M allgemein angeht: Ja, da hat die Industrie ohne Zweifel einiges vermasselt. Aber auch die Politik hat daran ihren Anteil. Das beginnt bei den extrem unterschiedlichen Anforderungen der Regierungen, die die A400M technisch deutlich komplizierter machen als alle unsere Passagierjets. Und das endet beim Verteilen der Arbeit zwischen den Ländern. Erhebliche Teile der Verspätung rühren von solchen, nicht immer sachgerechten Anforderungen. Den Motor beispielsweise musste ein Konsortium aus vier Firmen bauen, die so noch nie zusammen gearbeitet hatten. Und das ist leider keine Ausnahme. Wir als Hersteller können selten den besten Zulieferer auswählen, sondern müssen einen nehmen, der so etwas noch nie gemacht hat. Das ist leider die Regel und das muss bei künftigen Projekten aufhören.

Grund dafür ist die nach wie vor zersplitterte europäische Rüstungsindustrie, die jede Regierung in ihrem Land möglichst großzügig bedienen will. Können Sie dagegen überhaupt etwas tun?

Ja, natürlich. Wenn wir in Zukunft neue Gemeinschaftsprojekte in der Rüstung angehen, bin ich wild entschlossen, die Fehler der Vergangenheit nicht mehr zuzulassen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%