Airbus und Boeing schreiben zwar gute Gewinne. Doch in ihren Bilanzen schlummern noch ein paar finanzielle Zeitbomben in Form noch nicht abgerechneter Verluste. Beide haben in der Vergangenheit je nach Rechnung sogar mehr als 20 Milliarden Dollar beim Bau und der Entwicklung von Flugzeugmodellen wie Boeings 787 Dreamliner oder dem Airbus A380 verpulvert. Bei beiden Jets läuft zwar die Produktion inzwischen rund. Doch beim Bau zahlen beide drauf. Sie haben überschätzt, wie schnell sie ihre Produktionskosten senken können, und haben darum ihre Jets im Kampf um Kunden zu billig verkauft.
Das wollen sie nun auf zwei Wegen wettmachen: Wichtigstes Mittel sind höhere jährliche Lieferzahlen und das Vorziehen von Aufträgen. Das sorgt dank der besseren Auslastung der Produktion für niedrigere Baukosten und mehr Gewinn pro Flieger. Zudem drücken die Flugzeughersteller nach Kräften auf die Produktionskosten. Dafür haben sie Automanager engagiert, die ihre beim Kfz-Bau gemachten Erfahrungen bei der Jetherstellung einbringen. Sie trimmen nicht nur die Fertigung auf eine Art Serienproduktion.
Wie zuvor bei Mercedes oder VW erhöhen die Chefeinkäufer der Flugriesen auch den Druck auf die Lieferanten. Die bekommen nicht nur strenge Sparvorgaben. Wer bei Projekten mitmachen will, muss sich am Risiko beteiligen, etwa indem er die Forschung oder den Ausbau der Produktionsanlagen selbst zahlt.
Das klang nach einer guten Idee. „Jeder unserer Zulieferer hat eine höhere Rendite als wir“, klagte Airbus-Chef Enders mal. Doch in der Luftfahrt gelten andere Gesetze. Für bestimmte Teile gibt es meist nur eine Handvoll Lieferanten. Fällt einer aus, gibt es keinen Ersatz. Denn die Wettbewerber können entweder die vorgeschriebene Technik nicht genauso liefern wie gewünscht – oder sie sind mit anderen Herstellern beschäftigt. Also bleibt Airbus & Co nichts übrig als die Produktion zu bremsen bis der Lieferant zu Potte kommt – und erbosten Airlines Entschädigungen zu zahlen.
Wie das System läuft, zeigt sich gerade bei Boeing. Für den Druck beim größten Flugkonzern der Welt sorgt neben verpassten Reformen der vergangenen Jahre der starke US-Dollar. Wegen dem kann Airbus die traditionell in Dollar abgerechneten Flugzeuge sowie nötige Serviceleistungen billiger anbieten als die Amerikaner. Also hat der US-Konzern im Frühjahr sein "Partnering for Success" genanntes Sparprogramm für den Einkauf nochmal verschärft. „Wer da nicht mitmacht, kommt auf eine Art Flugverbotsliste“, so Experte Hamilton. Das verärgert die Zulieferer, weil Boeing sich scheut, seine eigenen Kosten zu senken. „Statt ‚Partnerschaft für Erfolg‘ sollte es ‚Partnerschaft für Armut‘ heißen“, ätzte Richard Aboulafia von der auf die Luftfahrt spezialisierten Denkfabrik Teal Group aus der Nähe von Washington.
Inzwischen haben Airbus und Boeing reagiert. Die Europäer fordern zwar immer noch Rabatte, helfen ihren Zulieferern aber mittlerweile verstärkt die Probleme zu lösen. Auch Boeing versucht sich nun in Milde. „Sie verstehen allmählich den Unterschied zwischen Strategie und Taktik“, so Aboulafia. „Die richtige Taktik sorgt für schnelle Erfolge, aber die richtige Strategie für langfristige Erfolge. Und dazu gehört es nicht jeden Dollar mitzunehmen.“
Andernfalls, so der Experte, wird zwar der nächste Geschäftsbericht besser. In wenigen Jahren aber könnten sich Nachteile zeigen, wenn Lieferanten stur nach Vorgaben arbeiten und neue Technik zuerst der Boeing-Konkurrenz anbieten. Und dann werden auch die kommenden Messen ruhig. Allerdings dann aber aus einem unerfreulichen Grund: Nach den Lieferanten dürften die Fluglinien zur Konkurrenz wechseln.