Besonders haderte die Pariser Regierung dabei mit dem unfreiwilligen Abgang von Konzernvorstand Lahoud. So fehlte Enders als Frankreich im März dieses Jahres seinen sechsten Militärtransporter A400M auf dem Luftwaffenstützpunkt in Orléans feierlich in Empfang nahm. Dafür stand Lahoud auf der Gästeliste.
Den sowohl mit der französischen Politik als auch mit der heimischen Luftfahrt- und Rüstungsbranche bestens vernetzten Topmanager würdigte der damalige französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian, als habe der intern als „oberster Franzose“ gehandelte Manager im Machtkampf mit dem Deutschen nicht gerade den Kürzeren gezogen, vor allem weil er Verkaufsagenten von außen verschwieg als Airbus in Großbritannien staatliche Fördergelder für Flugzeugentwicklungen verschwieg und damit die aktuellen Ermittlungen wegen möglicher Schmiergeldzahlungen ins Leben rief.
Dem abwesenden Enders schickte der Minister dagegen in seiner Rede eine klare Warnung: „Vertrauen ist schneller verloren als gewonnen.“
Airbus: Bestellungen, Auslieferungen und Flugzeuge im Dienst
Bestellungen: 17.783
Auslieferungen: 10.662
Flugzeuge im Dienst: 9714
Quelle: Airbus/Statista
Stand: 15. November 2017
Bestellungen: 13.721
Auslieferungen: 7771
Flugzeuge im Dienst: 7434
Bestellungen: 816
Auslieferungen: 816
Flugzeuge im Dienst: 331
Bestellungen: 1694
Auslieferungen: 1368
Flugzeuge im Dienst: 1336
Bestellungen: 377
Auslieferungen: 377
Flugzeuge im Dienst: 283
Bestellungen: 848
Auslieferungen: 114
Flugzeuge im Dienst: 114
Bestellungen: 317
Auslieferungen: 216
Flugzeuge im Dienst: 216
Inzwischen führt Le Drian das Außenministerium. Doch an dem Misstrauen gegenüber Enders hat sich nichts geändert. Wohl nicht ohne Grund: Enders schaffte es, selbst Fabrice Brégier, die neue Nummer eins der französischen Seite, im Konzern zur Seite zu drängen. Der Franzose leitete die kommerzielle Flugzeugsparte. Nun untersteht die mit Abstand größte Abteilung Enders persönlich. „Die Franzosen können weniger denn je sicher sein, dass einer ihrer Landsleute den Laden führt, wenn Enders wie erwartet in ein paar Jahren aufhört“, sagt Branchenkenner Großbongardt.
Die Wut der Franzosen ist damit noch nicht erschöpft. Sie stören sich auch daran, dass Enders neue Fabriken statt in Frankreich, in den USA oder China bauen lässt. Und viele im Unternehmen verübeln es dem „Amerikaner“, so Enders interner Spitzname, dass er zur Aufklärung der aktuellen Bestechungsaffären ausgerechnet US-Anwälte engagierte und ihnen dabei tiefe Einblicke ins Unternehmen gewährt, inklusive der staatlichen Teile. „Einfacher kann man es unserem Erzrivalen Boeing kaum machen“, ätzt ein französischer Manager. „Wer hat ein Interesse daran, Airbus kaputt zu machen?“, fragt ein anderer.
Dazu kreiden Enders viele die Berufung von Paul Eremenko zum Technologievorstand bei Airbus an. Denn vielen Franzosen gilt der in der Ukraine geborene Manager gebürtige Ukrainer als eine Art Maulwurf der USA. Der Grund: er war mal stellvertretender Leiter der Darpa genannten Forschungsorganisation des US-Verteidigungsministeriums. „Es gibt Versuche, Spannungen von außen in das Unternehmen zu tragen", erklärte Enders kürzlich.
Deutsch-französische Grabenkämpfe
Die Blockade jenseits des Rheins beunruhigt zunehmend die deutsche Seite. Auch hier wächst das Misstrauen. In Enders’ Umfeld etwa gehen einige davon aus, dass die jüngst den Medien gesteckten Dokumente mit belastenden Korruptionsvorwürfen von französischen Enders-Opfern stammen. Auch das brisante Material, wonach Airbus in Österreich bestochen haben soll und so dem Alpenland überdimensionierte Eurofighter andrehte, lastet man der französischen Seite an. „Das muss aus internen Quellen kommen“, ereifert sich etwa ein deutscher Airbus-Manager.
Zerreißt das Band nun endgültig, stürzt Airbus noch tiefer in die Krise? Enders ist gewillt, den Kampf durchzustehen. Er weiß, dass er anders keinen global agierenden, weltweit angesehenen Konzern aufbauen kann. Schon im aktuellen Bestechungsfall droht – egal, wie die Ermittlungen in Deutschland, Großbritannien, Frankreich oder Österreich nun ausgehen – eine Strafe von mindestens zwei Milliarden Euro. „Und bei jedem weiteren Fall wird das mehr“, so ein Insider.
„Wenn wir jetzt alle an einem Strang ziehen, bin ich sicher, dass Airbus aus dieser Krise als besseres, stärkeres und wettbewerbsfähigeres Unternehmen hervorgehen wird“, hatte Enders in einem Rundbrief an die Mitarbeiter geschrieben, nachdem die Korruptionsvorwürfe bekannt wurden. Der Bombardier-Deal bietet ihm nun zumindest eine erste Chance zur Versöhnung.