Herr Enders, ist Ihnen langweilig?
(Erstaunt) Nein. In meinen bald 25 Jahren bei Airbus war es mir nie langweilig. Wie kommen Sie darauf?
Bei Airbus und um Sie herum türmen sich die Probleme. Und Sie nehmen sich Zeit, um bei München im Fallschirmspringeranzug einen Erlebnispark des Event-Anbieters Jochen Schweizer zu eröffnen.
Zur Person
Enders, 56, wurde im Juni 2012 Chef der EADS, seit Anfang 2014 Airbus Group. Der Sohn eines Schäfers und Major der Reserve studierte in Los Angeles und stieß 1991 zum EADS-Vorläufer Dasa, wo er Chef des Rüstungsgeschäfts, Co-Vorstandschef und Leiter des Zivilfluggeschäfts war.
Wir sind als Juniorpartner am Projekt Erlebnispark von Jochen Schweizer beteiligt. Das entsteht direkt neben unserem Münchner Firmengelände und passt gut zu uns, denn hier wird sich alles um die Faszination des Fliegens drehen. Es erhöht auch die Attraktivität des Standorts Ottobrunn. Leider ist unser Fallschirmsprung aufgrund des schlechten Wetters sprichwörtlich ins Wasser gefallen. Aber das war eine Nebensache, denn es stimmt schon, bei uns ist immer viel los!
Der Absturz ihres Militärtransporters A400M bei einem Testflug, die Affäre um Airbus und den US-Geheimdienst NSA, der Ukraine-Konflikt, eine sich anbahnende große Rüstungsfusion zwischen Deutschland und Frankreich: Wir haben den Eindruck, um Sie herum ist gerade viel mehr los als sonst.
Trotz großer Herausforderungen haben wir als Airbus-Gruppe viel erreicht. Wir haben 2014 operativ vier Milliarden Euro verdient, bei 60 Milliarden Euro Umsatz. Und wir sind auf gutem Wege, unsere Ziele für 2015, die wir dem Markt kommuniziert haben, zu erfüllen.
Trägt der Konflikt in der Ukraine, was die Rüstung angeht, etwas dazu bei?
Aktuell sehe ich da nichts. Derzeit unternimmt nur Polen größere Anschaffungen im Verteidigungsbereich, weil sie sich in unmittelbarer Nähe des Konflikts sehen. Wenn man so möchte, liegt das einzig Positive an der Ukraine-Krise in der Erkenntnis, dass unsere Streitkräfte unzureichend ausgerüstet sind.
Umsatzzahlen der Airbus-Geschäftsfelder
2014: 68 Prozent des Gesamtumsatzes
2012: 64 Prozent
2011: 59 Prozent
2014: 10 Prozent des Gesamtumsatzes
2012: 15 Prozent
2011: 20 Prozent
2014: 11 Prozent des Gesamtumsatzes
2012: 11 Prozent
2011: 10 Prozent
2014: 118 Prozent des Gesamtumsatzes
2012: 10 Prozent
2011: 11 Prozent
Quelle: Unternehmensangaben
Die Nato-Staaten haben erklärt, sie wollten mittelfristig zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Rüstung ausgeben. Freut Sie das nicht?
Die Ankündigung ist aus meiner Sicht nicht viel wert. Denn Deutschland als wirtschaftlich stärkste Nation in Europa liegt mit derzeit 1,2 Prozent deutlich unter diesem Zielwert und wird trotz gewisser Anstrengungen auch in Zukunft weit darunter bleiben. Auch andere Staaten erreichen den Zielwert nicht. Was heißt das für die Industrie? Nun, wir stellen uns etwa darauf ein, dass die Zukunft unseres Rüstungsgeschäfts künftig weniger im Bau bemannter Flugzeuge liegt, sondern eher im Wartungsgeschäft. Schließlich sind Flugzeuge wie der Eurofighter mehrere Jahrzehnte im Einsatz und das Wartungsgeschäft ist seit jeher profitabel. Wir werden auch – wie geplant – einige Unternehmensteile veräußern, die nicht mehr zu unserem Kerngeschäft gehören und in anderen Eigentümerstrukturen eine besser Zukunft haben, zum Beispiel in der Rüstungselektronik. Gleichzeitig wollen wir uns in Bereichen verstärken, in denen wir Marktführer sind: bei Verkehrsflugzeugen, Hubschraubern oder in der Raumfahrt.
Wäre Sikorsky, die Hubschrauber-Tochter des US-Konzerns UTC, die der gerade loswerden will, etwas für Airbus?
Wir sind der weltgrößte Hubschrauberhersteller und haben naturgemäß Interesse an dem, was sich bei Sikorsky tut. Schließlich ist das Hubschraubergeschäft langfristig ein Wachstumsmarkt. Sikorsky hat ein starkes Geschäft mit dem Pentagon und auch wir haben mit dem amerikanischen Rüstungsgeschäft bereits viele Erfahrungen gesammelt. Gute bei den leichten Hubschraubern für die US-Armee, bittere bei der Tankflugzeugausschreibung der US-Luftwaffe. Sprich: Wir wissen ziemlich genau, was in den USA im Verteidigungsbereich mitsamt seinen strikten Sicherheitsvorschriften machbar ist und was nicht. Insofern sind wir bei diesem Thema aufmerksam, aber bestimmt nicht euphorisch. Außerdem geht es hier um viel Geld, da ist eine gesunde Skepsis geboten.
Welche Bedeutung hat die geplante Fusion des deutschen Panzerbauers Krauss-Maffei Wegmann, kurz: KMW, mit dem französischen Wettbewerber Nexter für die deutsche Rüstungsindustrie?
In der Luftfahrt gab es bereits vor 15 Jahren eine Konsolidierungswelle, aus der nicht zuletzt wir hervorgegangen sind. Bei der Marineindustrie und den Panzerbauern ist dagegen so gut wie nichts passiert. Darum ist es erfreulich, wenn es da jetzt Bewegung gibt, nachdem bisher schon eine nationale Konsolidierung dieser Branche in Deutschland jahrzehntelang nicht möglich war. Ich glaube, dass dieses Projekt, wenn es richtig aufgesetzt wird, aus der Sicht beider Unternehmen sehr viel Sinn ergeben kann – unter der Voraussetzung, dass die Regierungen in Paris und Berlin das Projekt unterstützen.
BND-Spionage gegen EADS
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat offenbar nichts dagegen. Ist das für die Rüstungsindustrie ein Hoffnungsschimmer, nachdem er bei Rüstungsgeschäften bisher eher auf der Bremse stand?
Ein solches Projekt braucht nicht nur Akzeptanz, es braucht aktive Unterstützung der Regierungen. Etwa bei der Klarstellung, nach welchem Recht das Gemeinschaftsunternehmen über Landesgrenzen hinweg seine Produkte verkaufen darf. Im Fall KMW/Nexter also Panzer und Kettenfahrzeuge, die ja dann sowohl in Frankreich wie auch in Deutschland entwickelt werden.
Was stellen Sie sich vor?
Ohne europaweit einheitliche Exportregelungen macht eine grenzüberschreitende Fusion in der Rüstungsindustrie keinen Sinn. Wir hatten im vorigen Jahr auch Probleme, als wir ein paar in Frankreich von uns hergestellte Hubschrauber exportieren wollten, für deren relativ kleine deutsche Zulieferanteile wir keine Ausfuhrgenehmigung erhalten haben. Ein europäisches Unternehmen kann ohne gesicherte Zulieferung aus ganz Europa nicht funktionieren. Deshalb haben wir eine Diskussion um eine neue Regelung angestoßen, die durch die Fusion KMW/Nexter nun verstärkt wird. Ich hoffe, dass uns die Politik in Europa hier rasch Klarheit gibt. Sonst verschwinden in solchen deutsch-französischen Partnerschaften auf Dauer zwangsläufig die Arbeitsplätze hier zu Lande, weil die Produkte fast nur aus Frankreich exportiert werden können.
Die Problemzonen der Airbus Group
Im Kerngeschäft Ziviljets lebt Airbus fast nur von den A320-Mittelstreckenfliegern. Auf der Langstrecke bringt nur das älteste Modell A330 Geld. Der neue A350 wird netto erst nach 2020 Gewinn abwerfen, der Superjumbo A380 wohl nie.
Kampfjets und Raketen bringen viel Profit. Doch ab 2018 fehlen neue Aufträge. Für die Drohne Talarion fand Airbus keine Kunden, und das Geschäft mit Grenzsicherung wirft weniger ab als erwartet.
Die Airbus Group wurde 2000 als EADS gegründet. Dabei wurden völlig unterschiedliche Unternehmen zusammengeworfen, die schon in ihren vier europäischen Heimatländern kaum kooperierten. Trotz mehrerer Umstrukturierungen werkeln Firmenteile weiter vor sich hin, gibt es Doppelarbeiten und kaum Synergien.
Seit der Airbus-Gründung kämpfen Frankreich und Deutschland darum, mehr High-Tech-Jobs als der andere zu bekommen. Dazu vergeben sie Aufträge und Anlauffinanzierungen. Paris versuchte auch schon, die Mehrheit am Konzern zu erlangen.
Eine Fusion mit dem britischen Rüstungskonzern BAE schien ideal: Sie rettete Airbus das Waffengeschäft und half bei der Globalisierung. Doch Enders hatte unterschätzt, wie viel politisches Porzellan er mit seiner schroffen Art in Berlin zerschlagen hatte. Berlin legte sein Veto ein.
2008 wollte Enders Airbus-Werke an Zulieferer verkaufen. Der Deal platzte, weil er den Käufern auch einen Teil des Wechselkursrisikos aufbrummen wollte.
Sind paneuropäische Regeln wegen der unterschiedlichen nationalen Interessen nicht eine Illusion?
Nur dann, wenn ein Land seine eigenen Regeln zum Maßstab für alle machen möchte. Und bevor wir über eine europäische Rüstungspolitik reden, müssen sich erst mal Deutschland und Frankreich einigen. Sie müssen die bestehenden Richtlinien der neuen industriellen Realität anpassen und berücksichtigen, dass in einer globalisierten Welt nicht nur Banken oder Autohersteller ohne grenzüberschreitende Zulieferungen und Fusionen nicht überlebensfähig sind, sondern auch Rüstungsunternehmen.
Wer muss sich dazu am meisten bewegen?
In erster Linie wir Deutsche. Unsere politischen und gesellschaftlichen Eliten müssen sich wieder zur Notwendigkeit und zum Wert einer Rüstungsindustrie bekennen. In Frankreich berichtet der Verteidigungsminister stolz über Exporterfolge, die es dank seiner Hilfe gab. Stellen Sie sich das mal in Deutschland vor!
In einigen Branchen gilt die Regel, dass die Erlaubnis in einem einzigen Mitgliedsland genügt, um ein Geschäft in der ganzen EU zu machen. Ein mögliches Vorbild für die Rüstung?
Das wäre eine Lösung, mit der wir uns anfreunden könnten. Manchen in Deutschland wird das nicht gefallen. Sie handeln nach dem Motto: „Am deutschen Wesen soll die EU genesen!“ Wenn dieses Prinzip gilt, dann wird der Spagat immer größer, einerseits die Rüstungsindustrie behalten zu wollen, anderseits aber nichts zu tun, um sie zu stärken. Das überlebt die Branche in Deutschland auf Dauer nicht.
Hoffen Sie, dass die mächtige IG Metall ein gutes Wort bei Minister Gabriel für Sie einlegt?
Ich beobachte durchaus, dass sich die Gewerkschaften hier konstruktiv und sachorientiert engagieren. Aber ich fürchte, solange Rüstung für unsere Eliten kein wichtiges Thema für Sicherheit und Wirtschaft, sondern lediglich ein parteipolitisch motiviertes Thema ist, wird sich an der Situation nichts grundlegend ändern.
Airbus geriet unlängst in die Schlagzeilen, weil das Vorgängerunternehmen EADS in den Suchbegriffen auftauchte, nach denen der Bundesnachrichtendienst BND für die NSA im E-Mail-Verkehr schnüffelte. Daraufhin haben Sie Anzeige erstattet. Hat die Bundesregierung Ihnen inzwischen die Vorgänge erläutert?
Nein, das habe ich auch nicht erwartet. Da wir anfangs allerdings das einzige Unternehmen waren, das als mögliches Opfer in der Presse genannt wurde, hätte ich mir schon etwas mehr Entgegenkommen gewünscht. Schließlich geht es hier ja auch um unsere Reputation. Und weil wir aufgrund der diffusen Lage nicht wissen, ob Firmengeheimnisse ausspioniert wurden und dadurch möglicherweise ein wirtschaftlicher Schaden für uns entstanden ist, haben wir Anzeige gegen Unbekannt gestellt.
Sind Sie inzwischen klüger?
Nein. Wir sind aber auch nicht naiv. Unternehmen wie unseres sind Ziele von Geheimdiensten oder werden von Sicherheitsbehörden beobachtet, etwa um zu kontrollieren, ob es sich an Exportbeschränkungen hält. Aber ich möchte nicht glauben, dass ein deutscher Geheimdienst unser Unternehmen im Auftrag eines anderen Landes ausspioniert.
Wie groß ist ihre Verärgerung über den BND?
Wir diskutieren in Deutschland am Thema vorbei. Es bedarf der Zusammenarbeit des BND mit ausländischen Diensten auch deshalb, weil unsere Dienste relativ klein und unterfinanziert sind. Ich meine, dass der BND zumindest auf Augenhöhe mit den Diensten in Frankreich oder Großbritannien sein sollte. Denn je stärker unser Dienst ist, umso weniger ist er von anderen abhängig. Aber am Ende gilt in Deutschland für die Geheimdienste das Gleiche wie für die Rüstung. Die Eliten wollen sie am liebsten ignorieren, statt selbstbewusst zu sagen: Ein Land mit der ökonomischen Bedeutung Deutschlands braucht auch handlungsfähige Geheimdienste.
Das jahrelange A400M-Debakel
Das aktuell größte Problem von Airbus ist der Absturz des Militärtransporters A400M. Das könnte Sie mehrere hundert Millionen Euro zusätzlich kosten, weil sich das Projekt verspätet, Nachbesserungen fällig werden und Regierungen Schadenersatz für höhere Kosten durch die alten Transportflugzeuge verlangen könnten.
Eine Verspätung kostet den Hersteller immer Geld und darüber sind wir mit den Abnehmerländern bereits seit Anfang des Jahres im Gespräch. Mit dem Absturz hat das nichts zu tun. Unabhängig davon bestätigen uns jedoch alle Kunden, die diesen Flieger betreiben: Die A400M ist ein erstklassiges Flugzeug...
... mit dem Sie aber so schnell kein Geld verdienen werden.
Ja, Geld verdienen werden wir mit dem Flugzeug erst, wenn wir es in größerem Umfang exportieren.
Offenbar hat aber kein Land Interesse.
Von wegen! Das Interesse an der A400M ist groß, allerdings kann ich derzeit nicht konkreter werden. Und dass ich noch keinen Abschluss präsentieren kann, liegt vor allem daran, dass wir das Flugzeug noch gar nicht richtig vermarkten.
Warum nicht?
Sie können ein solches Flugzeug erst dann so richtig vermarkten, wenn Luftwaffencrews ihren Kollegen aus anderen Ländern konkret von Einsatzerfahrungen berichten können. Nationale Referenzkunden sind im Rüstungsgeschäft überaus wichtig. Aber wir werden Aufträge bekommen, die Maschine ist konkurrenzlos. Im strategischen Lufttransportsegment hat unser US-Wettbewerber Boeing die größere C-17 im Angebot und Lockheed Martin die kleinere C-130 für den taktischen Lufttransport. Viele Nationen möchten aber weder das eine noch das andere Extrem. Dazwischen gibt es auf Jahre nur eine Alternative: die A400M, die zudem deutlich sparsamer und vielseitiger im Einsatz ist als die Konkurrenz-Maschinen. Darum wage ich die Prognose: Die US-Streitkräfte werden spätestens im nächsten Jahrzehnt der größte Kunde für das Flugzeug.
Technische Daten zum A400M
45,1 Meter
42,4 Meter
14,7 Meter
76,5 Tonnen
37 Tonnen für 116 Passagiere oder 66 Krankenliegen oder ein gepanzertes Fahrzeug
50,5 Tonnen
780 Stundenkilometer
4500 Kilometer mit 30 Tonnen Zuladung oder 8700 Kilometer leer
Das jahrelange Debakel um den Militärtransporter A400M sowie auch andere Rüstungsprojekte wie den Hubschrauber NH90 werfen die grundsätzlich Frage auf: Warum laufen bei Airbus die privat finanzierten Projekte besser als die steuerfinanzierten?
Jetzt vergleichen Sie Äpfel mit Birnen! Aussagekräftiger wäre es, statt Zivil- mit Militärflugzeugen lieber amerikanische und europäische Rüstungsprojekte miteinander zu vergleichen. Wenn Sie etwa die Entwicklung des US-Kampfflugzeuges Joint Strike Fighter und des Eurofighters gegenüberstellen, stehen wir in Europa sehr gut da. Das einzige Beispiel, bei dem es in den USA besser lief als in Europa, waren die leichten Hubschrauber für die US-Armee. Und die hat Airbus gebaut.
Die Probleme bei der A400M sind aber doch hausgemacht, zuletzt vermutlich durch eine von Airbus fehlerhaft aufgespielte Software, die die Triebwerke falsch ansteuerte und die Maschine zum Absturz brachte.
Wir haben sehr rasch nach dem Unfall eine Hypothese geäußert, nachdem wir eigene Daten ausgelesen hatten. Diese Hypothese, bei der es um die Software der Triebwerke ging, hat die spanische Untersuchungsbehörde CITAAM jetzt bestätigt. Wie es dazu kommen konnte und welche Fehler und Faktoren genau den Unfall ermöglicht haben, muss die CITAAM weiter erforschen. Da gibt es noch kein abschließendes Bild. Was wir allerdings nun wissen, ist, dass dieser Unfall ein singuläres Ereignis war und wie er zukünftig verhindert werden kann. Was die so genannten hausgemachten Probleme der A400M allgemein angeht: Ja, da hat die Industrie ohne Zweifel einiges vermasselt. Aber auch die Politik hat daran ihren Anteil. Das beginnt bei den extrem unterschiedlichen Anforderungen der Regierungen, die die A400M technisch deutlich komplizierter machen als alle unsere Passagierjets. Und das endet beim Verteilen der Arbeit zwischen den Ländern. Erhebliche Teile der Verspätung rühren von solchen, nicht immer sachgerechten Anforderungen. Den Motor beispielsweise musste ein Konsortium aus vier Firmen bauen, die so noch nie zusammen gearbeitet hatten. Und das ist leider keine Ausnahme. Wir als Hersteller können selten den besten Zulieferer auswählen, sondern müssen einen nehmen, der so etwas noch nie gemacht hat. Das ist leider die Regel und das muss bei künftigen Projekten aufhören.
Grund dafür ist die nach wie vor zersplitterte europäische Rüstungsindustrie, die jede Regierung in ihrem Land möglichst großzügig bedienen will. Können Sie dagegen überhaupt etwas tun?
Ja, natürlich. Wenn wir in Zukunft neue Gemeinschaftsprojekte in der Rüstung angehen, bin ich wild entschlossen, die Fehler der Vergangenheit nicht mehr zuzulassen.
Die Zukunft des Superjumbo A380
Was waren die Fehler?
Um es knapp zu sagen: Überzogene nationale Arbeitsanteile, zu viele Typen und eine allzu ambitionierte Technik. Nehmen Sie den militärischen Transporthubschrauber NH90. Da gibt es mehr Varianten als Nutzerstaaten. Das ist absurd – sowohl aus militärischer als auch wirtschaftlicher Sicht!
Könnte eine europäische Drohne solch ein Zukunftsprojekt in der Rüstung sein, auf das sich jetzt Deutschland, Frankreich und Italien verständigt haben?
Möglicherweise. Allerdings ist momentan lediglich eine Machbarkeitsstudie vereinbart worden. Doch statt nochmals zwei Jahre zu forschen, würde es meines Erachtens mit dem Wissens- und Technologiestand von heute genügen, die Spezialisten aus den Armeen und der Industrie eine Woche in ein Hotel einzusperren und sie erst wieder herauszulassen, wenn sie ein Konzept vorlegen. Aber entscheidend ist: Es gibt das Projekt. Unbemanntes Fliegen ist eine Zukunftstechnologie – und zwar sowohl im militärischen wie im zivilen Bereich.
Wenn die Technik so wichtig ist, warum zahlt dann die öffentliche Hand die Entwicklung und nicht Airbus?
Einspruch! Wir haben in den letzten Jahren bereits sehr viel Geld in diese Technologie investiert, um uns für das Drohnenzeitalter zu wappnen. Und in Europa sind wir auch führend. Es ist leider enttäuschend, dass trotz aller Ansätze und Konzepte innerhalb der letzten zehn Jahre im unbemannten Bereich nichts Greifbares entstanden und der Rückstand Europas auf führende Länder wie die USA oder Israel gewachsen ist. Um es klar zu sagen: Das ist ein Schuh, den sich nicht nur die Politik anziehen muss, auch die Industrie hätte gewiss noch mehr tun können. Wie dem auch sei: Ob ein ernsthafter Entwicklungsstart eines solchen Drohnenprojekts möglich ist, werden wir sehen, wenn die Konzeptstudie 2017 steht.
Warum dauert das so lange?
Diese Frage müssen Sie bitte an die drei Regierungen als Auftraggeber richten. Nochmals: Ich bin überzeugt, eine Machbarkeitsstudie könnten wir auch viel schneller hinbekommen.
Die Basis Ihres wirtschaftlichen Erfolgs im vergangenen Jahr bilden die Verkehrsflugzeuge – mit Ausnahme Ihres Superjumbos A380. Wann werden Sie mit dem Geld verdienen?
In diesem Jahr erreichen wir erstmals die Gewinnschwelle. Ein großer Erfolg.
Bei anderen Modellen haben sie den Verkauf durch neue sparsamere Triebwerke angekurbelt. Wann kommt ein solcher neuer A380?
Also zunächst einmal: Dieses Flugzeug ist eine Klasse für sich und wir haben auch ohne neue Triebwerke den Spritverbrauch in der Vergangenheit um mehrere Prozent senken können. Und bei der A380 haben wir weiterhin einiges an Potenzial, das Flugzeug noch effizienter zu machen, als es schon ist. Eine Option, an die ich konkret denke, sind Innovationen in der Kabine. Ja, neue Triebwerke stellen eine weitere mögliche Option dar, die wir prüfen. Aber sie ist eben nur eine von mehreren. Bis Ende des Jahres wird der Verwaltungsrat sicher noch brauchen, um sich ein umfassendes Lagebild zu machen und Entscheidungen zu treffen. Das ist eine der schwierigsten Produktentscheidungen der vergangenen Jahre. Fest steht, dass es eine A380 mit neuen Triebwerken nicht lediglich für einen einzigen Kunden geben wird.
"Ich kann mir keine EU ohne Großbritannien vorstellen"
Die Zukunft von Airbus dürfte vor allem von der neuen Version ihres Kassenschlagers abhängen, des Mittelstreckenjets A320 mit neuen sparsameren Triebwerken. Erstkunde ist Qatar Airways. Rechnen Sie nach den gerade bekannt gewordenen Problemen mit einem Motorentyp mit Verspätungen bei der Auslieferung?
Nein. Wir sind bei der A320neo im Plan und halten an der Erstauslieferung Ende des Jahres fest. Momentan ist die Testflugreihe mit den Pratt & Whitney-Triebwerken zwar unterbrochen, weil wir ein Problem identifiziert haben. Das dürfte aber bald behoben sein und dann geht’s hier planmäßig weiter. Unterdessen ist der erste Testflug mit den CFM-Triebwerken vor einigen Tagen sehr erfolgreich verlaufen.
Wann wird es wieder einmal ein ganz neues Flugzeug von Airbus geben?
In den letzten acht Jahren haben wir drei nagelneue Modelle auf den Markt gebracht. Das ist Weltrekord. Und es kommt hinzu, dass – verglichen mit der ersten A320 – die A320neo wirklich neu ist, weil wir seit dem Start in den 1980er Jahren fast alles an diesem Flieger verbessert haben. Wann genau ein komplett neu entwickeltes Modell kommt, hängt davon ab, wann es den nächsten Technologiesprung gibt und was unsere Wettbewerber in den USA oder künftig in China machen. Wahrscheinlich kommt ein solches Mittelstreckenflugzeug erst gegen Ende des nächsten Jahrzehnts.
Die Passagierjets machen Airbus zu einem der größten Exporteure Europas. Wie wichtig ist für Sie das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP mit den USA?
Nun, in unserer Branche haben wir bereits weltweit gemeinsame Standards. Insofern berührt uns das Thema vordergründig gar nicht so sehr. Mir persönlich ist vielmehr etwas anderes wichtig: Europa darf sich in der Globalisierung nicht abkoppeln. Wenn wir nicht wollen, dass Amerika und Asien die Standards setzen, dürfen wir uns TTIP nicht verschließen. Die USA verhandeln auch über ein transpazifisches Abkommen und werden das wahrscheinlich vor TTIP abschließen. Im Gegensatz zu uns haben die Amerikaner auch Alternativen. TTIP ist eine Chance, die es nur einmal pro Generation gibt. Dies dürfen wir nicht aufs Spiel setzen und schon gar nicht wegen der Frage, ob uns Europäern die Schiedsgerichte für Streitfälle transparent genug sind. Das Erstaunlichste an der Diskussion ist für mich, dass TTIP im lange als protektionistisch verschrienen Frankreich populärer ist als in Deutschland.
Wie schlimm wäre ein Austritt Großbritanniens aus der EU?
Ob die EU für Großbritannien wichtig ist, müssen die Briten selbst entscheiden. Wir sollten aber nicht glauben, dass die Briten uns mehr brauchen als wir sie. Ich bin dafür, dass wir offen und auch kontrovers in der EU diskutieren, was man besser machen kann: mehr Subsidiarität, weniger Bürokratie, klarere Verantwortung. Die neue EU-Kommission hat mit manch neuem Ansatz bereits recht positive Signale gesetzt. Da sollten wir weitermachen. Ich kann mir eine EU ohne Griechenland vielleicht vorstellen, aber keine ohne Großbritannien. Das gilt insbesondere bei wichtigen Zukunftsfragen wie der Außen- und Sicherheitspolitik oder einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftspolitik.
Warum?
Wenn wir mal vernünftig über Themen wie Deregulierung und Öffnung reden, werden gerade wir Deutschen erkennen, wie wertvoll die britischen Positionen sind.