Airbus gegen Boeing Der Luftkampf wird wieder enger

Im ewigen Duell zwischen Boeing und Airbus haben die Amerikaner seit Jahren die Nase vorn. Doch ausgerechnet im Jubiläumsjahr von Boeing stehen die Europäer davor, wieder Boden zum Rivalen gut zu machen.

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Im Jahr 2016 will der Flugzeugbauer 650 Maschinen ausliefern. Quelle: dpa

London Der ganz große Auftritt bleibt Tom Enders verwehrt. Eigentlich hatte der Chef des europäischen Flugzeugherstellers Airbus gehofft, bereits an diesem Mittwoch den kompletten Verkauf des Bereichs Rüstungselektronik zu verkünden. Doch der Deal erweist sich als komplexer als gedacht, und das Geschäft mit der Sicherung von Grenzanlagen verbleibt ohnehin vorerst im Konzern. „Wir brauchen noch ein paar Wochen“, kündigte Enders in London an.

Dennoch steht der hochgewachsene deutsche Manager an der Spitze des Flugzeug-Giganten nicht mit leeren Händen da. Denn die Jahreszahlen, die Enders in einem Luxushotel nahe des Bahnhofs Paddington vorlegt, stehen in deutlichem Kontrast zu der grauen Bühnenwand, vor der das Management auf der Bühne Platz genommen hat. Die Aufträge sind erstmals eine Billion Euro wert, und selbst der Riesenflieger A380 wirft mittlerweile Gewinn ab. Trotzdem bleibt Enders vorsichtig.

Im Duell zwischen Boeing und Airbus haben die Amerikaner seit Jahren die Nase vorne. Im Jahr des 100-jährigen Firmenjubiläums von Boeing schicken sich die Europäer an, wieder Boden auf den Rivalen gut zu machen. Mehr Gewinn, prall gefüllte Auftragsbücher: Enders sieht Airbus auf Wachstumskurs. 2016 will der Flugzeugbauer insgesamt 650 Flugzeuge ausliefern, nachdem bereits im vergangenen Jahr mit 635 Stück ein Rekord erzielt wurde.

Die wirtschaftliche Prognose fällt dennoch verhalten aus. Der Airbus-Chef sagte für das laufende Jahr nur einen stagnierenden Betriebsgewinn von rund 4,1 Milliarden Euro voraus. Als Begründung nannte er Kosten zum Hochfahren der Produktion neuer Passagierjetserien wie dem Langstreckenflieger A350 oder dem modernisierten Mittelstreckenmodell A320neo.

Dennoch stehen die Europäer damit derzeit besser da als der Erzrivale Boeing, der in wenigen Monaten 100 Jahre alt wird. Denn nach Feiern ist beim amerikanischen Flugzeugkonzern derzeit keinem zumute: Zuletzt in reihte sich eine schlechte Nachricht an die andere. Die zivile Luftfahrtsparte der Amerikaner kündigte einen weiteren Personalabbau an und gab dabei zu, dass sein Unternehmen gegenüber Airbus ins Hintertreffen gerät.

Danach sorgte ein Bericht für Aufregung, wonach die amerikanische Börsenaufsicht SEC die Bilanzierungsmethoden des Unternehmens unter die Lupe nimmt. Und auch wirtschaftlich enttäuschte Boeing mit der Prognose, in diesem Jahr weniger Flugzeuge auszuliefern als 2015.

Der Zweikampf zwischen Boeing und Airbus wird damit wieder enger. Es geht um die Gunst der Kunden und viele Milliarden Euro – und den Thron des absatzstärksten Flugzeugbauers. Doch Enders behauptet, dass er keinen Gedanken daran verschwendet, welcher der beiden Hersteller vorne liege – und will sich deshalb auch nicht festlegen, ob und wann das Überholmanöver klappen kann.


Prestigejet A380 startet nicht durch

Tatsächlich ist das Bild geteilt. Airbus lieferte im vergangenen Jahr 635 Flieger aus, Boeing dagegen 762 Jets. Doch bei den Neuaufträgen schoben sich die Europäer mit 1022 Festaufträgen im Jahr 2015 deutlich vor die amerikanische Konkurrenz mit 743 Bestellungen.

So legte Enders am Mittwoch für das abgelaufene Jahr goldgeränderte Zahlen vor. Die Einnahmen von Airbus kletterten binnen Jahresfrist um acht Prozent auf 64 Milliarden Euro. Das Konzernergebnis stieg um 15 Prozent auf rund 2,7 Milliarden Euro. Die kräftige Zunahme verdankte die Airbus Group einer niedrigeren Steuerlast, dem Verkauf von Anteilen am französischen Luftfahrtkonzern Dassault sowie der Tatsache, dass die Probleme mit der verspäteten A400M mit 290 Millionen Euro nicht so stark zu Buche schlugen wie im Vorjahr. Die Dividende soll deshalb auf 1,30 je Anteilsschein steigen, zehn Cent mehr als im Jahr davor.

„Der Rekord-Auftragsbestand unterstützt unsere Pläne, die Kapazitäten in der Zivilflugzeugproduktion zu erhöhen“, erklärte Enders. Doch die Ausweitung der Produktion in der Zivilluftsparte stellt den europäischen Flugzeugbauer auch vor Probleme.

So startet der doppelstöckige Prestigejet A380 kommerziell nicht durch und liegt bei den Bestellungen deutlich hinter den Erwartungen. Auch beim Großraumflugzeug A350 gibt es Schwierigkeiten – und das ausgerechnet bei den Sitzen. Der Hersteller Zodiac kommt nicht hinterher. Nun sollen im laufenden Jahr mehr als 50 Maschinen ausgeliefert werden. „Wird das einfach?“, fragte Enders in London. „Nein, aber wir glauben, wir schaffen das.“ So fußt der Erfolg von Airbus derzeit vor allem auf den jüngsten Verkaufserfolgen mit dem neuen Kurzstreckenflugzeug aus der modernisierten A320-Neo-Familie, einem Konkurrenzmodell des 737 Max von Boeing.

Denn auch wenn viele europäische Airlines unter Überkapazitäten und schärferen Wettbewerb ächzen, weltweit bleibt der Luftverkehr eine Wachstumsbranche - und die Flugzeughersteller kommen mit dem Bau neuer Jets kaum hinterher. Analysten der UBS-Bank erwarten im Jahr 2020 eine Jahresproduktion von rund 1550 Maschinen von Airbus und Boeing zusammen – nahezu doppelt so viel wie im Jahr 2000. Es sind Aussichten, die sowohl Boeing als auch Airbus-Boss Enders mit so mancher wirtschaftlichen Widrigkeit der Gegenwart versöhnen dürften.

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